Die jüngst enttäuschenden Zahlen der UBS und die generell anhaltende tiefe Börsenbewertung der beiden Schweizer Grossbanken deuten auf ungelöste strategische Kernfragen hin, schreibt Teodoro Cocca in seinem Essay exklusiv für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Beginnen wir mit dem Trivialen. Das Geschäftsmodell einer Grossbank beruht – nomen est omen – primär auf deren absoluten Grösse. Dies wiederum wurzelt auf der Annahme, dass Grösse ein Differenzierungsmerkmal gegenüber anderen Banken ist, was wiederum Vorteile bringt. Grösse alleine ist allerdings weder reiner Selbstzweck, noch resultiert automatisch ein Vorteil daraus. Der tiefere betriebswirtschaftliche Sinn der Grösse als Unternehmensziel liegt in den Skalenvorteilen.

Hier hört dann aber das Triviale dieser Betrachtung auf. Für das Credo, eine Bank müsse wachsen, um profitabler und effizienter zu werden, steht die empirische Evidenz dafür auf ziemlich wackligen Beinen. Insbesondere wenn man dies in Bezug auf die spezifischen Merkmale einzelner Geschäftssparten betrachtet.

Dabei ist nicht von der Hand zu weisen, dass es natürlich Skalenvorteile in vielen Bereichen des Bankengeschäftes gibt. So zeigen Analysen, dass etwa die regulatorischen Kosten im Vermögensverwaltungsgeschäft Schweizer Banken signifikante Grössenvorteile aufweisen.

«In dieser Grundidee liegt die Kernproblematik»

Allerdings zeigt sich parallel dazu auch, dass auf Ebene der Profitabilität und der Effizienz des Gesamtunternehmens der Zusammenhang schwindet. Offensichtlich gibt es Gegeneffekte, die die Skalenvorteile in einem Bereich durch dysfunktionale Effekte der Grösse in anderen Bereichen kompensieren – teilweise sogar überkompensieren. Zusammengefasst können diese als Komplexitätskosten bezeichnet werden und sind auf der Schwierigkeit einer agilen Führung eines Grosskonzerns in einer sehr dynamischen Umwelt zurückzuführen.

Die Hauptgeschäftsfelder der beiden Schweizer Grossbanken sind das Investmentbanking und das Private Banking, wobei inzwischen beide Grossbanken eher im Private Banking das Hauptgeschäftsfeld sehen und das Investmentbanking als eine zudienende Einheit definieren. In dieser strategischen Grundidee liegt die Kernproblematik: Nicht wegzudiskutieren ist der Umstand, dass für die Banken in einem europäischen Umfeld die Rahmenbedingungen generell alles andere als attraktiv sind (regulatorischer Druck, Marktentwicklung, Zinsentwicklung) und dadurch die teilweise enttäuschenden Quartalszahlen erklärbar sind.

«Nun sag, wie hast Du’s mit dem Investment Banking?»

Dennoch fällt dem Beobachter auf, dass allen äusseren Widrigkeiten zum Trotz an der Präsentation der Geschäftszahlen, an Medienkonferenzen, an Analystenkonferenzen und an Generalversammlungen viele der aufgeworfenen kritischen Fragen sich letztlich alle auf die Gretchenfrage reduzieren lassen: Nun sag, wie hast Du’s mit dem Investment Banking?

Einfach formuliert lässt sich sagen, dass im Private Banking die Skaleneffekte sehr beschränkt, im Investmentbanking umgekehrt sehr gross sind. Verbindet man nun diese beiden Einheiten strategisch und reduziert gleichzeitig die Grösse der Investmentbank auf ein für die erwähnte Zulieferstrategie sinnvolles Mass, ergeben sich Probleme. Diese beruhen darauf, dass eine «gekappte» Investmentbank Mühe hat mit den grossen US-Giganten zu konkurrieren, gleichzeitig aber eine teure (weitgehend globale) Plattform aufrechterhalten muss.

