Die Credit Suisse muss über das Fehlverhalten ihres Präsidenten António Horta-Osório befinden. Die Reglemente der Grossbank beschreiben den Prozess. Dabei kommt neben einer Hauptperson auch ein überraschender «Zaungast» zum Vorschein.

Die Grossbank Credit Suisse (CS) ist unter Beschuss geraten, weil sich ihr Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório nicht an die geltenden Coronavirus-Vorschriften hielt und stattdessen auf Reisen ging, wie auch finews.ch berichtete

Was nach kleinen Vergehen aussieht, ist für die CS längst zu einer delikaten Angelegenheit geworden, die grosse Auswirkungen hat. Wie finews.ch zuerst berichtete, werden die Vorgänge firmenintern untersucht, so dass der Konzern – je nach Schwere der Vergehen – auch adäquate Massnahmen daraus ableiten kann. Doch was ist für die CS zum Fehlverhalten ihres Verwaltungsratspräsidenten massgebend? 

Zuständigkeit klar geregelt

Zunächst verrät ein Blick in die Statuten, wer für eine solche Sache zuständig ist: «Der Verwaltungsrat entscheidet über alle Angelegenheiten, die nicht durch Gesetz, Statuten oder Reglemente einem anderen Organ der Gesellschaft vorbehalten oder übertragen sind», heisst es da lapidar.

Da das Missachten von Gesetzen oder Verordnungen eines Landes durch den CS-Verwaltungsratspräsidenten kein Kavaliersdelikt ist, dürfte die Angelegenheit daher im sogenannten Governance and Nominations Committee (GNC) eine Rolle spielen, weil das Gremium dem 14-köpfigen Verwaltungsrat und insbesondere dem Verwaltungsratspräsidenten auf die Finger schaut.

Jahresbeurteilung für VRP

«Das GNC thematisiert die Gruppe betreffende Corporate Governance-Angelegenheiten», heisst es im separaten Reglement zu Vorfällen der ordnungsgemässen Unternehmensführung. Zudem leitet das Gremium die mindestens einmal jährlich durch den Verwaltungsrat vorgenommene Leistungsbeurteilung des Verwaltungsratspräsidenten, des Chief Executive Officer sowie der Mitglieder des Executive Board.

Da die Vorfälle mit der Quarantäne bereits im Jahr 2021 stattgefunden haben, betrifft dies die Leistungsbeurteilung von Horta-Osório generell. Der Verwaltungsratspräsident nimmt laut den Regeln an der Diskussion über seine eigene Leistung nicht teil. 

Zur Beurteilung der Leistung des VR-Präsidenten übernimmt ein anderes Mitglied des GNC die Gesprächsleitung. Das Gremium ist laut dem Dokument ermächtigt, bei allen Mitarbeitenden der Gruppe die erforderlichen Informationen einzuholen sowie, ohne Genehmigung durch den VR, auf Kosten der Gruppe jegliche externe Beratungsdienste und Unterstützung durch Anwälte oder Berater in Anspruch zu nehmen, wird klar angegeben.

Roche-CEO zieht alle Fäden

Wer aus dem 14-köpfigen Verwaltungsrat der CS sitzt in diesem Gremium? Im GNC sind neben Horta-Osório noch fünf weitere Mitglieder des Verwaltungsrates vertreten.

Es sind Christian Gellerstad, Axel Lehmann, Richard Meddings, Kai Nargolwala und Severin Schwan. Letzterer dürfte eine entscheidende Rolle spielen, denn er kann laut den Regelungen als Lead Independent Direktor auch VR-Sitzungen ohne Anwesenheit des Präsidenten einberufen – etwa im Fall von Interessenkonflikten des VR-Präsidenten.

«Der VR-Präsident kann aus den VR-Mitgliedern einen Lead Independent Director zur Ernennung vorschlagen. Gilt der VR-Präsident als nicht unabhängig, muss der VR einen Lead Independent Director ernennen. Dieser kann insbesondere im Falle von Interessenkonflikten des VR-Präsidenten VR-Sitzungen ohne Anwesenheit des Präsidenten einberufen und leiten.» Der Roche-CEO Schwan ist also hierbei direkt gefordert. Der CS-Präsident ist bei alldem aussen vor.

Lachender Dritte

Und wenn es dann zu einem Entscheid über die Folgen für den CS-Verwaltungsratspräsidenten kommt, gilt laut dem Statut: «Der Verwaltungsrat fasst seine Beschlüsse mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit hat der Vorsitzende den Stichentscheid.»

Zur Beschlussfähigkeit des Verwaltungsrates ist die Anwesenheit der Mehrheit der 14 Mitglieder erforderlich – Horta-Osório dürfte aber als Betroffener an dem Entscheid weder anwesend, noch beteiligt sein.

Das ganze Prozedere dürfte vor allem eine Person erfreuen: CS-Konzernchef Thomas Gottstein. Er ist als «Zaungast» über alles bestens informiert: «Der CEO nimmt üblicherweise an den Sitzungen teil», heisst es im Reglement des GNC wörtlich und somit weiss der CEO mehr als der Verwaltungsratspräsident in der jüngsten Krise der CS-Gruppe.


 Mitarbeit: Andrew Isbester

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