Für die Unternehmerin Daniela Stehli war 2020 ein Jahr des Loslassens von Bestehendem. Die Bankexpertin zählte zu den Ersten, die Webinare organisierten – und lernte schnell die Tücken der Tools kennen. Inzwischen weiss sie genau, was eine Online-Veranstaltung erfolgreich macht, wie sie im Interview mit finews.ch verrät.   


Frau Stehli, wann haben Sie festgestellt, dass sich aufgrund der Coronakrise geschäftlich für Sie einiges ändern würde?

Das Jahr ist sehr gut gestartet. Die Seminare für März waren alle ausgebucht. Ende Februar kamen aber die ersten Anfragen, ob wir die Veranstaltung auch online durchführen werden. Danach ging alles sehr schnell. Kurzfristig haben wir dann via Telefonkonferenz die ersten Wissensseminare durchgeführt.

Was haben Sie dann unternommen?

Anfänglich glaubten wir, der Spuk sei im Juni überstanden, und haben zunächst einmal Seminare verschoben. Im April wurde aber klar, dass die Umstellung längerfristiger Natur sein wird. Bereits im Mai haben wir erste Webinare angeboten und mit «Führen in der Krise» und «Digitalisierungsschub in Zeiten von Covid-19» Themen aus der Situation heraus aufgegriffen.

«An dieses Momentum werden wir 2021 anknüpfen»

So konnten wir erste praktische Erfahrungen mit dem neuen Format sammeln. Unsere didaktische Kompetenz erlaubte es uns, uns rasch auf die neuen Gegebenheiten einzustellen und unsere analogen Formate unmittelbar für Webinare zu adaptieren.

Konnten Sie im Jahresverlauf Ihr Budgetziel erreichen – oder haben sie eine andere Strategie eingeschlagen?

Unsere 20 Webinare konnten wir dieses Jahr alle erfolgreich durchführen. Präsenzveranstaltungen, vor allem massgeschneiderte Seminare im Auftrag von Kunden, wurden dagegen verständlicherweise alle verschoben.

Das Ausnahmejahr hat aber auch die Basis für die Entwicklung neuer Formate und die Weiterentwicklung des FSB-Angebots geschaffen. An dieses Momentum werden wir 2021 mit vollem Elan anknüpfen.

Online-Konferenzen haben sich 2020 zu einem Standard entwickelt. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Fluch oder Segen?

Die Frage ist weniger, ob Online-Konferenzen Fluch oder Segen sind. Sie sind momentan schlicht die einzige Möglichkeit, situationsgerecht Wissen zu vermitteln und sich im Netzwerk auszutauschen.

«Referate sollten nicht länger als 20 Minuten dauern»

Es gilt also, die bestehenden Ressourcen intelligent mit den neuen Technologien zu verknüpfen und seine Chancen zu packen. Relevant ist ebenso, mit einem Konferenztool zu arbeiten, dass mit dem IT-Sicherheitsstandard der Finanzdienstleister kompatibel ist.

Was kann eine Online-Konferenz vermitteln und was nicht?

Wissen lässt sich auf dem virtuellen Weg grundsätzlich gut vermitteln. Wichtig ist, dass die Wissensvermittlung in kurze Sequenzen erfolgt. Referate sollten nicht länger als 20 Minuten dauern.

«Von Vorteil ist es, die einzelnen Breakout-Sessions professionell moderieren zu lassen»

Dazwischen sind die Teilnehmenden aktiv zu involvieren. Dazu eignen sich Breakout-Sessions. Dort wird das jeweilige Thema in Kleingruppen diskutiert, Erfahrungen ausgetauscht und das Networking gepflegt.

Von Vorteil ist es, die einzelnen Breakout-Sessions professionell moderieren zu lassen, damit die Diskussion einen roten Faden behält und alle Teilnehmenden involviert werden.

Wo liegen die Tücken dieses Tools begraben?

