Es sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass der Abbau von 18’000 Stellen bei der Deutschen Bank eine nachhaltige Trendwende zum Besseren sein wird. All dies hätte bereits vor zehn Jahren geschehen müssen, schreibt Beat Wittmann auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen Autorinnen und Autoren wöchentlich Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


«Rien ne va plus, les jeux sont faits», die EU-Regierungschefs haben die Präsidenten für die EU-Kommission (Ursula von der Leyen), den Rat (Charles Michel), das Parlament (David-María Sassoli), den EU-Aussenministerposten (Josep Borrell) und für die Europäische Zentralbank (Christine Lagarde) nominiert.

Und da die beiden wichtigsten Nominierungen, nämlich die Präsidentschaften der EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) an eine deutsche sowie an eine französische Staatsbürgerin gehen, ist die französisch-deutsche Allianz deutlich gestärkt worden; gleichzeitig wurden dadurch auch die europaskeptischen Kräfte zurückgebunden.

«In der frühen Demokratie in Athen durften nur rund 20 Prozent der Bevölkerung abstimmen»

Wenn es nicht so eine gewichtige Angelegenheit wäre, wäre es geradezu lachhaft, sich mit den selbsternannten Richtern, die im Namen des «Willen des Volkes» auftreten, auseinanderzusetzen, und die dabei dauernd über das Demokratiedefizit in der EU lamentieren.

Doch zuerst wäre einmal die Frage zu klären, wer genau das angesprochene Stimmvolk ist, was bereits eine mehrdimensionale und nicht ganz einfache Angelegenheit ist. In der frühen Demokratie in Athen etwa durften nur rund 20 Prozent der Bevölkerung abstimmen, und dies waren die Männer, die ihren Militärdienst geleistet hatten. In der heutigen Welt wäre es nicht ganz abwegig, das Stimmrecht ab dem 16. Lebensalter zu gewähren, und dies mit dem Argument, dass die Pensionskassen sich bereits seit geraumer Zeit auf Kosten der nächsten Generation finanziell über Wasser halten.

«Die EU ist Kompromiss in Inkarnation»

Und nicht zuletzt gilt es festzuhalten, dass sehr viele höchste und wichtigste staatliche Ämter nicht durch direkte oder mehrheitliche Wahl des jeweiligen Stimmvolkes erfolgen. Man denke in diesem Zusammenhang an die Präsidenten der USA und China, die britische Queen und den britischen Premierminister, die Schweizer Bundesräte, den Papst, die Chefs der Zentralbanken oder an den SACEUR (Supreme Allied Commander Europe) – und diese Liste liesse sich praktisch beliebig verlängern.

Die neuen EU-Chefs werden die europäische Staatengemeinschaft als wichtigen und unabhängigen globalen Machtfaktor etablieren wollen, und dazu werden Vision und Entscheidungskraft aber auch Kompromissbereitschaft notwendig sein. Die britische Premierministerin Theresa May hatte in ihrer Abschiedsrede mehr als recht, als sie sagte, dass Kompromiss in einer Demokratie kein Schimpfwort sei. Die EU ist Kompromiss in Inkarnation, und es werden viele Anstrengungen vonnöten sein, um sich erfolgreich zwischen den beiden zunehmend rivalisierenden Supermächten USA und China behaupten zu können.

«Europa bleibt anfällig auf Handelskriege und Strafzölle»

US-Präsident Donald Trump ist dabei, die transatlantische Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg und die Pax Americana zu begraben, und dies mit allen beabsichtigten und unbeabsichtigten Konsequenzen. Als Resultat verschieben sich die geopolitischen Schwergewichte welche die USA, China, Europa und Russland umfassen, so dass daraus Friktionen und Konflikte entstehen.

Europa ist der Weltmarktführer im Freihandel und das gemeinsame Regelwerk sichert ein hohes Ausmass an Stabilität und Planungssicherheit für alle Marktteilnehmer. Aber dementsprechend bleibt Europa auch besonders anfällig auf Handelskriege und Strafzölle und hat ein dementsprechend starkes Interesse an einer allseits respektierten multilateralen Handelsordnung.

«Es ist nicht realistisch zu erwarten, dass Europa je eine globale politische Durchsetzungskraft erreichen wird»

Und gewisse Themen wie Klimawandel, Umweltschutz oder die Sicherheit und Verteidigung haben eine klar globale Dimension und müssen auch dementsprechend angegangen werden. Gleichzeitig bringen neue, disruptive Technologien strukturelle Veränderungen in die traditionellen Wertschöpfungsketten der meisten Industrien.

Es ist nicht realistisch zu erwarten, dass Europa je eine globale politische Durchsetzungskraft und wirtschaftliche Unabhängigkeit erreichen wird, ohne dass die Gemeinschaftswährung sich zu einer globalen Reservewährung und einem unabhängigen Zahlungssystem entwickelt. Und eine unablässige Bedingung dazu ist ein gesunder und effizient funktionierender Finanzsektor mit voll rehabilitierten und profitablen systemrelevanten Universalbanken im Zentrum – was auch eine Grundvoraussetzung für nachhaltig wachsende Investitionen, Konsum und Beschäftigung wäre.

Seit der Weltfinanzkrise 2008 haben die US-Banken stetig Marktanteile gegen die europäischen Wettbewerber erzielt, und dies wegen einem effizienten Krisenmanagement, der Rehabilitation ihrer Bilanzen und der konsequenten Ausrichtung auf die veränderten Rahmenbedingungen.

«Die europäischen Grossbanken haben Milliarden über Milliarden an Steuergeldern nutzlos verschwendet»

Die europäischen Grossbanken hingegen bleiben auch über zehn Jahre nach der globalen Finanzkrise die grossen Verlierer, und deren Aktien handeln heute nur noch zu einem Bruchteil ihrer damaligen Bewertungen. Und fast endlos haben in den vergangenen Jahren die europäischen Grossbanken Milliarden über Milliarden an Steuergeldern und Aktionärskapital nutzlos verschwendet, ohne je ihre Geschäftsmodelle oder Strategien grundsätzlich zu verändern.

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