Nach dem dreisten Zugriff der weissrussischen Regierung auf einen Airliner lassen die Strafmassnahmen nicht auf sich warten. Die Häufung von Sanktionen gegen die Regimes in Osteuropa bereitet hiesigen Bankern aber zunehmend Kopfzerbrechen.

Die Abstrafung seitens der EU liess nur einen Tag auf sich warten. Am (gestrigen) Montag reagierte die Union mit einem Flugverbot für weissrussische Maschinen auf dem Gebiet ihrer Mitgliedstaaten.

Dies, nachdem die Regierung Weissrusslands unter Präsident Alexander Lukaschenko vergangenen Sonntag ein Flugzeug der irischen Airline Ryanair zur Landung in Minsk gezwungen hatte und einen Regimekritiker sowie dessen Partnerin, die sich an Bord befanden, festnehmen liess.

USA greifen durch

Mit den neuen Sanktionen gegen Weissrussland sind bei der EU auch Strafmassnahmen gegenüber Moskau wieder auf die Tagesordnung gerückt. Medienberichten zufolge will sich Brüssel im Juni erneut übers Thema beugen. Seit der Krim-Krise von 2014 dauern die Sanktionen gegen russische Organisationen und Einzelpersonen seitens den USA und Europa an; im vergangenen April haben die Amerikaner die Massnahmen massiv ausgedehnt.

So wurde für US-Banken der Handel mit Anleihen russischer Organisationen weiter eingeschränkt. Hinzu kamen neue Sanktionen gegen 40 verschiedene Personen und Gesellschaften, darunter so wichtige Institutionen wie die russische Zentralbank und der Staatsfonds des Landes.

Die Drohung mit Swift

Als Drohung in der Luft liegt dabei einmal mehr die Ausgrenzung vom Zahlungsübermittlungs-System Swift; die russischen Banken und mit ihnen das Finanzsystem des Landes würden damit faktisch von den weltweiten Geldströmen abgeschnitten. Wie das deutsche «Handelsblatt» berichtete, wird jenes Szenario in Russland inzwischen so ernst genommen, dass das Land zusammen mit China den Aufbau eines eigenen Zahlungssystems plant.

Die gespannte Lage bereitet auch am Schweizer Finanzplatz Kopfzerbrechen, obwohl die Nerven nicht derart blank liegen wie vor sieben Jahren anlässlich der Annexion der Krim. Dennoch geht wieder das bekannte Schreckgespenst um, das auch das Vertrauen in die Sicherheit hiesiger Bankkonti untergräbt: die Angst, von Guthaben im Ausland abgeschnitten zu werden und keinen Zugriff mehr aufs Vermögen zu haben.

Abflüsse nach Amerika?

Dabei hat sich das Swiss Banking seit den Nullerjahren einen Namen als verlässlicher Partner von reichen Osteuropäern verdient; besonders gelobt wird von der Klientel die politische Stabilität, die gute Erreichbarkeit des Schweizer Hubs sowie die Qualität des Service. So betreiben diverse Privatbanken spezialisierten Desks mit russischsprachigen Kundenberatern und Spezialisten.

Diese Pluspunkte zählen auch nach dem faktischen Ende des Schweizer Bankkunden-Geheimnisses: Seit 2018 hat sich Russland dem automatischen Austausch von Informationen über Bankkunden (AIA) angeschlossen. Etwelche nicht deklarierte Gelder sind seither aus der Schweiz abgeflossen – nicht selten in die USA, wie am Finanzplatz berichtet wird.

Den EU-Sanktionen gegen Russland hat sich die Schweiz derweil nicht angeschlossen, achtet aber darauf, dass sie von hier aus nicht umgangen werden. Gegenüber Weissrussland sind seit 2006 Zwangsmassnahmen des Bundes wirksam.

Iran als Exempel

Obschon konkret wenig darauf hindeutet, dass die Swift-Sperre in Betrieb kommt, ist die reiche Kundschaft auf Vorrat nervös. «Russen haben Angst, dass ihr Geld in der Schweiz blockiert werden könnte», sagt Samuel Schmid, Partner von Clarus Capital, zu finews.ch. Der Zürcher Vermögensverwalter ist spezialisiert auf die osteuropäische Klientel und hat seine Dienste in den vergangenen Jahren markant ausgebaut.

Obschon Schmid solche Befürchtungen als «Horrorstorys» abtut, gibt es doch eine historische Präzedenz: 2012 wurde der Iran auf Druck der USA hin von Swift ausgeschlossen; Zahlungen ins Land und Überweisungen sind seit damals nicht mehr möglich. Das Geld muss über Kuriere zirkulieren.

Nervosität steigt bei den Banken

«Es ist sehr unwahrscheinlich, das Auslandsvermögen eingefroren oder abgeschnitten werden», sagt Schmid, der eben von einer Dienstreise aus Moskau zurückgekehrt ist. Dennoch spreche die osteuropäische Klientel das Thema wieder vermehrt an.

Härtere Sanktionen gegen die Regimes in der Region sorgen auch für gesteigerte Nervosität bei hiesigen Banken. Insbesondere die grossen Schweizer Häuser wollen bei Kontoeröffnungen genau wissen, ob sich ihre künftigen Kunden auf einer Sanktionsliste befinden – ebenfalls interessiert es sie, mit welchen Gegenparteien die Klientel in der Heimat verkehrt.

Auch kleine Kunden durchleuchtet

Wie Schmid berichtet, werden inzwischen auch kleinere Kunden akribisch geprüft. Eine Kontoeröffnung könne sich so über Monate hinziehen, die Antrags-Dossiers seien teils mehrere hundert Seiten stark.

«Der enorme Compliance-Aufwand bewirkt, dass Schweizer Bankkonti zunehmend nur für grosse Vermögen in Frage kommen», berichtet Schmid aus der Praxis. «Das kann am Ende gegen die Schweiz sprechen.»

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