Frauen in der Finanzindustrie – ihre Anzahl ist in den vergangenen 15 Jahren zwar gestiegen. Doch hat sich auch ihre Rolle verändert? Lamara von Albertini schildert ihre Erfahrungen auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Die Auswahl der Texte liegt bei finews.ch.


Die verfügbaren Daten wie auch die verschiedenen Selbstdarstellungen respektive die Kommunikation im Banking erwecken den Eindruck, dass sich die Branche gewandelt hat – modern und offen eingestellt ist. Schaut man allerdings genauer hin, hat sich an den Strukturen nicht wirklich viel verändert. Insofern verwundert es nicht wirklich, dass vergangenes Jahr nur 7 Prozent Frauen die Geschäftsleitung der 100 wichtigsten Firmen in der Schweiz besetzten; gerade mal 3 Prozent mehr als 2006 (Quelle: Schillingreport).

Besitzstandswahrung – hier auf geschlechtlicher Ebene – ist ein althergebrachtes Phänomen, was wohl nur disruptiv verändert werden kann. Dazu gibt es genügend Beispiele aus der Geschichte. Die Schweizer Gesellschaft lebte noch bis vor kurzem ein eher traditionelles, konservatives Familienmodell. Andere Länder, zum Beispiel jene in Skandinavien, Grossbritannien oder Frankreich, sind bereits einen deutlichen Schritt weiter, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für karriereorientierte Frauen angeht. Den Nachholbedarf zu dieser Zeit zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2003.

«Eine solche Frage zu ihrer familiären Organisation haben Männer in ihrer Karriere wohl niemals erlebt»

Ich hatte damals eine einjährige Tochter und war für verschiedene Positionen in Zürich im Gespräch. Die Headhunter zweifelten nicht an meiner fachlichen Expertise, aber sie diskutierten mit mir, wer denn auf mein Kind bei einem 100-prozentigen Arbeitspensum aufpasst. Eine solche Frage haben Männer in ihrer Karriere wohl niemals zu ihrer familiären Organisation erlebt.

Durch den vermehrten Zuzug von internationalen Fachkräften nach Zürich, die ganz selbstverständlich in Vollzeit tätig waren, sowie dem allgemeinen Wandel in der Schweizer Gesellschaft, wurden die verkrusteten Strukturen allmählich aufgebrochen. Immer mehr Frauen arbeiteten jetzt in der Finanzindustrie, aber natürlich nur so viel, wie es die noch vorherrschenden Rahmenbedingungen zuliessen. In den Führungspositionen im Banking blieb man mehrheitlich unter sich.

«Aus meiner Sicht fehlt es auch etwas an Frauenpower»

Natürlich gab es vereinzelt Ausnahmen, auch ich ging meinen Weg weiter und besetzte verschiedene Führungspositionen in der Branche. Aber im Grunde war es nach wie vor ein «Closed Circle», klein und fein und selbstverständlich männlich. Meine Erfahrung zeigt, dass Männer eher Männer fördern, Frauen – wenn überhaupt – von ihren Mentorinnen unterstützt werden.

Aber aus meiner Sicht fehlt es allerdings auch etwas an Frauenpower. Als ich mich mit meiner Compliance-Beratung vor einem Jahr selbständig machte, fragten Männer ganz natürlich, wo denn mein Büro in Zürich sei. Frauen gingen davon aus, dass ich von zu Hause aus tätig bin. Das erstaunt mich bis heute. Immerhin sind in der Schweiz aktuell 40 Prozent der Unternehmer Frauen, im korporativen Leben sind es hingegen nur 9 Prozent.

Warum funktioniert dies hier, aber anscheinend nicht im Banking? Sind folglich flexiblere Arbeitszeiten für Frauen (und natürlich auch für Männer) der dringendste Ansatz für mehr Frauen in Führungspositionen? Hinzu kommt, Frauen trauen sich vielfach noch zu wenig zu und scheuen zum Teil auch vor beruflicher Verantwortung zurück, angesichts ihrer zusätzlichen Aufgabe als «Familienmanagerin». Womit wir wieder beim traditionellen Familienbild wären.

Punktuell geht es sicherlich voran. Die Rahmenbedingung für Kinderbetreuung werden laufend verbessert, aber letztlich würde ich eine harte Frauenquote begrüssen und dies nicht nur auf Verwaltungsebene, sondern vor allem auf C- und Führungslevel, um den Frauen den Weg in die Führungspositionen zu ebnen.

«Fintechs sind sicherlich aufgeschlossener gegenüber weiblicher Führungsxpertise»

Hier ist es Aufgabe der Politik und Wirtschaft, die Grundlagen zu schaffen. Ein Bereich innerhalb der Branche, der sicherlich aufgeschlossener gegenüber weiblicher Führungsexpertise ist, sind die Fintechs. Sie haben weniger Hierachie-Ebenen und integrieren verschiedene Skills zum Nutzen ihres Unternehmens.

Aber auch die Ausbildung und die Offenheit einer Gesellschaft sind wichtige Pfeiler. Globale Zertifizierungen für die Gleichstellung der Geschlechter wie «Economic Dividends for Gender Equality» (EDGE, eine Stiftung mit Stiftungsrätinnen -und räten) oder Initiativen wie Advance, gegründet von Kaderfrauen, die sich für mehr Frauen in Spitzenpositionen einsetzen, sind vielversprechende Beispiele für den Weg hin zu mehr Frauen auf den Schweizer Chefetagen.


Lamara von Albertini ist Gründerin und Leiterin des gleichnamigen Compliance-Beratungsunternehmens in Zürich. Zuvor war sie als Head Legal & Compliance bei einer Privatbank in Liechtenstein, davor in einer Rechtsanwaltskanzlei in Zürich, sowie als Legal Counsel im Direktorium grosser Finanzinstitute in der Schweiz tätig. Sie verfügt über fast zwanzig Jahre Berufserfahrung im Banking. Sie hat Rechtswissenschaften an der Universität in Kiew studiert und dort auch promoviert. Sie ist Schweizerin und spricht Deutsch, Englisch, Russisch sowie Ukrainisch.


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