Wo feiern die Schweizer Private Banker den 1. August?

Die Welt ist im Umbruch – die Schweiz kann sich dem nicht entziehen. Selbst die Schweizer Private Banker scheinen dies zu erkennen und schrecken dabei nicht einmal vor Tabubrüchen zurück, wie finews.ch-Gründer Claude Baumann in seinem Beitrag zum Schweizer Nationalfeiertag festhält.

Ausserhalb von Genf stiess die kürzliche Nachricht auf wenig Beachtung – zu Unrecht. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem die renommierte Genfer Privatbank Pictet ihr 220-jähriges Bestehen feiert, haben zwei frühere Teilhaber ihren Wohnsitz nach Italien verlegt, wie die Westschweizer Zeitung «Tribune de Genève» berichtete.

Demnach haben zunächst Renaud de Planta und kürzlich auch Bertrand Demole der Schweiz den Rücken gekehrt und sich in Italien niedergelassen – in ein Land, das seit 2017 mit einem attraktiven Steuermodell aufwartet: Zuzüger können eine pauschale Jahressteuer von 200'000 Euro auf alle Auslandseinkünfte entrichten.

Kein Dementi – aber offene Fragen

Weder von den betroffenen Bankiers noch von der Bank selbst gab es ein offizielles Dementi. Natürlich steht es jedem frei, dort zu leben, wo es ihm beliebt. Und ja: Steuerliche Überlegungen dürfen dabei eine Rolle spielen – auch innerhalb der Schweiz lässt sich die Steuerlast legal optimieren.

Und doch sorgt das Verhalten dieser beiden prominenten (ehemaligen) Private Banker für Stirnrunzeln. Gerade ihre Gilde beruft sich gerne auf die hohen Werte unseres Landes und profitiert in ihrem Geschäft – der Verwaltung von Millionen- und Milliardenvermögen – in erheblichem Mass von der stabilen politischen Lage, der hohen Lebensqualität und den vorteilhaften Rahmenbedingungen in der Schweiz. Dieses Umfeld bildet einen zentralen Pfeiler ihres Geschäftsmodells.

Vorbildfunktion – theoretisch

Private Banker gelten somit auch als Vorbilder – für das Inland, für eine internationale Klientel sowie als Gegenbild zu jenen Grossbanken-Managern, bei denen allzu oft der Bonus im Zentrum steht. Doch mittlerweile scheint auch manchen Private Banker das eigene Portemonnaie am nächsten zu liegen.

In Kreisen der Genfer Finanzwelt ist man darüber alles andere als erfreut. «Als Leitfiguren der Branche haben sie ein Tabu gebrochen», heisst es da. Diese Kritik kommt nicht von ungefähr: Renaud de Planta hat über ein Vierteljahrhundert in leitenden operativen Funktionen bei Pictet gewirkt – zuletzt als «Primus inter pares» des Teilhabergremiums.

Immer noch einflussreich

De Planta ist weiterhin in diversen Aufsichtsgremien der Pictet-Gruppe aktiv und sitzt zudem im Bankrat der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» ernannte ihn sowohl 2019 als auch 2022 zum «wichtigsten Banker der Schweiz».

Auch Bertrand Demole ist ein Schwergewicht in der Pictet-Dynastie. Er stammt direkt aus einer der Gründerfamilien, die das Haus über Generationen geprägt haben. Sein Onkel ist Jacques de Saussure, ein früherer geschäftsführender Teilhaber, und sein Vater, Claude Demole, war ebenfalls Teilhaber der Bank.

Ein Leben für Pictet – jetzt aus Italien

Wie Demole bei seinem Rücktritt 2023 erzählte, absolvierte er bereits mit 13 Jahren sein erstes Praktikum bei Pictet. Mehr als 22 Jahre lang war er insgeamt für die Bank tätig. Auch er ist weiterhin in beratenden und überwachenden Funktionen präsent. «Ich werde nie aufhören, Botschafter für Pictet zu sein», sagte er bei seiner Demission – diese Rolle kann er nun, im wahrsten Sinne des Wortes, vom Belpaese aus wahrnehmen.

Der Wegzug dieser beiden Koryphäen wirft indes auch ein Schlaglicht auf die Schweiz selbst – und auf jene Standortfaktoren, die offensichtlich an Attraktivität eingebüsst haben. Nur so lässt sich erklären, warum Abwanderungsgedanken überhaupt erst aufkommen.

Ein verändertes Umfeld

In den vergangenen fünf bis zehn Jahren hat sich das politische, steuerliche und regulatorische Umfeld in der Schweiz für viele Unternehmerinnen und Unternehmer deutlich verschlechtert. Gleichzeitig haben andere Wirtschafts- und Finanzzentren – etwa Mailand, Dubai oder Singapur – ihre Rahmenbedingungen gezielt verbessert. Hinzu kommt die globale Mobilität: Wer kann, stimmt heute «mit den Füssen» ab.

Sollten dann noch Unternehmervermögen oder grössere Erbschaften und Schenkungen massiv besteuert werden – wie es etwa die Jungsozialisten (Juso) mit ihrer «Initiative für die Zukunft» fordern –, darf man sich über eine anhaltende Abwanderungswelle nicht wundern.

Der Exodus hat begonnen

Tatsächlich haben mehrere Privatbe Banker gegenüber finews.ch angekündigt, bei einer Annahme dieser Vorlage im kommenden November ihren Wohnsitz ins Ausland zu verlegen. Angesichts solcher Entwicklungen überrascht es wenig, dass die traditionell Schweiz-kritische «Financial Times» bereits titelt: «Swiss fear UK-like exodus of super-rich over tax poll».

All das sollte am 1. August – dem Nationalfeiertag der Schweiz – auch bedacht werden..