Technische Hindernisse gibt es immer. Da haben wir wohl alle einiges erlebt. Eine professionelle Infrastruktur des Veranstalters und der involvierten Partner und durchdachte Konzepte sind aber unabdingbar. Der Anspruch der Teilnehmenden an solche Formate ist in den vergangenen Wochen zu Recht gewachsen.

Lässt sich virtuell der gleiche Content ebenso effizient vermitteln wie «live»?

Die reine Content-Vermittlung ist auf verschiedenen Kanälen möglich. Aber Live-Erlebnisse lassen sich so nicht ersetzen.

«Bei Politikern auf nationaler Ebene ist ja das Zeitmanagement oft kritisch»

In der Krise haben wir alle feststellen können, wie wichtig trotz aller technischer Raffinessen der persönliche Austausch ist. Wir werden es sehr schätzen, wenn dies wieder möglich ist.

Konnten Sie virtuell mehr Interessenten ansprechen als bei Ihren früheren Veranstaltungen?

Die Zahlen sind in etwa identisch. Was aber auffällt, dass sich mehr Personen aus eher abgelegenen Gegenden angemeldet haben. Eine Anreise nach Zürich für ein Halbtagesseminar wäre für sie unter normalen Umständen einfach zu zeitintensiv.

«Ein mitreissendes Referat muss einer Storyline folgen, die die Teilnehmenden unmittelbar anspricht»

Beim VR-Fokus-Webinar haben zudem zwei eidgenössische Parlamentarier teilgenommen. Bei Politikern auf nationaler Ebene ist ja das Zeitmanagement oft kritisch. Mit den Webinaren war ein einfaches Zuschalten aus Bern oder vom Homeoffice gut möglich.

Webinare werden generell vermehrt von Personen gebucht, die wegen dicht getakteter Termine selten an Präsenzseminaren teilnehmen können.

Worauf sollten Referentinnen und Referenten bei virtuellen Präsentationen ganz besonders achten?

Die Sprache und vor allem auch die Stimmlage sind sehr wichtig. Noch wichtiger ist engagiertes, mitreissendes Referieren. Das Referat muss einer klaren «Storyline» folgen, die die Teilnehmenden unmittelbar anspricht. Monotones Ablesen von Inhalten kommt auf dem digitalen Kanal noch weniger an, als dies schon vor physischem Publikum der Fall war.

Sie sprechen mit Ihren Seminaren im Besonderen auch Verwaltungsratsmitglieder an. Hat sich in diesen Kreisen eine Art Corona-Sensibilität etabliert – oder dominiert eher Überforderung?

Nach meiner Erfahrung besteht diese Sensibilität eindeutig. Der Dialog der Finanzindustrie mit der Politik hat wieder an Bedeutung gewonnen.

«Die Krise hat uns aufgezeigt, wie fragil die Welt ist – die Finanzindustrie muss darauf noch Antworten finden»

Dabei ist allen Verwaltungsrätinnen und -räten klar, dass die Digitalisierung die Industrie noch schneller und mit grosser Wucht treffen wird. Ebenso zentral ist das Risikomanagement. Wichtig ist auf Stufe VR auch das Thema «ESG».

In all diesen Bereichen gilt es, neue Denkmuster zu entwickeln. Die Krise hat uns klar aufgezeigt, wie fragil die Welt ist – die Finanzindustrie muss darauf noch Antworten finden.

Können die Verwaltungsratsmitglieder mit der beschleunigten Digitalisierung umgehen?

Den Verwaltungsrätinnen und -räten ist sehr bewusst, dass die Digitalisierung die Branche verändern wird. Dazu sind grosse Investitionen und neue Kooperationen nötig. Die kleineren Banken werden versuchen, die Kräfte zu bündeln und neue Wege der Zusammenarbeit zu finden. Die grossen Banken werden ein eigenes Ökosystem bauen.

