Vontobel habe weniger Fehler gemacht als andere Banken und darum auch in schwierigen Zeiten ordentliche Gewinne erzielt. Trotzdem dürfe eine Bank nie reiner Money-Making-Apparat sein, sagt Vontobel-Präsident Herbert Scheidt im Interview mit finews.ch.


Herr Scheidt, Sie arbeiten seit gut 17 Jahren für Vontobel und sind seit acht Jahren Verwaltungsratspräsident der Bank. Wie sehen Sie Ihre weitere Rolle?

Ich habe noch viele Ideen, was wir in Zukunft bei Vontobel tun können. Wir haben die Bank solide aufgestellt und ein gutes Gerüst für die Zukunft geschaffen.

Natürlich machen alle Fehler, aber vielleicht haben wir weniger Fehler gemacht als andere, so dass wir auch in schwierigen Zeiten, ich denke da an die Finanzkrise, ordentliche Gewinne erwirtschaftet und in jedem Jahr eine gute Dividende gezahlt haben.

«Die digitale Revolution wird kein Ende haben»

Jetzt sind es erneut exogene Faktoren, die uns herausfordern, besonders die Digitalisierung. Alles in allem muss die Bank wandlungsfähig bleiben, damit wir den Veränderungen gerecht werden.

Hat nun eine neue Phase für Vontobel begonnen? Oder anders gefragt, ist der jüngste Zyklus abgeschlossen?

Meistens wissen Sie erst ex-post, ob eine Phase abgeschlossen ist oder nicht. Es ist auch so, dass die Phasen heute ineinander übergehen. Es gibt keinen Schnitt.

Die digitale Revolution beispielsweise wird kein Ende haben. Der Fortschritt geht immer weiter. Es ist ein Thema, das auf die gesamte Organisation der Bank übergreift. Darum müssen wir uns ständig fragen, sind wir weiterhin richtig aufgestellt.

Und zu welchem Schluss kommen Sie dabei?

Wir sind gut aufgestellt, weil wir vor Jahren bereits in unsere technologische Infrastruktur investiert haben. Aber richtig ist auch, dass wir nicht ruhen können. Heute geht es um Ökosysteme und ein verändertes Kundenverhalten.

Das müssen Sie uns schon etwas genauer erklären.

Im Ökosystem richtet sich alles nach den Kundenbedürfnissen, und dem, der den primären Zugang zum Kunden hat. Also zum Beispiel ein Makler bei einem Immobilienkauf. Er erfüllt ein primäres Kundenbedürfnis, nämlich ein Haus zu vermitteln. Aber in einem Ökosystem bietet er selber oder über sein Netzwerk auch die Finanzierung, die Renovierung und den Umzug an.

«Im Augenblick dreht sich in unserer Gesellschaft vieles um Convenience»

Als Finanzdienstleister müssen wir uns fragen, wie und wo wir uns in unseren Ökosystemen positionieren wollen. Was machen wir selber, was überlassen wir einem Spezialisten?

Mal sind wir, Neudeutsch formuliert, der «Orchestrator», mal der Partner oder der Lieferant. Letztlich geht es uns in diesem Kontext nicht darum, einfach ein Produkt zu verkaufen, sondern im richtigen Moment am richtigen Ort dem Kunden die richtige Dienstleistung zur Verfügung zu stellen. Das ist die Herausforderung für die gesamte Bankbranche. Wir sprechen da von neu zusammengesetzten Wertschöpfungsketten. Darüber müssen wir uns Gedanken machen, und neue Wege ausprobieren.

Von Vorteil ist für uns, dass Vontobel schon immer Partnerschaften gelebt hat, denken Sie an Raiffeisen, Helvetia, aber auch an ANZ oder die Bank of Singapore in Asien. Der Gedanke, dass einem der Kunde nicht immer alleine «gehört», ist uns nicht neu.

