Der Genfer Patrick Odier ist neu Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung. Was sind seine Absichten?

Dieser Text erschien erstmals in der «Bilanz»-Sonderbeilage zur JAC – III. Joint Alumni Conference vom 2. Oktober 2009 in Rüschlikon-Zürich.

 

Patrick_Odier2Wenn eine Sitzung nicht vorankommt, greift Patrick Odier gern zu Stift und Papier. Dann kritzelt er ein paar Karikaturen der Anwesenden hin und lässt die Cartoons zirkulieren. Das sorgt zumeist für Erheiterung, was die verfahrene Situation wieder in Schwung bringt.

Diese Angewohnheit passt gut zu einem Menschen, den viele auf Anhieb als sympathisch, humorvoll und zugänglich charakterisieren. Aber sie ist nicht unbedingt üblich für Genfer Privatbankiers, denen man nachsagt, sie seien eher entrückt und schon gar nicht witzig.

Der 54-jährige Patrick Odier ist untypisch für seine Gilde – eloquent, weltgewandt, enthusiastisch. «Er sieht die Dinge immer von der positiven Seite», sagt Jacques Rossier, selber ein hoher leitender Bankier in der Genfer Privatbank Lombard Odier & Cie, die an die 2000 Leute beschäftigt und 134 Milliarden Franken an Kundengeldern verwaltet.

Positives Denken dürfte für Odier noch wichtiger werden, wenn er Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung sein wird, also als Galionsfigur eine Berufsgruppe repräsentiert, deren Vertreter in jüngster Zeit eine eher schlechte Figur machten. Wer ist aber dieser Mann, der am 17. September eines der schwierigsten Ämter in der Schweiz übernimmt? Und: Warum bürdet sich jemand ein solches Amt überhaupt auf?

Verantwortung

«Ich habe dieses Amt angenommen, um meinem Land zu dienen, um mich dafür einzusetzen, dass die Rahmenbedingungen trotz den wirtschaftlichen Umwälzungen intakt bleiben, und damit sich die Kunden auch in Zukunft auf die Schweiz und ihre Banken verlassen können», formuliert Odier sein Credo. Dass dabei eine hohe ethische Verantwortung eine entscheidende Rolle spielt, unterstrich er bereits bei seiner Nomination im Juni, als er erklärte, dass «wir wieder mehr Bankiers und weniger Banker brauchen». Das waren andere Signale als jene, welche die Öffentlichkeit bis dato von den Bankern empfangen hatte, denen es bloss um den schnellen Reibach ging, nicht aber um das Wohl der Kunden.

«Als Genfer Privatbankier ist Patrick Odier sicher stärker als andere Berufskollegen von den Auswirkungen der Krise und der Bankgeheimnis-Diskussion betroffen», stellt Finanzprofessor Alfred Mettler fest, der in Atlanta an der Universität lehrt und zur Expertengruppe «Bankgeheimnis» des Bundesrats gehört. «Umso mehr wird Patrick Odier an einem geordneten Übergang und an vernünftigen, will heissen realistischen Regelungen interessiert sein.»

Prinzipien

Als Vertreter der sechsten Generation der Odiers hätte er im gemachten Nest bleiben können und als Teilhaber einer Privatbank getreu dem Credo des römischen Dichters Ovid – «Glücklich lebte, wer sich gut verborgen hielt» – ein beschauliches Leben fristen können.

Dochnach dem Ökonomiestudium in Genf liess Odier zunächst den kleinräumigen Topos der Rhonestadt hinter sich, absolvierte einen MBA an der Universität Chicago, bevor er mit 27 im Familienunternehmen anheuerte. Dort teilte er sich anfänglich ein Büro mit dem sieben Jahre älteren Thierry Lombard. Heute bestimmen die beiden den Kurs der 213-jährigen Traditionsbank, die schon Jules Verne 1865 in seiner Erzählung «Von der Erde zum Mond» literarisch verewigte.

Intern zählt Odier bis heute nicht zu den eigentlichen Vermögensverwaltern. Portfolio Management ist nicht sein Ding. Er gilt als begnadeter Akquisiteur und Visionär, was angesichts seines weltoffenen Naturells, seines Charmes und der Freude am Zupacken nachvollziehbar ist. 1986 avancierte Odier zum Managing Partner. Seit Mitte 2008 ist er Senior Partner. In dieser Rolle erstellt er auch die Agenda für die allwöchentliche Sitzung der Partner.

