Ohne eine Strategie, die den Anforderungen einer unternehmerisch und ethisch denkenden Generation von Kunden gerecht wird, laufen Privatbanken Gefahr, bedeutungslos zu werden, warnt Karam Hinduja in seinem Essay für finews.ch.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Die vergangenen Monate waren beispiellos, selbst für erfahrenste Private Banker. Zwar versetzte die Corona-Pandemie der Branche einen Ruck versetzt, doch die «tektonischen Platten» waren schon zuvor in Bewegung geraten. Die Krise macht unmissverständlich klar, dass sich die Privatbanken radikal ändern müssen – oder sie laufen Gefahr, vollends ins Hintertreffen zu geraten.

Natürlich hat die jüngste Volatilität an den Finanzmärkten die Privatbanken auf Trab gehalten. Doch über kurz oder lang werden die Privatbanken die finanziellen Auswirkungen der vergangenen Monate zu spüren bekommen.

«Ich sehe drei Bereiche, in denen Handlungsbedarf für Privatbanken besteht»

Verbunden mit einem scharfen Anstieg des Aufwands für die Einhaltung der Vorschriften steigt parallel dazu das Kosten-Ertrags-Verhältnis vieler Institute rasant an. Insofern ist die derzeitige Krise real, und die Privatbanken benötigen eine sehr gute Strategie, wenn sie langfristig überleben wollen.

Gleichzeitig wächst eine jüngere Generation heran, nicht zuletzt auch in den Schwellenländern. Vor diesem Hintergrund sehe ich drei Bereiche, in denen Handlungsbedarf für Privatbanken besteht.

Erstens müssen die Privatbanken über die angestammten Finanzzentren der Alten Welt, hinaus aktiv sein, um relevant zu bleiben. Mittlerweile sind wir im dritten Jahrzehnt des «asiatischen Jahrhunderts» angelangt, und Asien ist unbestritten der am schnellsten wachsende Markt für Private-Banking-Dienstleistungen.

«Ihr Appetit auf Risiko und höhere Renditen stellt die Vermögensverwalter vor grosse Herausforderungen»

Jüngere Kunden in Indien und China anzusprechen – Länder, die im kommenden Jahrzehnt mehr Milliardäre hervorbringen werden als der Rest der Welt zusammen – ist für die Branche entscheidend. Manche dieser Investoren haben in aufstrebenden Firmen sehr viel Vermögen gemacht und bevorzugen oft risikoreichere Portfolios als dies traditionelle Private-Banking-Kunden in der Vergangenheit verlangt haben.

Ihr Appetit auf Risiko und höhere Renditen stellt die Vermögensverwalter indessen vor grosse Herausforderungen. Doch wenn Privatbanken florieren sollen, müssen diese in der Lage sein, solchen Kunden zu entsprechen – als innovative Gesprächspartner und Unternehmer, die gemeinsam mit ihnen nach neuen Wachstumsmöglichkeiten suchen und diese auch finanzieren können.

«Kurzum, es geht um den Schutz der Menschen und unseres Planeten»

Zweitens müssen die Privatbanken so ausgestattet sein, dass sie der zunehmenden Präferenz jüngerer Kunden für nachhaltiges Investieren gerecht werden. In der Vergangenheit haben Flexibilität und die Bereitschaft, die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden bis ins Detail zu verstehen, Privatbanken ausgezeichnet. Für jüngere Generationen, die ihr persönliches Weltbild auch auf ihr Geld übertragen wollen, dürfte die Möglichkeit, ein hochspezialisiertes Portfolio zu erstellen, bestimmte Institute besonders attraktiv machen.

Ob es darum geht, den Klimawandel zu bekämpfen, die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern anzugehen oder soziale Gerechtigkeit zu erreichen, Privatbanken müssen sozial- und umweltbewussten Anlegern beweisen, dass sie dieses Verständnis in der Verwaltung von Vermögen teilen ¬– dass es nämlich bei der Schaffung von echtem Wert um mehr geht als nur um finanzielle Erträge. Kurzum, es geht um den Schutz der Menschen und unseres Planeten.

Die dritte Säule der Erneuerung besteht darin, dass wir die Nutzung von und den Umgang mit neuen Technologien ausweiten, nicht zuletzt, um mit den Disruptoren, oder Fintechs, in der Branche Schritt zu halten.

«Technologie ist zwar kein Ersatz für eine solide Investitionsberatung, aber eine Erweiterung»

Neue Generationen von Anlegern greifen immer mehr auf grosse Datenmengen, künstliche Intelligenz und andere Technologien zu, um ihre Investitionsentscheidungen zu treffen. Technologie ist zwar kein Ersatz für eine solide Investitionsberatung, aber eine Erweiterung der uns zur Verfügung stehenden Ressourcen, auf denen wir unsere Entscheidungen stützen, und zwar immer verbunden mit dem gesunden Menschenverstand.

Mit der Zeit zu gehen und neue Instrumente zu nutzen bedeutet, ein weitaus umfassenderes digitales Angebot zu entwickeln, um ein erstklassiges Kundenerlebnis zu bieten. Digitale Plattformen und Apps, die es Anlegern ermöglichen, mit ihren Finanzberatern per Fingerzeig zu interagieren, entwickeln sich schnell zu einer unabdingbaren Voraussetzung.

«Das ist natürlich falsch»

Die neue Kundengeneration erwartet auch ein breiteres Spektrum an Investitionen und den Zugang zu neuen Technologien. Kreative Möglichkeiten, in innovative Startups zu investieren und in die Zukunftstechnologien entwickeln, werden oft in die Schublade der «Alternativen Investitionen» geworfen, so dass traditionelle Banken sie als Kuriositäten abtun.

Das ist natürlich falsch, besonders für eine Generation, die mit der Technologie aufgewachsen ist. Privatbanken sollten darüber nachdenken, wie sie jene Investitionen ausfindig machen können, die nach traditionellem Massstab als «alternativ» gelten.

Während die Welt weiterhin mit Covid-19 ringt, müssen Privatbanken damit rechnen, dass die Makrotrends ihre Branche überrollen könnten. Ohne eine klare Strategie, die den Anforderungen der nächsten Generation gerecht wird, laufen sie Gefahr, bedeutungslos zu werden.

Oder mit anderen Worten: Sie müssen das traditionellen Private Banking durchbrechen und eine neue «raison d’être» definieren.


Karam Hinduja wurde im vergangenen Monat zum CEO der Hinduja Bank in der Schweiz ernannt. Der 29-jährige Brite ist der Enkel von Srichand Hinduja, dem 80-jährigen Patriarchen der gleichnamigen Dynastie, und dessen Vermögen auf 30 Milliarden Dollar geschätzt wird. Karam Hinduja studierte Politologie in Kolumbien, bevor er 2015 Timeless gründete, ein Medienunternehmen mit einer Impact-Investment-Plattform. Zuvor war er Vorstandsmitglied der Hinduja Bank sowie der in Dubai ansässigen Tochtergesellschaft des Unternehmens. Er arbeitet von Genf aus.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. Lucatelli, Maya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Zsolt Kohalmi, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Didier Saint-Georges, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Gérard Piasko, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Lars Jaeger, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing, Claude Baumann, Guy de Blonay, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Santosh Brivio, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Fabrizio Pagani, Niels Lan Doky, Michael Welti, Karin M. Klossek, Ralph Ebert, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Beat Wittmann, Bernardo Brunschwiler und Peter Schmid.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.33%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.78%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.88%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.36%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.65%
pixel