Werden von diesem Gesichtspunkt her gesehen Banken, wie wir sie gekannt haben, in einigen Jahre verschwunden sein?

Jein. Es gibt verschiedene Grundbedürfnisse, die auch in Zukunft nicht verschwinden werden. Dazu gehören Vertrauen und Sicherheit, ein anderes Grundbedürfnis ist «Convenience». Im Augenblick dreht sich in unserer Gesellschaft vieles um «Convenience».

Doch sobald ein höheres Mass an Unsicherheit entsteht, wie wir das jetzt gerade wieder erleben, richten sich die primären Bedürfnisse wieder verstärkt auf Vertrauen und Sicherheit aus. Als etabliertes und reguliertes Institut erfüllen wir diese Grundbedürfnisse.

«Ich gehöre nicht zu den Propheten, die sagen, alles wird anders und die Banken verschwinden»

Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen. Ich gehöre nicht zu den Propheten, die sagen, alles wird anders, und die Banken werden verschwinden. Es geht vielmehr darum, auf die Kundenbedürfnisse einzugehen.

Das verändert sicherlich die Art und Weise, wie wir in Zukunft Geschäfte machen werden. Im Prinzip waren die Banken schon immer einem Veränderungsprozess ausgesetzt. Waren sie im Vergleich zu anderen Branchen immer die schnellsten? Ich glaube nicht.

Warum?

Grösse per se ist heute kein Wettbewerbsvorteil mehr, denn Skaleneffekte haben nicht mehr die gleiche Bedeutung. Grösse führt zu mehr Komplexität, und Komplexität wiederum reduziert die Agilität eines Unternehmens.

Also werden in den nächsten Jahren noch mehr Finanzinstitute verschwinden?

Die Banken sind vielerlei Einflussfaktoren ausgesetzt. Die Regulierung kostet, der internationale Wettbewerb kommt in die Schweiz, er reduziert die Margen, gleichzeitig sind enorme Investitionen in die Digitalisierung nötig, die Rahmenbedingungen verändern sich, und die Negativzinsen tragen sicherlich auch nicht zum Gewinn von traditionellen Banken bei.

«Wir müssen nicht überall die Ersten sein»

Vor diesem Hintergrund wird man sehen, wer das schafft und wer nicht.

Vontobel aber schon?

Vontobel ist eher ein «Early Adopter». Wir müssen nicht überall die Ersten sein, aber wir schauen sehr genau, was in der Branche geschieht und angepasst an unsere Strategie und auf unsere Dimensionen entwickeln wir uns weiter.

Was heisst das konkret?

Mit unserer Online-Plattform Deritrade haben wir bewusst beispielsweise in Kauf genommen, unsere eigenen Produkte zu kannibalisieren, was dann letztlich nicht passiert ist.Es entspricht nicht mehr den heutigen Kundenbedürfnissen, nur eigene Finanzprodukte anzubieten.

Darum haben wir unsere Plattform auch anderen Banken geöffnet und bieten so dem Kunden die Gewähr, das beste Produkt zum besten Preis zu erhalten. Das ist der Prozess der Individualisierung respektive der Anspruch, dem zu entsprechen, was effektiv nachgefragt wird.

Vontobel hat in den vergangenen Jahren verschiedene andere Banken übernommen. Ist diese Zeit vorbei, angesichts der grossen Veränderungen in der Branche?

Man muss sich immer überlegen, ob man das Geld für eine Akquisition verwendet oder etwas selber aufbaut. Die Akquisition der Privatbank Notenstein La Roche hat uns substanziell weitergebracht.

«Solche Objekte wie Notenstein La Roche sehen wir derzeit tatsächlich nicht»

Wir haben eine solide Ertragsquelle eröffnet und unsere Präsenz in der Schweiz von fünf Standorten auf 13 erhöht. Wir haben unsere Schweizer Wurzeln vertieft und sind jetzt ein echter Schweizer Wealth Manager.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.56%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.9%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.97%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.02%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.55%
pixel