Sind Sie aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie auf neue Themen oder Formate für Ihre Anlässe gestossen?

Wir können uns gut vorstellen, dass das Konzept des Blended Learnings, also der Verbindung von digitalem und analogem Lernerlebnis, breitflächig durchsetzen wird. Theorieblöcke lassen sich gut virtuell vermitteln, was auch dem Bedürfnis zeit- und ortsunabhängigen Lernens gerecht wird.

«Dazu gehören Themen wie Führung und Kommunikation im Homeoffice»

Da unsere Teilnehmenden den Austausch von Erfahrungen aus der Praxis und das aktive Netzwerken über Institutsgrenzen hinweg und mit ausgewiesenen Experten im Rahmen von Präsenzseminaren sehr schätzen, werden wir an diesem bewährten Format auch in Zukunft festhalten.

Ein Fokus Ihrer Veranstaltungen liegt auf der Finanzbranche. Welche grossen Themen und Fragen sehen Sie auf die Banken und anderen Finanzinstitute zukommen?

Strategische und fachliche Themen wie das Risikomanagement, die Digitalisierung und ESG, die wir mit unseren Seminaren und Webinaren schon heute abdecken, bleiben aktuell und werden vertieft. Hinzu kommen vermehrt Führungs- und Organisationsfragen.

Dazu gehören Themen wie Führung und Kommunikation im Homeoffice, die Förderung von Innovation respektive die das Entwickeln einer Innovationskultur und Vermittlung dementsprechender Werte in den Finanzinstituten.

Wie sieht Ihre Planung für 2021 aus?

Bis Mitte Jahr planen wir mit Webinaren. In der zweiten Jahreshälfte sollte das Durchführen von Präsenzveranstaltungen wieder möglich sein.

Würden Sie abschliessend sagen, dass Sie die Krise in diesem Jahr auch als Chance nutzen konnten?

Die rasche Umstellung auf Webinare und deren Akzeptanz hätten wir uns vor Jahresfrist noch kaum vorstellen können. Die damit verbundene gute zeitliche Verfügbarkeit der Teilnehmenden und spannender Referierender und die enorme Themenvielfalt eröffnen neue Möglichkeiten.

«Der persönliche Austausch mit Menschen hat einen neuen Stellenwert bekommen»

Wir sind in der Lage, dazu bedürfnisgerecht in kurzer Frist neue Webinare zu konzipieren. Dieses Time-to-Market hat sich 2020 als Chance erwiesen, die wir 2021 weiterhin nutzen werden –im Rahmen des öffentlichen Angebots ebenso wie «on demand».

Was wird Ihnen in der Zukunft von diesem Jahr persönlich am stärksten in Erinnerung haften bleiben?

Das Loslassen von Bestehendem. Der Einsatz von Ressourcen dort, wo etwas verändert werden kann. Auf «Entdeckungsreise» zu gehen. Nach vorne zu schauen und die Chancen zu sehen, statt Verpasstem nachtrauern. Durchhaltewille war und ist dafür unabdingbar. Und der persönliche Austausch mit Menschen hat einen neuen Stellenwert bekommen.


Francie Jordi, Fabrizio Raffa 2019

Daniela Stehli-Wiederkehr ist Geschäftsführerin und Hauptaktionärin der Fachschule für Bankwirtschaft (FSB). Die erfahrene Bank- und Finanzexpertin mit didaktischer Ausbildung übernahm die private Aktiengesellschaft 2008. In der Folge erweiterte sie das Basisangebot und lancierte Spezialseminare zu aktuellen Themen und Herausforderungen in der Bankenwelt. Ausserdem entwickelte sie mit einer Expertengruppe ein wegweisendes Ausbildungskonzept für Bankverwaltungsräte. Vor ihrer Zeit als Unternehmerin war Stehli im Privatkundengeschäft der UBS sowie im Bereich Investment Funds der Bank Julius Bär tätig. 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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