Der Hollywood-Film «Wall Street» hat ihn fasziniert. Auch deswegen startete Grégoire Bordier seine Karriere als Investmentbanker in New York. Trotzdem wurde der Genfer wie seine Vorfahren Privatbankier – und zählt zu den letzten Vertretern dieser Gilde. Wie er damit umgeht, erzählt er im Interview mit finews.ch


Herr Bordier, Sie sind in eine Privatbankiers-Familie hineingeboren. War für Sie stets klar, dass Sie dereinst in die Fussstapfen Ihres Vaters treten würden?

Ja, sehr früh sogar, als ich etwa zehn Jahre alt war. Doch im Gegensatz zu meinem Vater machte ich meine Karriere zunächst an der Wall Street in New York bei Donaldson Lufkin & Jenrette (DLJ), einem Institut, das später von der Credit Suisse übernommen wurde.

Ich war Investmentbanker. Damit ging für mich ein Traum in Erfüllung, zumal mich der Film «Wall Street» immer fasziniert hatte. Und wenn man sich als junger Menschen etwas in den Kopf gesetzt hat, bringt man das nicht so schnell wieder raus.

Was hat Sie denn dermassen fasziniert an diesem Metier?

Mich interessierte die Wirtschaft ganz allgemein. Dann kamen die Märkte hinzu und schliesslich die Vermögensverwaltung. Die Finanzwelt ist immer in Bewegung. Sie ist geprägt von grossen Ereignissen, wie wir das auch jetzt wieder erleben, und das Geschehen zwingt einen, ständig darüber nachzudenken, wie die Welt von morgen sein wird, um sich richtig zu positionieren. Kein Tag ist wie der andere. Umso wichtiger ist die Strategie. Das ist bei Bordier nicht anders.

Kleine Privatbanken sind Auslaufmodelle.

Ganz und gar nicht. Vielmehr kommt es darauf an, wie Sie sich positionieren. Lassen Sie mich etwas ausholen. In der Vermögensverwaltung gibt es drei Bereiche: Das Geschäft mit wohlhabenden Privatpersonen, das institutionelle Geschäft mit Pensionskassen und anderen Grosskunden und schliesslich das Asset Management, also die Entwicklung und der Verkauf von Finanzprodukten.

«Wir haften mit unserem gesamten privaten Vermögen für die Verbindlichkeiten der Bank»

Die meisten Institute sind in allen drei Kategorien tätig. Bordier ist ausschliesslich in der erstgenannten Disziplin tätig – betreut Privatpersonen. Wir sind folglich sehr fokussiert und haften als Privatbankiers in Form einer Kommanditgesellschaft mit unserem gesamten privaten Vermögen für die Verbindlichkeiten der Bank.

Genau das ist der Knackpunkt. Institute wie Pictet, Lombard Odier oder Mirabaud haben sich in Aktiengesellschaften umgewandelt und tragen damit ein geringeres Risiko.

Das ist richtig. Bloss schwinden damit zum Teil die übereinstimmenden Interessen zwischen den Bankiers und ihren Kunden. Bei uns weiss der Kunde, dass ich genauso investiert bin wie er.

Mit anderen Worten, ich werde vorsichtiger und konservativer agieren als andere Bankiers, bei denen die Kongruenz der Interessen geringer ist. Sobald Sie nicht mehr mit Ihrem gesamten Privatvermögen haften, verändert sich Ihre Einstellung zum Risiko.

Können Sie das genauer beschreiben?

Sie gehen über die Zeit höhere Risiken ein – etwa bei der Vergabe von Lombardkrediten. Das ist ein guter Indikator. Als voll haftender Privatbankier werden Sie sich zweimal überlegen, wieviel Kredit Sie wem gewähren.

Stand bei Bordier eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft nie zur Debatte?

Natürlich haben wir das auch geprüft. Aber bloss einer Entwicklung zu folgen, weil es andere tun, ist keine Option. Wir haben uns klar für das Modell der Kommanditgesellschaft, also der klassischen Privatbank, entschieden – weil es für uns stimmig ist, selbst wenn wir damit vielleicht etwas weniger Wachstum erzielen.

«Es gibt keine kritische Grösse»

Immerhin können wir uns so von einem Grossteil der Konkurrenz differenzieren. Uns entspricht diese Struktur. Was die nächste Generation entscheiden wird, bleibt abzuwarten.

Laufen Sie mit dieser Denkweise nicht Gefahr, unter die kritische Grösse zu fallen?

