Die kolportierten Querelen zwischen Credit-Suisse Präsident António Horta-Osório und Konzernchef Thomas Gottstein sind haltlos. Gerade weil die beiden Banker auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind.

Credit-Suisse-Chef Thomas Gottstein wäre bereit gewesen, die Verantwortung für das Debakel rund um die Greensill-Fonds zu übernehmen und sein Amt zur Disposition zu stellen; dies, nachdem der Fall im Frühjahr 2021 publik geworden war. Doch der Verwaltungsrat, damals noch unter der Leitung von Urs Rohner, lehnte diese Offerte entschieden ab, wie Recherchen von finews.ch zeigen.

Ende April 2021 übernahm dann António Horta-Osório das Präsidium der Credit Suisse (CS). Unter den anhaltend schwierigen und überaus komplexen Umständen, lag es auch dem frischgebackenen Chairman fern, sich von Gottstein zu trennen.

Vor diesem Hintergrund greifen die kürzlichen Spekulationen, wonach Gottsteins Position als CEO geschwächt sei, zu kurz. Vielmehr sind beide Manager aufeinander angewiesen. Horta-Osório, weil er einen Mann wie Gottstein braucht, der sowohl mit den internen Verhältnissen bestens vertraut ist als auch die Sparten Wealth Management und Investmentbanking aus dem Effeff kennt und versteht.

Erheblich entscheidungsfreudiger

Denn trotz seines eindrücklichen Palmarés hat er nie so ausgeprägt in diesen beiden Geschäftsfeldern (Wealth Management und Investmentbanking) gearbeitet; er war vielmehr im Firmenkundengeschäft, an den Kapitalmärkten sowie im Retailbanking tätig. Insofern ergänzen sich die beiden Banker in ihrem fachlichen Know-how; darüber hinaus ist Gottstein aber auch der Typ, der seinem portugiesischen Vorgesetzten die Schweizer Mentalität etwas näherbringen und ihm so auch zu verstehen geben kann, dass ein Ritterorden hierzulande wenig Eindruck macht.

Umgekehrt braucht Gottstein Horta-Osório, weil dieser erheblich entscheidungsfreudiger ist als sein Vorgänger Urs Rohner. Und einzig mit ebendieser Entschlossenheit wird es möglich sein, die Credit Suisse – nicht radikal – aber doch zumindest spürbar zu reorganisieren, wie aus internen Kreisen weiter hervorgeht.

Schluss mit der Regionalisierung

Ähnlich wie die UBS wird Horta-Osório den künftigen Fokus verstärkt aufs Wealth Management legen, während die Investmentbank nicht schrumpfen oder gar abgespaltet wird, sondern einfach nicht mehr stark wachsen dürfte. Ausserdem soll die CS wieder verstärkt aus einer globalen Perspektive heraus funktionieren, nachdem sie unter der Ägide von Gottsteins Vorgänger Tidjane Thiam sehr stark regionalisiert worden war; bestes Beispiel dafür ist die Marktregion Asien, die innerhalb der CS als eigenständige Organisation unter der Leitung von Helman Sitohang funktioniert. Vor Ort mag das Sinn machen, aus globaler Optik weniger, weil dadurch unnötige Kosten und Doppelspurigkeiten anfallen. Ausserdem wollen vermögende, global ausgerichtete Kundinnen und Kunden nicht in jeder Region einen anderen Ansprechpartner haben.

Um genau diese Fokussierung zu bewerkstelligen, ist Horta-Osório auf einen CEO angewiesen, der in beiden Sparten gearbeitet hat. Denn nur so wird es möglich sein, beim Investmentbanking nicht unnötig abzubauen und gleichzeitig das Wealth Management zielstrebig zu forcieren. Klar ist auch, dass bei diesem Revirement einige Mitglieder der Konzernleitung ihre bisherige Funktion verlieren werden. Hier die richtigen Personalentscheide zu treffen, wird erneut eine Aufgabe des kenntnisreichen Gottsteins und des zupackenden Horta-Osórios sein.

Vorstufe für den grossen Wurf

Insgesamt sind die Veränderungen innerhalb der CS die Vorstufe für den ganz grossen Wurf, den Horta-Osório offenbar schon im Hinterkopf hat: eine Fusion entweder mit der Deutschen Bank oder mit der italienischen Unicredit. Nur so wird er im internationalen Kontext die CS vor dem Abdriften in die Mittelmässigkeit bewahren können. Für beide Varianten gibt es Argumente. Beide Varianten zielen ebenfalls darauf ab, im ewigen Kräftemessen mit der UBS wieder einmal obenauf zu schwimmen und Verhältnisse zu schaffen, welche die UBS nicht so schnell wieder übertreffen kann.

Ähnlich war es 1998 mit der UBS, die aus dem Zusammenschluss der Schweizerischen Bankgesellschaft und dem Schweizerischen Bankverein entstand und so der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA, heute Credit Suisse) enteilte und auf Jahre hinaus diese Grössenverhältnisse zementierte. Wie aus Finanzkreisen hervorgeht, hat vor etwa zwei Jahren auch die UBS mit der Deutschen Bank über eine Fusion verhandelt, wobei sich am Ende der UBS-Verwaltungsrat gegen einen solchen Schulterschluss sperrte; wohl aus Risikoscheu, weil die damals taumelnde Deutsche Bank noch mit einigen «Überraschungen» aufwarten könnte.

In zwei bis drei Jahren könnte dies anders aussehen; sofern die CS bis dann das Vertrauen wieder hergestellt hat und erfolgreich arbeitet; bis dann dürfte auch die geschäftliche Visibilität der Deutschen Bank wieder besser sein.

Man kennt sich

Wenn Horta-Osório als der grosse Umgestalter und Erneuerer der CS in die Geschichte gehen will, stehen ihm kaum viel andere Optionen zur Auswahl. Die Frage ist eher, welchen Partner er sich anlacht. Und das könnte auch der italienische Bankkonzern Unicredit sein, der seit Kurzem unter der operativen Leitung Andrea Orcel steht; früher Chef im Investmentbanking der UBS und Aspirant auf Sergio Ermottis Nachfolge an der Konzernspitze. Weil ihm das verwehrt blieb und sein Ego bis heute etwas darunter leidet, käme es ihm nicht ungelegen, im Verbund mit der CS seiner früheren Arbeitgeberin UBS einen Denkzettel zu verpassen.

Horta-Osório und Orcel kennen sich aus gemeinsamen Londoner Zeiten bestens.

Tatsächlich würden sich die Unicredit mit ihrem starken Firmenkundengeschäft, ihrer grossen Präsenz in Osteuropa sowie die CS mit ihrer soliden Basis in der Schweiz sowie in Asien und in den USA gut ergänzen. Dass die Gattinnen Horta-Osórios und Orcels sogar beste Freundinnen sind, ist sicherlich auch kein Nachteil für einen allfälligen Schulterschluss.

Spannung bis Anfang November

Vorerst aber muss die CS ihre eigene Strategie präsentieren. Horta-Osório hat diese in verschiedenen Interviews und Statements bis Ende Jahr in Aussicht gestellt. Konkret wird es Anfang November anlässlich der Präsentation der Zahlen zum dritten Quartal 2021 sein, wie es die Spatzen von den Bäumen im Zürcher Bankenviertel pfeifen. Auch damit kann Horta-Osório demonstrieren, dass er kein Zauderer ist, sondern entschieden Zeichen setzen will.

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