Compliance-Mitarbeiter haben zum ersten Mal die Vorzüge von Homeoffice erfahren, das lange Zeit wegen Bankgeheimnis, Datensicherheit und Cybersecurity ein Schattendasein fristete. Das wecke neue Begehrlichkeiten, schreibt Ralph Ebert auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Der Ausbruch des Corona-Virus’ hat die Büchse der Pandora geöffnet: Aufgetaucht sind Fragen und Ängste unserer Gesellschaft und die Suche nach einem neuen Verständnis und einer neuen Ordnung unseres sozialen Miteinanders. Auch die Finanzwelt stand plötzlich vor nie dagewesenen Herausforderungen.

Besonders betroffen ist auch der Bereich der Compliance, der seit Jahrzehnten von einer Regulierungswelle in die nächste treibt. Hier mussten die Banken aufgrund von Covid-19 schnell reagieren, um einen ordentlichen bankinternen Ablauf zu gewährleisten.

Ein Beispiel aus der Praxis: In aller Regel werden für die Eröffnung von neuen Kunden Unterschriften aller Beteiligten benötigt – vom Zentralregister über Compliance bis zum Kontoeröffnungs-Komitee; und das Ganze natürlich auf unterschiedlichsten internen Formularen.

«Kredit- und Kundeneröffnungs-Komitees wurden mit datengesicherten Videokonferenzen durchgeführt»

Bei den Pflichten für die Kundenidentifizierung gibt die Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB 20) sowie die schweizerische Geldwäscherei-Verordnung nur wenig Spielraum für ein Ermessen.
Umso lobenswerter war dann Anfang April 2020 der Vorstoss der Finma, vorübergehende Erleichterungen der Identifizierung zunächst auf dem risikobasierten Ansatz bis zum 1. Juli 2020 vorzunehmen: Dies dehnt die 30-Tage-Frist von Art. 45 VSB bei fehlenden Echtheitsbestätigungen von Ausweiskopien auf 90 Tage aus.

Es gibt noch weitere Lichtblicke: Kleinere und mittelgrosse Privatbanken waren in der Lage, trotz geringer Digitalisierung ihre Kernprozesse mit taktischen Lösungen kurzfristig und flexibel umzustellen: Kredit- und Kundeneröffnungs-Komitees wurden kurzerhand mit datengesicherten Videokonferenzen sowie der Entscheid in einem digitalen Validierungsverfahren per E-Mail durchgeführt.

«Diese Krise zeigt deutlich, wie das Private Banking und die Compliance an einen Wendepunkt angelangt sind»

Das Homeoffice brachte auch neue Möglichkeiten mit sich, besassen doch die Banken dadurch auch in Randzeiten oder über verschiedene Zeitzonen hinweg die nötigen Ressourcen und konnten diese ihren Kunden zur Verfügung stellen.
Diese Krise zeigt aber deutlich, wie sehr das traditionelle Private Banking und die Compliance an einen Wendepunkt angelangt sind und eine Digitalisierung quasi erzwungen wurde, um in Zeiten von Kosten- und Wettbewerbsdruck konkurrenzfähig zu bleiben.

Andere Berufszweige haben mit digitaler Innovation nicht nur Kunden behalten, sondern sogar neue Zielgruppen gewinnen können: So setzen Schulen bei der Ausbildung auf Online-Kurse, und sogar Yoga- und Sprachkurse erfreuen sich in der virtuellen Realität neuer Beliebtheit.

«Dies war notwendig, um bei der Digitalisierung im Private Banking eine Wende einzuleiten»

Die sozusagen erzwungene Digitalisierung bringt jedoch auch Herausforderungen für den Finanzplatz Schweiz mit sich: Mitarbeiter im Homeoffice stellen ein höheres Risiko in Bereichen wie Cyberkriminalität, Datenschutz und Compliance dar. Die Finma und die Schweizerische Bankiervereinigung arbeiten bereits an angepassten regulatorischen Konzepten, um digitale Lösungen langfristig anbieten zu können.

Die Covid-19-Krise hat durch ein neu gewachsenes verständnisvolles Miteinander eine entscheidende Richtungsänderung erreicht. Dies war auch notwendig, um bei der Digitalisierung im Private Banking eine Wende einzuleiten – und damit auch die notwendige Kooperation mit innovativen Fintechs. Statt Abstand und Misstrauen sind jetzt Partnerschaft und Aufeinanderzugehen gefordert.

«Noch immer ist ein Grossteil der internen Prozesse nur halbautomatisiert und nicht miteinander vernetzt»

Die Compliance kann eine der grossen Gewinnerinnen dieser Krise werden. Denn noch immer ist ein Grossteil der internen Prozesse nur halbautomatisiert und nicht miteinander vernetzt. Nur wenige Institute haben sehr hohe Investitionen in Big Data oder in Konzepte vorgenommen, die auf Künstlicher Intelligenz oder selbstlernenden Maschinen beruhen.

Viele Compliance-Mitarbeiter haben in den vergangenen Wochen zum ersten Mal die Vorzüge von Homeoffice erfahren, das lange Zeit wegen Bankgeheimnis, Datensicherheit und Cybersecurity ein Schattendasein fristete. Das weckt neue Begehrlichkeiten und erhöht die Anforderungen an die Compliance, diese Arbeitsmodelle langfristig anbieten zu können.

Gleichzeitig schafft es aber auch Chancen, hochqualifiziertes Compliance-Personal zu finden, denen bisher aufgrund der bestehenden Vorbehalte gegenüber «Working from Home» ein solches «hybrides» Arbeitsmodell versagt geblieben war.


Der Jurist Ralph Ebert ist seit 15 Jahren für Gross- und Privatbanken im Bereich Recht und Compliance tätig und arbeitet derzeit als Head Compliance bei der Banque International à Luxembourg (BIL) in der Schweiz. Seine bisherigen Stationen führten ihn geographisch über Seoul, Montreal und Paris ab 2008 in die Schweiz. Er hat bei verschiedenen Finanzinstitutionen (BNP Paribas, Credit Suisse, UBP und Credit Agricole Indosuez) gearbeitet und sich dabei schwerpunktmässig mit der Geldwäschereibekämpfung auseinandergesetzt.


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