Es gibt keine kritische Grösse. Die Grösse einer Bank ist stets die Reflektion der gewählten Strategie. Ein Institut, das beispielsweise nur Schweizer Kunden aus bestimmten Regionen betreut, kann sehr klein sein und erfolgreich ein paar Milliarden Franken an Kundengeldern verwalten.

Und Bordier?

Wie gesagt wir sind ausschliesslich im Private Banking tätig, haben uns aber vor zwanzig Jahren gesagt, dass wir auch eine internationale Strategie verfolgen möchten. Per Ende 2019 verwalteten wir mit unseren insgesamt 250 Mitarbeitenden 13,7 Milliarden Franken an Kundengeldern. Wir zählen damit zu den 20 grössten Privatbanken in der Schweiz.

«Ja, Singapur ist weit entfernt und voller Chinesen… das sind alles Klischees»

Darüber hinaus weisen wir seit vielen Jahren eine überdurchschnittlich hohe Kernkapitalquote (Common Equity Tier 1 Capital, CET 1) von 29,5 Prozent aus – eine der wichtigsten Kennzahlen für die Finanzkraft einer Bank. Und unser Kosten-/Ertrags-Vehältnis beträgt 69,7 Prozent.

Bordier ist auch in Singapur präsent – ein hartes Pflaster, wo einige Privatbanken gescheitert sind…

Ja, Singapur ist weit entfernt und voller Chinesen… das sind alles Klischees. Singapur verfügt über aussergewöhnlich viele vermögende Personen, die entweder in der Stadt leben oder hier ihre Bankbeziehungen haben. Es ist ein Finanzplatz mit enormen Wachstumschancen…

…und enorm hohen Kosten.

Das hängt immer von den Ambitionen ab, die man hat. Privatbanken, die nach Singapur kommen und sich zum Ziel setzen, 15 Milliarden Franken oder mehr an Kundengeldern zu verwalten, brauchen eine ganz andere Struktur als etwa Bordier. Wir peilen rund 2 Milliarden Franken an und sind jetzt bei 1,3 Milliarden Franken.

Wir sind gut unterwegs, verdienen Geld und profitieren davon, dass unsere Expertise als Schweizer Privatbankiers sehr gefragt ist. Zugegeben, es ist eine Wette, aber eine nicht sonderlich komplexe.

Warum?

Wir hatten schon vorher eine Offshore-Bank auf den Turks- und Caicosinseln in der Karibik. Vor dem Hintergrund, dass dieses Geschäft künftig an Attraktivität verlieren würde, beschlossen wir, einen Teil der Klientel nach Singapur zu verschieben. Damit hatten wir in Asien einen Grundstock, was uns erleichtert hat, das Geschäft in Singapur aufzubauen.

«Es gibt eine riesige Nachfrage nach (Schweizer) Banken von unserer Grösse»

Wir stehen nicht unter Druck, auf Teufel komm raus zu wachsen. Wir entwickeln uns in kleinen Schritten und sind profitabel. Wir könnten uns auch jederzeit aus diesem Markt wieder zurückziehen.

Was stimmt Sie so zuversichtlich?

Es gibt eine riesige Nachfrage nach (Schweizer) Banken von unserer Grösse. Wir bringen diese Expertise mit, die regionale Finanzhäuser im Private Banking nicht haben. Wir könnten auch gut mit einem solchen Institut fusionieren. Doch wir verdienen Geld in Singapur.

Wie laufen die Geschäfte in der Schweiz?

Wenn unsere Klientel ausschliesslich aus Schweizer Kundschaft bestünde, dann wäre es sicherlich schwieriger. Sie macht etwa ein Drittel aus. Es gibt noch einen gewissen Handlungsspielraum was Vorsorge-Produkte anbelangt. Aber insgesamt wachsen wir im Rahmen des Bruttoinlandprodukts, käme uns da nicht der Umstand zugute, dass die Schweiz nach wie vor eines der weltweit führenden Offshore-Zentren ist.

Wir betreuen entsprechend sehr viele ausländische Kunden. Damit erzielen wir ein wesentlich höheres Wachstum, was unter anderem auch in den vergangenen drei Jahren in den stark gestiegenen Netto-Neugeld-Beständen gezeigt hat.

Das wird sich nun aufgrund der jüngsten Krise jedoch ändern

Natürlich. Man kann nicht ständig Rückenwind haben.

Stand eine Expansion in die Deutschschweiz nie zur Debatte?

