Die grösste Schweizer Bank testet in Zürich erstmals einen digitalen Avatar im Private Banking. Der Chefökonom der UBS Schweiz ist dazu von Fantasy-Filmern in Szene gesetzt worden.

Letzten Winter erhielt Daniel Kalt einen Anruf vom bankeigenen Innovationslabor in Altstetten ZH. Ob er wohl Lust dazu hätte, am Versuch mit einer noch höchst experimentellen Beratungssoftware teilzunehmen? «Ich habe spontan zugesagt», erinnert sich der Chefökonom der UBS in der Schweiz. Und fand sich alsbald im Flieger nach Novi Sad wieder – um sein Gesicht einlesen zu lassen.

Inzwischen sind die in Serbien erfassten Daten zum Leben erwacht. In der noblen Bankfiliale am Zürcher Bellevue schickt man sie nun als «UBS Companion» an die Beratungsfront. Kalt, der Avatar, steht dort einer reichen Goldküsten-Klientel sowie ausgewählten Testpersonen mit seinem Fachwissen Red und Antwort. Damit, erklärten UBS-Verantwortliche am Dienstag vor Journalisten, kratze man an der Oberfläche der nächsten technologischen Revolution.

Kalt und Fin

Die Versuchsanordnung, die in den nächsten drei Monaten 100 ausgewählte UBS-Kunden durchlaufen, sieht folgendermassen aus: Ein traditionelles Private-Banking-Setting, ergänzt um ein Trackpad, einen Lautsprecher, einen riesigen Bildschirm, eine Sensorkamera sowie einen potenten Rechner, der in einer Kommode verborgen vor sich hinsurrt (siehe Bild unten).

Kalt2 500

Vorerst ist es nur der Berater, der sich an Avatar Kalt und seinen «Sidekick» wendet, das digitale Helferlein «Fin» (siehe Bild unten). Die beiden stehen ihm mit ihrer Expertise zur Seite. Kalt, wenn es um Fragen zum Einfluss des neuen Protektionismus und zur Investment-Hausmeinung geht. Und der lächelnde Fin, wenn der Kunde etwa eine Platin-Kreditkarte bestellen möchte.

Fin 500

Die Frucht zahlreicher Versuche

Der Einsatzradius von Kalt und Fin ist im Experiment eng umrissen. Sie sind digitale Knowhow-Konserven, die allerdings intelligent auf die Beratungssituation reagieren. Der Fachbegriff dazu heisst «Cobots». Gemeint sind Roboter, die dazu sind, dem Menschen die Arbeit zu erleichtern – und dessen Effizienz zu erhöhen.

Dazu muss die UBS aber erst einmal einigen Aufwand betreiben. Der intelligente Avatar ist die Frucht jahrelanger Experimente in der Vermögensverwaltung der Grossbank, über die auch finews.ch wiederholt berichtete. So etwa der in Grossbritannien lancierte digitale Berater Smartwealth, die Versuche mit dem Amazon-Chatbot Alexa oder mit einer Gesichtserkennungs-Software, die Kundenwünsche buchstäblich von den Lippen liest.

Für den jüngsten digitalen Streich hat das Geldhaus sich die Dienste des IT-Riesen IBM gesichert. Dieser stellt für die in Zürich getestete Technologie seine Plattform für Künstliche Intelligenz, Watson, zur Verfügung. Unerwarteter Partner im UBS-Boot ist ausserdem die neuseeländische Animationsspezialistin Face Me. Die Jungfirma zählt Animations-Profis aus der Fantasy-Filmtrilogie «Herr der Ringe»zu ihrer Mannschaft und hat in der Gestaltung von Avataren eine neue Nische entdeckt.

Gruseln wie bei Gollum?

Tatsächlich wirkt die Mimik von Avatar Kalt noch etwas chargiert – und erinnert wohl nicht von ungefähr an den komplett computeranimierten Charakter «Gollum», den heimlichen Star der «Herr der Ringe»-Filme (siehe Video unten).

Das kann einen belustigen oder gruseln. Die Demonstration am Dienstag hat aber deutlich gezeigt, dass der digitale Kalt niemanden kalt lässt. Denn der Avatar vermag, was sonst nur Menschen können: Emotionen transportieren und auslösen. Darauf zielt die Grossbank ganz bewusst ab – Kalt soll als kompetent wahrgenommen werden, Fin als knuffig.

Es öffnen sich Abgründe

Doch sind sie das wirklich? Mit der immer perfekteren Nachahmung von lebenden Personen öffnen sich Abgründe, wie jüngst die University of Washington aufzeigte. Mittels geeigneter Software liessen die Wissenschafter dort einen virtuellen US-Präsidenten Barack Obama eine völlig erfundene Rede halten. Das Ergebnis war täuschend echt (siehe Video unten). Wenig später trieb das Online-Portal «Buzzfeed» das Experiment auf die Spitze, indem es einen virtuellen Obama den amtierenden amerikanischen Präsidenten Donald Trump beschimpfen liess. Damit drohen der Informationsgesellschaft «fake news» im wahrsten Sinne des Wortes.

Ein wenig mulmig mit dem Experiment – das bei der UBS übrigens von Psychologen, Ethikern, Zukunftsforschern und Sicherheitsexperten begleitet wird – ist auch dem «echten» Kalt geworden. «Man fühlt sich wie geklont», sagt Kalt über seine Erfahrung mit dem Avatar. «Wer kontrolliert jetzt, was ich sage?»

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