Warum es Vermögensverwaltern bei der Zusammenstellung von Portfolios gleichgültig sein sollte, ob ein Unternehmen öffentlich oder privat ist, erklärt Peter Harrison, der CEO von Schroders, gegenüber finews.ch.

Vermögensverwalter arbeiten zunehmend mit Unternehmen zusammen um herauszufinden, «was die Alternative zu Beton und Glas ist», sagt Peter Harrison. Für den CEO von Schroders geht mit dieser zunehmenden Komplexität der Investmentansatz über den «Kauf enger Aktienpakete» hinaus.

Diese Aussage leuchtet ein, wenn man bedenkt, wie viel Kapital in den nächsten 20 bis 30 Jahren beispielsweise in die Lebensmittel- oder Energiebranche fliessen muss, «Deshalb können wir nicht einfach den Index kaufen und die Augen verschließen», zeigte sich Harrison in einem Interview mit finews.ch überzeugt.

Die Mischung macht's

Schroders verwaltet weltweit über 900 Milliarden Dollar für institutionelle und private Kunden- von Privatvermögen über alternative Anlagen bis hin zu Investmentfonds. Vor diesem Hintergrund sieht Harrison bereits eine «Vermischung» der öffentlichen und privaten Märkte. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Grösse der öffentlichen Märkte im Laufe der Jahre schrumpft und viele private Unternehmen sich dafür entscheiden, länger privat zu bleiben.

«Unsere Rolle als aktiver Manager besteht darin, die besten Unternehmen in diesen neuen Industrien zu finden und Kapital dorthin zu leiten, unabhängig davon, in welchem Bereich des Marktes sie sich befinden». Und Harrison fügte hinzu: «Ich glaube nicht, dass die Leute die Alpha-Chance dieser Kombination wirklich zu schätzen wissen.»

Neue Anlagethemen

Die jüngsten Marktentwicklungen zeigen laut Harrison, dass «die Gesetze der Aktienbewertung» am Werk sind. So hätten sich Investoren aus einigen der teuersten Aktien zurückgezogen - angeheizt durch Gelder aus passiven Fonds.

Ein Portfolio aus 60 Prozent Anleihen und 40 Prozent Aktien war in den letzten 20 bis 30 Jahren ein perfekt ausgewogener und einfacher Ansatz für langfristige Investitionen. In einem Szenario von miteinander korrelierenden Anleihen- und Aktienmärkten dürfte dieser Ansatz wahrscheinlich nicht mehr ausreichen, erklärte Harisson. «Um herauszufinden, was in diesem neuen Umfeld funktionieren wird, kann man sich nicht auf die Analyse von historischen Unternehmensbewertungen stützen». 

Hingegen werden gemäss Harrison externe Effekte für die Analyse von Investitionen immer wichtiger. Ins Zentrum gerückt sei nun Impact Investing. Damit würden Gelegenheiten zur Differenzierung von Investitionen geschaffen, die es in der Vergangenheit nicht gab.

Dennoch bleibt es für viele Vermögensverwalter eine Herausforderung, den Impact eines Portfolios aufzuzeigen, unterstreicht Harrison. Gegenwärtig stünden nur sehr wenige öffentlich zugängliche und vergleichbare Umwelt-, Sozial- und Governance-Daten (ESG) zur Verfügung. Deshalb müsse viel mehr Wert auf angemessene Daten gelegt werden. Zugleich sollten Unternehmen verpflichtet werden, nicht-finanzielle sowie unstrukturierte Daten offenzulegen.

Prägende Wendepunkte

Um den Wünschen von Kunden nachzukommen, die mit ihren Anlagen sowohl einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Umwelt als auch positive Renditen erwirtschaften wollen, hat Schroders 2019 eine Mehrheitsbeteiligung an dem in Zürich ansässigen Mikrofinanz- und Impact-Investing-Pionier BlueOrchard erworben. Das Unternehmen war im 2001 von der UNO gegründet worden.

