Das wachsende Interesse der Anleger an nachhaltigen Unternehmen birgt auch Gefahren: Immer mehr Geld strömt in Firmen mit einer hohen ESG-Wertung – damit wächst die Wahrscheinlichkeit einer Blase, schreibt Carole Millet in ihrem Essay für finews.first.


In dieser Rubrik finews.first nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Nachhaltigkeit wird zur Notwendigkeit – auch für Unternehmen. Und auch immer mehr Aktionäre legen Wert auf soziale Verantwortung. Sie haben erkannt: Unternehmen, die bei Umwelt-, sozialen und Unternehmensführungs-Kriterien (Environment, Social, Governance – ESG) gut abschneiden, schmeicheln nicht nur dem Gewissen, sondern verringern auch Risiken, die bei der fundamentalen Analyse oft unentdeckt bleiben. Aus diesem Grund wächst seitens der Aktionäre der Druck auf Unternehmen, sich im Hinblick auf ESG-Aspekte zu verbessern.

Viele Firmen haben sich jedoch nicht ausreichend darauf vorbereitet, dass sie mit diesen Ansprüchen konfrontiert sein werden. Was das Management dabei häufig vergisst: Unternehmen, die ihr Geschäft nicht weiterentwickeln, werden tiefgreifende Auswirkungen auf ihre Performance spüren. Tatsächlich sind ESG-Probleme schon jetzt ein Grund für Wertvernichtung.

«Doch wie können Anleger, die nachhaltig investieren möchten, die richtigen Unternehmen finden?»

Der steigende Druck auf Unternehmen, ihre ESG-Performance zu verbessern, ist löblich. Doch das wachsende Interesse der Anleger an nachhaltigen Unternehmen birgt auch Gefahren: Immer mehr Geld strömt in Unternehmen mit einer hohen ESG-Wertung – damit wird die Wahrscheinlichkeit einer Blase immer grösser.

Denn: Wenn Anleger dem Herdentrieb nachgeben und nur in Large-Cap-Unternehmen investieren, die in ihrer Klasse führend sind und die höchsten Ratings aufweisen, können die Bewertungen den Bezug zur Realität verlieren. In Fonds mit ESG-Label dominieren derzeit Unternehmen mit höherer Kapitalisierung, und Anleger investieren oft – ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein – auf die gleiche Weise. So fliesst viel Kapital in die immer gleichen Unternehmen, was die Bewertungen aufbläht – und so das Risiko wächst. So kann eine Blase entstehen und die weitere globale Entwicklung zu nachhaltigerem Investieren drosseln.

Doch wie können Anleger, die nachhaltig investieren möchten, die richtigen Unternehmen finden und dabei die Gefahr vermeiden, überbewertete Titel zu kaufen und Geld zu verlieren, wenn die Blase platzen sollte?

«Anleger dürfen nicht vergessen: ESG ist keine Anlagestrategie, sondern ein Bestandteil davon»

Zwar sind Ratings ein wichtiger Indikator für die Nachhaltigkeits-Performance von Unternehmen und sollten bei der Beurteilung von ESG-Risiken durchaus berücksichtigt werden. Sie sind aber nur eines der Instrumente, die zum Einsatz kommen sollen. Anleger dürfen nicht vergessen: ESG ist keine Anlagestrategie, sondern ein Bestandteil davon.

Ebenso wichtig sind andere Faktoren, wie die Fundamentaldaten, regionale oder thematische Schwerpunkte, die Anlageklassen oder die Instrumente zur Risikobegrenzung. Hinzu kommt die Frage, wie die ESG-Faktoren gewichtet werden. Dabei ist es wichtig zu verstehen, mit welchen Herausforderungen ein Unternehmen in Zukunft konfrontiert sein könnte, und wie diese sich auf den Gewinn auswirken könnten.

Aufwändiger wird das Ganze, wenn wir uns kleinere Unternehmen anschauen, denn in Bezug auf die meisten von ihnen herrscht ein geradezu chronischer Mangel an guten Analysen. Wenn aber kleinere Unternehmen in der Nachhaltigkeitskette nicht beachtet werden, bleibt eine ergiebige Quelle von Alpha-Chancen unerschlossen. Schliesslich sind Mikro Caps und Small Caps die Wiege des Unternehmertums und bieten entsprechend grosses Potenzial.

«So kann man als Investor zu mehr Nachhaltigkeit beitragen – statt nur eine Blase weiter zu nähren»

Wer sich nur auf Unternehmen mit hohen Nachhaltigkeits-Ratings konzentriert, lässt sich eine wichtige Chance entgehen. Denn es ist für Unternehmen immer schwieriger, eine hohe Wertung bei den ESG-Ratings aufrecht zu erhalten. Wer als Investor dagegen Unternehmen findet, die noch kein hohes ESG-Rating besitzen, kann mit seinem Engagement dazu beitragen, die Wertung dieser Unternehmen zu verbessern. Investoren müssen dafür bereit sein, sich aktiv als Teilhaber des Unternehmens zu engagieren.

Die Unternehmen ihrerseits sollten eine gute Unternehmensführung und ein Management haben, das ernsthaft motiviert ist, die Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt zu verringern, um gemeinsam positive Veränderungen herbeizuführen. Auf diese Weise kann man als Investor zu mehr Nachhaltigkeit beitragen – statt lediglich eine Blase weiter zu nähren und so die Entwicklung des Finanzsystems hin zu mehr Nachhaltigkeit unwissentlich zu untergraben.


Carole Millet ist Senior Investment Advisor und zuständig für das Angebot an verantwortlichen Investments bei der Bank Syz.


Bisherige Texte von: Rudi BogniOliver BergerRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Ralph Ebert, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Zsolt Kohalmi, Karin M. Klossek, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Fabrizio Pagani, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Swetha Ramachandran, Beat Wittmann, Ken Orchard, Michael Welti, Christian Gast, Didier Saint-Georges, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Gérard Piasko, Fiona Frick, Jean Keller, Teodoro Cocca, Stefan Schneider, Lars Jaeger, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Claude Baumann, Marionna Wegenstein und Kim Fournais

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.35%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.77%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.87%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.35%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.66%
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