Odiers Funktion als Primus inter Pares ist wichtig für ein Geldhaus, das nicht selten Kunden mit mehreren hundert Millionen Franken empfängt. Dies erfordert einiges an Gespür, aber auch an Bodenhaftung, weil – wie es ein Partner formuliert, der nicht genannt sein will – man doch Gefahr läuft, in eine «Grauzone» zu geraten oder bei grossen Geldbeträgen «kommerzielle Überlegungen» zu stark zu gewichten.

Da kommt Odiers Person zum Tragen, die strengste Massstäbe ansetzt. Dass auf sein Geheiss hin Kunden abgelehnt werden, sei kein seltener Vorgang, bestätigt ein Mitglied dieses Zirkels – schliesslich haften alle Partner mit eigenem Namen und Vermögen für Reputation und Verbindlichkeiten des Hauses. So entpuppt sich Odiers Appell an ethische Prinzipien nicht bloss als Lippenbekenntnis, sondern als Tugend, die er selber vorlebt.

Das havarierte Image mancher Finanzhäuser hat vor allem mit ethischen Versäumnissen zu tun. Nur so konnten manche Banker zu devoten Erfüllungsgehilfen mutieren und das Ausland die Schweiz bloss noch als Steuerhinterziehungsfestung wahrnehmen. Der Rest ist Geschichte – oder anders gesagt: Mit Odiers Antritt schlägt die Stunde null.

Kompetenz

Was ihm zugute kommen dürfte: Seine Kompetenz ist vielseitig. Als aktives Mitglied namhafter Institutionen, wie der Economiesuisse, des Swiss Finance Institute, der Stiftung Finanzplatz Genf oder der Swiss Association of MBAs, hat er ein weites Gesichtsfeld. An diesen Engagements wolle er festhalten, weil ihm die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Wirtschaftssektoren wichtig erscheine, sagt er.

Seiner Verantwortung in der Öffentlichkeit wird Odier auch privat gerecht. Aus eigener Tasche finanziert er Jeunes@work, eine Stellenvermittlung für junge Arbeitslose, sowie andere soziale Einrichtungen, etwa für Flüchtlinge. Zusammen mit seiner zweiten Frau, Cynthia, einer Griechin, unterhält er die Stiftung Fluxum, die moderne Kunst und Kulturprojekte unterstützt.

Musisch verbindet ihn eine Freundschaft mit dem türkisch-schweizerischen Geschäftsmann, Bestsellerautor und Kulturförderer Metin Arditi. Der Stiftungspräsident des Orchestre de la Suisse Romande ist auch Odiers Nachbar auf der griechischen Insel Spetses, wo beide ein Ferienhaus besitzen. Dort verbringt Odier die meisten Ferien.

Als Kosmopolit ist ihm auch die Abschottungsmentalität gewisser politischer Kreise in der Schweiz zuwider, wie enge Freunde unisono berichten. Gegen fremdenfeindliche Äusserungen grenzt er sich kompromisslos ab, zumal seine Frau Jüdin ist. Mit ihr hat er eine Tochter; aus erster Ehe zwei erwachsende Kinder. Politisch ist Odier keiner Partei zugehörig, er orientiert sich an den Werten der Westschweizer Liberalen Partei, mit deren Genfer Präsident, Anwalt Michel Halpérin, ihn eine enge Freundschaft verbindet.

Es wird sich weisen, wie Odier seiner Doppelrolle als Senior Partner der Bank und als Präsident gerecht wird – nicht zuletzt wegen seiner anderen Verpflichtungen. Die Branche traut ihm einiges zu. Sonst hätte sie nicht mit der Tradition gebrochen, gemäss der nach dem Welschen Mirabaud turnusgemäss ein Deutschschweizer hätte gewählt werden müssen. Das Vertrauen wiederherstellen, die finanzielle Privatsphäre bewahren und für bessere Rahmenbedingungen einstehen, das sind Odiers drei wichtigste Maximen. Auch er wird das Swiss Banking nicht neu erfinden, doch zumindest die Umrisse eines ethischen Bankgeschäfts skizzieren – das Talent fürs Zeichnen hat er.

 


Patrick Odier ist Ehrenmitglied der Swiss Association of MBAs (SAMBA), welche die Schirmherrschaft über die Joint Alumni Conference hat. SAMBA vereinigt MBAs und Executive MBAs führender Business Schools aus den Vereinigten Staaten und Europa. Mehr auf diesem Link.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.6%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.59%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.29%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.13%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.4%
pixel