Der Rückgriff auf BlueOrchard ermöglicht es Schroders, Themen wie Integration, Frauenföderung in Asien oder Versicherungen in Afrika einzubeziehen und den Kunden Produkte mit klarer Zielsetzung anzubieten. Sie zeigt zudem, wie «Blended Finance» funktioniert, indem privates Kapital zusammen mit öffentlichen Geldern in nachhaltige Entwicklungsprojekte eingebracht wird. Für Harrison stellt dies einen prägenden Wendepunkte dar. Denn es seien staatliche Investoren, die unter dieser Wirtschaftsstruktur die ersten finanziellen Verluste hinnehmen.

In die Natur investieren

Harrison geht davon aus, dass sich der Schwerpunkt von Impact Investing in Zukunft auf Projekte zur Wiederherstellung der Natur ausweiten wird. Als Beispiel nannte er «Carbon Farming», das aus der regenerativen Landwirtschaft stammt und darauf abzielt, die Art und Weise zu verbessern, wie CO2 der Atmosphäre entzogen und in Pflanzenmaterial gespeichert wird.

Die Wiederaufforstung von Bäumen im Amazonas-Regenwald könnte im Urteil von Harrison als Grundlage für ein solches biodiverses Kohlenstoffvermögen dienen. Wenn dort die Kosten für die Anpflanzung das 20-fache betragen und die Kohlenstoffgutschrift zum 100-fachen verkauft werden könnten, sei das ein tragfähiges Geschäft.

«Als Industrie müssen wir uns darüber klar werden, was das bedeutet», so Harrison. Dies betreffe sowohl die Schaffung von Projekten als auch die Möglichkeit, in naturbasierte anstatt nur in finanzbasierte Projekte zu investieren.

Verzicht auf russische Kunden

Schroders ist seit 1967 in der Schweiz vertreten und verwaltet mit seinen 500 Mitarbeitern in Zürich und Genf fast 100 Milliarden Schweizer Franken in den Bereichen Asset Management, Wealth Management und Private Assets, welche die Bank institutionellen und privaten Kunden anbietet.

Seit 2018, als die Schroder & Co Bank ihre Osteuropa-Aktivitäten einstellte, zählte sie keine Russen mehr zu den Privatkunden ihrer Privatbank. «Der Schritt fühlte sich damals wie eine gute Entscheidung, jetzt fühlt er sich wie eine noch bessere Entscheidung an.» Die Gründe hätten mit der Infrastruktur und den Kosten für die Geschäftstätigkeit in diesen Ländern zu tun gehabt, versichert Harrison. Sie seien nicht mit einem Urteil über die Kunden verbunden gewesen.

«Für mich hat es sich einfach nicht gelohnt, dieses Risiko einzugehen. In der Welt wird genug Vermögen geschaffen, ohne dass man sich zu weit strecken muss», erklärte der CEO.

Die globale Mobilität des Geldes stehe zwar im Widerspruch zum eindeutigen Trend einer Deglobalisierung, der in den letzten sechs oder sieben Jahren zu beobachten war. Doch die Finanzdienstleistungsbranche sei in der glücklichen Lage, sowohl Fondsstrukturen als auch Talente dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden. «Und die Technologie ermöglicht es uns, ziemlich global zu bleiben», ergänzte er.

Schweizer Finanzplatz mit Schutzwall

Die Herausforderungen in den weltweiten Lieferketten, die Sicherheitsprobleme und der Krieg in der Ukraine haben die Kosten für das Geschäft von Schroders erhöht, das an 37 Standorten in der ganzen Welt betrieben wird.

Aus seiner Sicht hat die internationale Wahrnehmung der Schweiz seit der Anpassung ihrer neutralen Haltung und der Verabschiedung der EU-Sanktionen gegen Russland nicht gelitten. Zwar gewännen andere Finanzzentren wie Hongkong, Singapur und Dubai an Boden. Der Schroders-Chef weist aber darauf hin, dass das Schweizer Finanzwesen einem funktionierenden Ökosystem mit dicken Mauern gleiche - ähnlich wie der Finanzplatz im Vereinigten Königreich, wo sich die Auswirkungen des Brexit auf das britische Geschäft von Schroders in Grenzen hielten.

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