Lange Zeit waren direkte Beteiligung an Unternehmen ausschliesslich Grossanlegern vorbehalten. Doch aufgrund neuer Gesetze und Regeln ändert sich das nun. Wie jetzt auch Privatanleger mitmischen können, beschreibt Fabrizio Pagani exklusiv auf finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Für Privatanleger gab es bisher kaum Möglichkeiten, in Privatmärkte wie Private Equity oder Private Debt zu investieren. Laut der US-Börsenaufsicht SEC steht ein Private-Equity-Fonds in der Regel nur «akkreditierten Investoren und qualifizierten Anlegern» offen. Gemeint sind damit institutionelle Investoren wie Versicherungen, Stiftungen und Pensionskassen sowie vermögende Personen.

Für den durchschnittlichen Sparer hingegen waren diese Investitionsprogramme normalerweise geschlossen. Ähnliche restriktive Regeln gelten auch für die Mehrheit der alternativen Anlagen.

«Was damals als vorübergehende Massnahme gedacht war, ist zu einer langfristigen Entwicklung geworden»

Die Veränderung der wirtschaftlichen und geldpolitischen Ausgangslage, neue Entwicklungen in der Unternehmensfinanzierung, regulatorische Anpassungen und eine vorsichtige Öffnung durch die Aufsichtsbehörden bedeuten jedoch, dass sich dieses Umfeld nun wandelt. So führte die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni 2014 als erste der grossen Zentralbanken negative Zinssätze ein. Andere Währungshüter, wie die Bank of Japan, folgten diesem Beispiel. Die Zinsen in den USA sind zwar positiv, verharren aber auf historisch tiefem Niveau.

Was damals als vorübergehende Massnahme gedacht war, ist zu einer langfristigen Entwicklung geworden. Heute sehen wir einen Konsens darüber, dass die Zinssätze weltweit auf absehbare Zeit negativ beziehungsweise auf einem sehr niedrigen Niveau bleiben werden.

«Eine Allokation in private Märkte bietet Potenzial für eine gesunde Diversifizierung»

Die Auswirkungen und der Druck auf festverzinsliche Produkte sind offensichtlich. Die Renditen sind zurückgegangen, in vielen Fällen sogar negativ geworden. Klassische Rentenprodukte als Basis für Normalsparer haben deutlich an Attraktivität verloren. Aufgrund der monetären und wirtschaftlichen Bedingungen suchen Anleger zunehmend nach neuen Anlagemöglichkeiten, die eine höhere Verzinsung bieten. Das wiederum erhöht massgeblich die Attraktivität von privaten Kreditinstrumenten.

Eine Allokation in private Märkte bietet viel Potenzial für eine gesunde Diversifikation. Das starke Wachstum der Anlageklasse spiegelt die (hohe) Nachfrage wider. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die alternativen Anlagen mehr als verdreifacht – von 3,1 Billionen Dollar 2008 auf 11 Billionen Dollar 2019. Unterdessen hat sich in der Politik und bei den Regierungen Europas die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sinnvoll sein kann, private Ersparnisse in heimische Firmen zu lenken, insbesondere in kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Auf dieser Basis wurden entsprechende Richtlinien entwickelt.

«Diese Programme schaffen einen Anreiz für passive Sparer wie für aktive Investoren»

Insbesondere die europäischen Finanzminister sind daran interessiert, dass inländische Ersparnisse in die Finanzierung der Realwirtschaft fliessen, um deren Finanzierungsquellen zu erweitern und zu diversifizieren. Meiner Ansicht nach halten politische Entscheidungsträger eine weniger bankenabhängige Wirtschaft für eine erfreuliche Entwicklung. Steuererleichterungen für Privatpersonen, die in die Realwirtschaft investieren, verdeutlichen diese Intention.

Die britische Einkommensteuer-Gesetzgebung etwa bietet Privatanlegern eine günstige steuerliche Behandlung, die zunehmend auch für alternative Anlagen geöffnet wurde. Ähnliche Regelungen gibt es in Italien und Frankreich. Diese steuerlichen Programme schaffen einen Anreiz für «Privatpersonen, vom passiven Sparer zum aktiven Investor zu werden, und steigern gleichzeitig die Möglichkeiten für eine verbesserte langfristige Finanzplanung».

