Unter dem neuen Premierminister Boris Johnson steuert Grossbritannien ungebremst auf einen Brexit ohne Abkommen zu. Müssen sich die Schweizer Banken nun deswegen Sorgen machen?

Nach dem epischen Gezerre im britischen Parlament um den Brexit-Vertrag hat der Wechsel von Theresa May zu Boris Johnson einigermassen Klarheit geschaffen: Falls diejenigen Kräfte, die sich gegen den Austritt wehren, nicht rechtzeitig die Regierung stürzen können, wird das Königreich Ende Oktober aus der EU ausscheiden.

Deswegen sind die Schlagzeilen allerdings nicht kleiner geworden. Denn die britischen Wirtschaftsvertreter und ihre Partner auf dem Kontinent warnen eindringlich vor dem Austritt ohne einen detaillierten Vertrag. Die Ökonomen pflichten den warnenden Stimmen zu und sagen eine Rezession voraus, die im Falle eines No-Deal-Brexit tiefer und länger zu werden verspricht.

Kopie eines EU-Vertrags

Was würde denn ein Austritt ohne Deal für die Schweiz bedeuten? finews.ch hat nachgefragt.

Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen den direkten Handelsbeziehungen von Grossbritannien mit der Schweiz und den indirekten Auswirkungen einer Konjunkturdelle auf die hiesige Industrie. Der Hauptgrund, weshalb die Schweizer Wirtschaft nach aussen mit einer gewissen Gelassenheit der Frage nach «Deal or No-Deal» begegnet kann, liegt im Handelsabkommen begründet, das Guy Parmelin im vergangenen Februar mit dem damaligen britischen Aussenhandelsminister Liam Fox unterzeichnet hat. Das Papier ist mehr oder weniger eine Kopie der handelsbezogenen Rechte und Pflichten, die gemäss bilateralen Verträgen für die Schweiz und die EU bereits gelten.

Ohne Vertrag gibt's massive Probleme

«Dank der Schweizer Auffanglösung, die in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ausgehandelt wurde, können Schweizer Unternehmen auch bei einem No-Deal-Szenario auf eine gute Vertragsbasis bauen», erklärte Mario Ramò, stellvertretender Leiter für Aussenwirtschaft bei der Wirtschaftsorganisation Economiesuisse, gegenüber finews.ch.

Ohne diese Auffanglösung wären die Schweizer Exportfirmen bei einem ungeregelten Austritt Grossbritanniens aus der EU im grenzüberschreitenden Handel von einem Tag auf den anderen mit massiven Problemen konfrontiert – zum Beispiel mit höheren Zöllen, aufwendiger Abfertigung, Nichtanerkennung von Ursprungsbezeichnungen und Hürden im öffentlichen Beschaffungswesen.

Banken: Viel gespart und fusioniert

Und wie steht es um die Banken? Die UBS beispielsweise hat bereits vor geraumer Zeit die Geschäfte, die auf einen Zugang zum EU-Markt angewiesen sind, mit der UBS SE in Frankfurt fusioniert, um das EU-Banking unter allen Voraussetzungen weiter gewährleisten zu können.

Die jetzt noch in London stationierten Banker haben dem Vernehmen nach relativ gute Karten, weil sie zu grossen Teilen für globale Aktivitäten ihre Arbeit verrichten und deshalb unverzichtbar sind.

Auch die Credit Suisse (CS) hat ihre Planung schon vorangetrieben und ihre Einheiten in Frankfurt, Madrid und Luxemburg auf eine gewichtigere Rolle Post-Brexit vorbereitet. Die CS beschäftigt schon heute nur noch die Hälfte des Personals, das sie 2015 beim Amtsantritt von CEO Tidjane Thiam hatte.

Wirtschaftliches Powerhouse

Worauf der Bundesrat sowie die Exportwirtschaft, und damit auch die Finanzbranche, nicht einwirken können, sind die Auswirkung einer konjunkturellen Delle in Grossbritannien. Eine Rezession würde die Schweizer Unternehmen eindeutig treffen – allein im vergangenen Jahr hat unser Land Waren im Wert von 8,8 Milliarden Franken nach Grossbritannien verkauft.

Bei einer Rezession würde dieser Handel schrumpfen. Sowohl Exporte als auch Direktinvestitionen von Schweizer Firmen in Grossbritannien sind jetzt schon rückläufig, ergänzt Ramò.

Flexible Marktwirtschaft

Trotzdem, die Aussichten sind nicht ganz düster. «Das Vereinigte Königreich ist eine der flexibelsten Marktwirtschaften der Welt. Man darf deshalb annehmen, dass die erforderlichen Anpassungen an eine Rezession relativ schnell vonstatten gehen würden, sofern das politische Umfeld einigermassen stabil bleibt», erklärt Dean Turner, der verantwortliche Ökonom für Grossbritannien im Chief Investment Office der UBS.

Turner erwartet eine relativ kurze Phase von einem bis zwei Quartalen Negativwachstums gefolgt von einer Erholungsphase mit nach wie vor schwachen Wachstumsraten. Die Auswirkungen werden in ihrem Ausmass davon geprägt sein, wie lange und intensiv sich das Land vorbereiten kann und wie hoch der fiskalische Stimulus sein wird, den der Premier vorbereitet.

Chaos an der Aussengrenze?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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