Unser Einzugsgebiet in der Deutschschweiz endet grosso modo im Einzugsgebiet von Bern. Uns fehlen schlicht die Kontakte und Beziehungen, um etwa in Zürich neue Kunden zu gewinnen. Warum sollte jemand in Zürich ausgerechnet bei Bordier ein Konto eröffnen? Niemand hat dort auf uns gewartet. Da gibt es genügend andere, alteingesessene Anbieter.

«Genfer Privatbanken haben in der Deutschschweiz generell ein Wachstumsproblem»

Lausanne und Fribourg ja, aber St. Gallen käme für uns nie in Frage. Was wollen wir dort? Genfer Privatbanken haben in der Deutschschweiz generell ein Wachstumsproblem. Die Grenze liegt irgendwo in der Region Bern.

Und im Ausland?

Momentan eröffnen wir keine neuen Niederlassungen. Wir haben, was wir wollen. Wir bedienen Europa über verschiedene Büros, Südamerika via Montevideo und Asien mit unserer Tochtergesellschaft in Singapur. Jede weitere Expansion würde unsere Ressourcen stark beanspruchen, was nicht unser Ziel ist.

Ein Ausbau liesse sich auch über eine Akquisition bewerkstelligen.

Wir sind diesbezüglich immer offen, aber für uns käme natürlich nur eine kleinere Akquisition in Frage, die sich leicht integrieren liesse. Ich denke folglich an Teams, unabhängige Vermögensverwalter oder Family Offices. Alles ist immer auch eine Frage der Persönlichkeiten, und ob die Kultur zu unserem Haus passt.

Privatbanken haben in der Regel ältere Kunden. Wie überzeugen Sie jüngere Leute, zu einer 176 Jahre alten Bank zu kommen?

Das hängt letztlich vom Engagement jedes einzelnen Kundenberaters ab. Im Gegensatz zu anderen Banken gewähren wir unseren Kundenberatern nach wie vor eine sehr hohe Freiheit. Sie sind die Bezugspersonen zu den Kunden.

«Ich habe auch eine Revolut-Kreditkarte»

Ein Grossteil der Klientel hat auch mehrere Kontoverbindungen, zumeist mit einer grösseren Bank – und mit uns, was dann das Besondere ist.

Bleiben wir bei der jüngeren Klientel. Wie digital ist Ihre Bank bereits?

Mit «Bordier FinLab» haben wir ein digitales Tool, das wir unserer Kundschaft anbieten, um beispielsweise neue Investmentideen zu generieren. Natürlich verfolgen wir die Entwicklung sehr genau. Unser Chief Operating Officer, der früher unser IT-Chef war, ist dafür verantwortlich.

Wir wollen nicht «uberisiert» werden wie die Taxibranche. Insofern haben wir bisher viele Entwicklungen antizipieren und integrieren können. Das nächste grosse Thema werden Kryptowährungen sein.

Wie gehen Sie damit um?

Bis jetzt ist die Nachfrage nach Kryptowährungen bei uns wenig spürbar. Wir haben nicht den Eindruck, dass die Kunden grossmehrheitlich danach fragen. Höchstens vereinzelt. Grund dafür ist die Tatsache, dass diese Vermögenswerte sehr volatil sind und sie noch nicht genügend handelbar sind. Aber das kann sich von heute auf morgen ändern, etwa mit Stablecoins, die einen unterliegenden Wert haben.

Interessant ist auch die Entwicklung rund um Neobanken wie Revolut. Ich habe auch eine Revolut-Kreditkarte. Und schliesslich wird die Blockchain unsere Branche ebenfalls radikal verändern. Das alles müssen wir im Auge behalten.


Der 53-jährige Grégoire Bordier ist ein Vertreter der fünften Generation der 1844 gegründeten Genfer Privatbank Bordier & Cie. Er ist einer von insgesamt drei vollumfänglich haftenden Teilhabern des Instituts. Bevor er im Jahr 1997 zur familieneigenen Bank stiess, arbeitete er als Investmentbanker im Bereich Mergers & Acquisitions (M&A) bei der Credit Suisse First Boston (CSFB) in New York und London. Seine Berufskarriere startete er 1988 an der Wall Street bei Donaldson, Lufkin & Jenrette (DLJ), einem traditionsreichen US-Institut, das im Jahr 2000 von der CS übernommen wurde. Grégoire Bordier studierte Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt «Finance» an der Universität Genf und absolvierte ein MBA an der Amos Tuck School of Business Administration in den USA. Er präsidiert die Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers und ist darüber hinaus Vizepräsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken.

 

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