«Diese Fonds sind für Privatanleger konzipiert, jedoch mit gewissen Einschränkungen»

Im Jahr 2015 hat die EU einen neuen Investitionsrahmen namens ELTIF (European Long-Term Investment Fund) verabschiedet, der private Investitionen in Nicht-Ucits-Fonds (alternative Produkte) regelt. ELTIFs können langfristig in Eigenkapital und Fremdkapital von in der EU ansässigen KMUs investieren, einschliesslich nicht-börsenkotierter Unternehmen, Infrastruktur und Sachwerte. Diese Fonds sind für Privatanleger konzipiert, jedoch mit gewissen Einschränkungen, um den Schutz der Privatanleger zu gewährleisten.

Ein Privatanleger mit einem Portfolio unter 500'000 Euro kann beispielsweise nicht mehr als zehn Prozent seines Portfolios in ELTIFs investieren.

Alternative Anlagen haben inhärente Merkmale, zum Beispiel Illiquidität und Art des Risikos, die bei der Vermarktung an Privatkunden berücksichtigt werden müssen. Daher bemühen sich die Aufsichtsbehörden um die Festlegung angemessener Informations- und Offenlegungsanforderungen und Risikominderungsgrundsätze.

Im Vereinigten Königreich etwa hat die Financial Conduct Authority (FCA) als Reaktion auf bestimmte Fälle von Fehlverhalten kürzlich eine neue Kategorie von «Fonds, die in inhärent illiquide Vermögenswerte investieren» eingeführt und sie zusätzlichen Anforderungen unterworfen. In den USA leitete die SEC im Juni 2019 eine Konsultation darüber ein, wie der Zugang der Privatkunden zu privaten Märkten erweitert werden kann.

«Vermögensverwalter und Vertriebspartner sind ebenfalls dafür verantwortlich, diese Anforderungen zu erfüllen»

Meiner Ansicht nach wird in Europa und den USA ein ausgewogener Ansatz entwickelt, um Privatanlegern den Zugang zu privaten Märkten zu ermöglichen. Es ist wichtig, dass das Gleichgewicht zwischen Finanzierungserleichterungen der Realwirtschaft und dem Schutz der Sparer gefunden wird.

Der Ansatz von Regulierungs- und Aufsichtsbehörden, konkrete Offenlegungs- und Risikomanagement-Anforderungen festzulegen, scheint in diesem Zusammenhang ein gangbarer Weg.

Vermögensverwalter und Vertriebspartner sind ebenfalls dafür verantwortlich, diese Anforderungen zu erfüllen und sicherzustellen, dass diese Produkte verantwortungsvoll verkauft und vermarktet werden. Werden diese Voraussetzungen erfüllt, scheint mir der Raum für weitere Produktinnovationen gegeben zu sein.


Fabrizio Pagani stiess Mitte 2018 als Global Head of Economics and Capital Markets Strategy zum Asset Manager Muzinich. Zuvor war er im öffentlichen Dienst tätig, zuletzt als Büroleiter des italienischen Finanzministers sowie als G20-Sherpa und Berater in Wirtschaftsfragen. Davor arbeitete er bei der OECD in Paris, wo er für die Arbeiten der OECD an den G20- und G8-Gipfeln nach der Finanzkrise verantwortlich war. Er besitzt einen Abschluss in Internationalen Angelegenheiten der Scuola S. Anna in Pisa und einen Master in Internationalem und Europäischem Recht des European University Institute.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Zsolt Kohalmi, Karin M. Klossek, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Fabrizio Pagani, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Beat Wittmann, Ken Orchard, Michael Welti, Christian Gast, Didier Saint-Georges, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Gérard Piasko, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Ralph Ebert, Lars Jaeger, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing, Claude Baumann, Guy de Blonay, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Santosh Brivio, Tobias Müller, Florian Wicki und Jean Keller.

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