«Das sind vor allem ultra-reiche Privatkunden, die solche anspruchsvollen Lösungen beanspruchen»

Schwächelt eine Investmentbank, dann führt dies gerade im hochkompetitiven Investmentbanking zu einem sich verstärkenden Effekt, der die Marktpositionierung der Investmentbank erodieren lässt und bei Kunden je länger je mehr zu Fragen der Qualität der Dienstleistungen führt. Gerade im Kontext eines Best-in-Class-Ansatzes kann sich ein Kunde zunehmend fragen, ob er die Investmentbanking-Dienstleistung nicht besser (und allenfalls auch unabhängiger) bei den US-Konkurrenten erhält als bei seiner Schweizer «Hausbank».

Dieser (potentielle) Nachteil sollte aber nun (über-)kompensiert werden durch den Vorteil einer äusserst starken Kundenbasis im internationalen Private Banking, welche genau diese Dienstleistungen aus dem Investmentbanking nachfragt und das Angebot aus einer Hand besonders schätzt. Das sind vor allem ultrareiche Privatkunden, die solche Lösungen beanspruchen – deshalb auch die Fokussierung beider Grossbanken auf diese Kundschaft (UHNWI, Family Offices).

«Man ist dort gross wo geringe Skaleneffekte resultieren und dort klein wo Skaleneffekte gross sind.»

Das macht grundsätzlich Sinn, nicht zuletzt auch hinsichtlich des Ziels, in möglichst effizienter Weise das Volumen für die Plattform der Investmentbank zu erhöhen (durch Akquisition relativ weniger zusätzlicher Grosskunden lassen sich die verwalteten Vermögen stark steigern). Jedoch ist genau dieses Kundensegment hinsichtlich der Nettomarge alles andere als attraktiv, da die Kundschaft anspruchsvoll, teuer zu bedienen, aber wenig zahlungsbereit ist.

Damit ist die Grundproblematik skizziert: Man ist dort gross wo geringe Skaleneffekte resultieren und dort zu klein, wo Skaleneffekte gross sind.

«Letztlich muss sich dies auch in einem Mehrwert für den Aktionär ausdrücken»

Lösbar ist dieses Problem, sobald aus der Integration der Investmentbank und des Private Bankings ein Mehrwert für die Kunden entsteht, die auch bereit sind, eine Prämie dafür zu zahlen. Letztlich muss sich dies aber auch in einem Mehrwert für die Aktionäre ausdrücken. Somit ist die Strategie der beiden Schweizer Grossbanken a priori nicht schlecht oder gut.

Am Ende steht schlichtwegs die Umsetzungsfrage: Gelingt es, das Investmentbanking und das Private Banking so zusammenarbeiten zu lassen, dass sie einen klaren Mehrwert für die Bewertung des Unternehmens schaffen? Die «objektive» Sprache der Börsenbewertung zeigt, dass dies bis heute bei beiden Schweizer Grossbanken (noch) nicht der Fall ist.


Teodoro D. Cocca ist seit 2006 Professor für Asset und Wealth Management an der Johannes Kepler Universität Linz. Davor war er einige Jahre bei der Citibank sowohl im Investment als auch im Private Banking tätig, forschte an der Stern School of Business in New York und lehrte am Swiss Banking Institute in Zürich. Zudem ist der Schweizer mit italienischen Wurzeln assoziierter Professor für Private Banking am Swiss Finance Institute (SFI) in Zürich und beratend für Finanzunternehmen und Behörden im In- und Ausland tätig. Seit April 2011 ist er Mitglied des Verwaltungsrats der VP Bank in Vaduz und leitet dort den Strategie- und Digitalisierungsausschuss.


Bisherige Texte von: Rudi BogniOliver BergerRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Thorsten PolleitKim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. LucatelliKatharina BartMaya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Peter Hody, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Zsolt Kohalmi, Karin M. Klossek, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Fabrizio Pagani, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Beat Wittmann, Ken Orchard, Michael Welti, Christian Gast, Didier Saint-Georges, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Gérard Piasko, Fiona Frick, Jean Keller, Teodoro Cocca, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Claude Baumann, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Ralph Ebert, Lars Jaeger, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps und Thomas Stucki.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.62%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.23%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.49%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.44%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.21%
pixel