Die kurzfristige Aufwertung des Franken hält Thomas Stucki für übertrieben. Zudem geht er davon aus, dass die SNB bei Bedarf weiterhin gegen den Franken intervenieren werde. Dennoch stelle sich die Frage, wie teuer der Franken wirklich sei, schreibt der Investmentchef der St. Galler Kantonalbank auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Der Franken hat in den vergangenen Wochen sowohl gegenüber dem Dollar als auch gegenüber dem Euro zugelegt. Diese Bewegung hat sich noch verstärkt, nachdem die USA die Schweiz wieder auf die Liste der möglichen Währungsmanipulatoren aufgenommen hat. Die Erwartung, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) nun nicht mehr in der bisher gewohnten oder je nach Standpunkt gefürchteten Art im Devisenmarkt intervenieren kann, hat zu einer kleinen Spekulationswelle für den Franken geführt.

Die kurzfristige Aufwertung des Franken ist aber übertrieben. Zudem gehe ich davon aus, dass die SNB bei Bedarf weiterhin punktuell gegen den Franken intervenieren wird. Dennoch stellt sich die Frage, wie teuer der Franken wirklich ist.

«Die Finanzkrise und der Ausbruch der Schuldenkrise wirkten für den Franken wie ein Erdbeben»

Die Frage, ob eine Währung über- oder unterbewertet ist, ist nicht einfach zu beantworten. Die SNB beurteilt den Franken als hoch bewertet. Sie bezieht sich dabei auf den realen Aussenwert des Franken, der die unterschiedlichen Inflationsraten in den verschiedenen Ländern berücksichtigt. Ähnlich aufgebaut sind die Bewertungsmodelle, die auf der Kaufkraft-Paritätentheorie basieren. All diesen Bewertungen ist gemeinsam, dass die Ergebnisse bezüglich Über- oder Unterbewertung einer Währung stark vom Anfangszeitpunkt abhängen. Sie gehen davon aus, dass der Franken zu diesem Zeitpunkt richtig bewertet war, was hinterfragt werden kann. Ob der Franken als teuer empfunden wird, hat deshalb viel damit zu tun, mit welchem Zeitpunkt der aktuelle Wert verglichen wird.

Von 2000 bis zur Finanzkrise war der handelsgewichtete Wert des Franken aussergewöhnlich stabil. Der Euro wurde als Alternative zum Dollar bejubelt und pendelte zum Franken zwischen 1.55 und 1.65. Für die Schweizer Wirtschaft war es eine angenehme Zeit, die mit dem Ausbruch der Finanzkrise abrupt endete. Die Finanzkrise und der Ausbruch der Schuldenkrise in der Eurozone ab 2010 wirkten für den Franken wie ein Erdbeben.

Der Euro sank trotz wiederholten Interventionen der SNB von 1.70 auf 1.05. Der handelsgewichtete Wert des Franken stieg um fast 60 Prozent, bevor die SNB die Notbremse zog und den Euromindestkurs von 1.20 einführte. Verglichen mit der Zeit vor der Finanzkrise ist der Franken daher heute tatsächlich sehr hoch bewertet.

«Der Franken ist gegenwärtig immer noch günstiger als vor fünf Jahren»

In den folgenden Jahren blieb der Aussenwert des Franken stabil, bevor die Aufhebung des Mindestkurses vor fünf Jahren die Franken-Tektonik erneut verschob. Die Verteuerung des Franken um etwas mehr als 10 Prozent war im Vergleich zum vorherigen Franken-Erdbeben jedoch gering und korrigierte nicht viel mehr als der aufgestaute Inflationsvorteil für die Schweizer Wirtschaft während der Zeit des Mindestkurses. Verglichen mit dieser Zeit ist der Franken heute nicht billig, aber auch nicht unbedingt als teuer zu bezeichnen.

Seit der Aufhebung des Mindestkurses ist der handelsgewichtete Wert des Franken nicht mehr gestiegen. In den vergangenen Jahren hat er sich gar abgeschwächt. Die Aufwertung gegenüber dem Euro seit Mitte 2018 von 1.20 auf 1.07 ist nicht mehr als eine Korrektur dieser «Schwächephase». Unter Berücksichtigung der im Vergleich zur Eurozone und den USA tieferen Inflation in der Schweiz ist der Franken heute immer noch günstiger als vor fünf Jahren.

«Der Franken ist ein dankbares Objekt für die Währungsspekulation»

Neben der wirtschaftlichen und politischen Stabilität der Schweiz ist die tiefe Inflation der Haupttreiber dieser Bewegung. Deshalb ist eine durchschnittliche Aufwertung des Franken um 1,5 Prozent bis 2,0 Prozent pro Jahr verkraftbar. Es wird immer wieder Phasen geben, während denen der Franken kurzfristig mehr zulegt. Dafür sorgt der ungebrochene Ruf des Franken als sicherer Hafen.

Gleichzeitig ist der Franken ein dankbares Objekt für die Währungsspekulation, da er trotz seiner Bedeutung eine «kleine» Währung ist und mit vergleichsweise geringen Handelsvolumen ein starker Preiseffekt erzielt werden kann. Die SNB wird auch in Zukunft gezielt am Devisenmarkt intervenieren und die Spekulation auf einen starken Franken zu einem riskanten Geschäft machen. Sie wird aber zurecht eine Aufwertung des Franken zum Euro von zwei bis drei Rappen pro Jahr zulassen.


Thomas Stucki ist Chief Investment Officer (CIO) der St.Galler Kantonalbank (SGKB). Er promovierte in Volkswirtschaft an der Universität Bern und ist CFA-Charterholder. Er führt bei der SGKB das Investment Center und ist in dieser Rolle verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von 7,5 Milliarden Franken. Zuvor war er als Leiter Asset Management der SNB verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.


Bisherige Texte von: Rudi BogniOliver BergerRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Zsolt Kohalmi, Karin M. Klossek, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Fabrizio Pagani, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Beat Wittmann, Ken Orchard, Michael Welti, Christian Gast, Didier Saint-Georges, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Gérard Piasko, Fiona Frick, Jean Keller, Teodoro Cocca, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Claude Baumann, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Ralph Ebert, Lars Jaeger, Swetha Ramachandran und Brigitte Kaps.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.26%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.75%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.93%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.3%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.77%
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