Die blockierten Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU stossen hiesigen Vermögensverwaltern und Privatbanken zunehmend sauer auf. Ihre Lobby warnt nun vor einer Verlagerung ins europäische Ausland.

Die überraschend geeinte Reaktion der europäischen Staaten im Ukraine-Krieg legt nahe, dass der «Alte Kontinent» nicht so schnell abgeschrieben werden darf. Für die Schweizer Vermögensverwalter und Privatbanken ist Europa dabei schon seit jeher von überragender Bedeutung gewesen – und wird es angesichts der gegenwärtigen Tendenzen zur Deglobalisierung erst recht.

1 Billion Franken aus der EU

So verweist die Vereinigung Schweizerischer Assetmanagement- und Vermögensverwaltungsbanken (VAV) in ihrem frisch publizierten Jahresbericht darauf, dass 40 Prozent der hierzulande verwalteten Vermögen aus Westeuropa stammen. Erst danach folgen Boom-Regionen wie Asien oder die USA, die gemeinhin als grösster Vermögensverwaltungs-Markt der Welt gelten.

«Mit Bezug auf den Vermögensverwaltungs-Platz Schweiz bleibt Westeuropa das natürliche Becken im Bereich des exportorientierten Geschäfts», resümiert die Branchenvereinigung. Allein mit der Verwaltung der geschätzten fast 1’000 Milliarden Franken von Kundinnen und Kunden mit EU-Domizil beschäftigten sich in der Schweiz rund 20'000 Personen und generierten damit Steuereinnahmen von etwa 1,5 Milliarden Franken pro Jahr.

«Akut gefährdet»

Doch über diesem eher noch wichtiger werdenden Geschäft ziehen dunkle Wolken auf, glaubt man der VAV. Der von der Branche Mantra-mässig geforderte verbesserte Zugang zum EU-Binnenmarkt ist aus Sicht der Lobby-Vereinigung nur sehr eingeschränkt gegeben. Jetzt drohe gar die teilweise Errichtung weiterer protektionistischer Barrieren. Der (aus der Perspektive der Schweizer Vermögensverwaltungs-Banken) schon jetzt unzureichende Status Quo sei damit «akut gefährdet».

Als Beispiel für neue Hürden wird etwa der letztjährige Vorschlag der EU-Kommission vorgebracht, den Aufsichtsrahmen für Drittstaaten-Zweigniederlassungen im Bereich der grenzüberschreitenden Bankdienstleistungen zu harmonisieren. Was zunächst ungefährlich klingt, könnte aus Sicht der VAV-Mitgliedsbanken drastische Folgen auf das Offshore-Geschäft mit europäischen Kunden haben.

Neue EU-Hürden

So würde der Vorschlag der Kommission bedeuten, dass keine Bankdienstleistungen aus Drittstaaten mehr zugelassen würden ohne Niederlassung oder Filiale vor Ort. Während solche neuen Massnahmen drohen, herrscht zwischen der Union und der Schweiz Eiszeit. Nach dem Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen im Jahr 2021 durch den Bundesrat hat die EU entschieden, keine neuen sektoralen Abkommen mit der Schweiz abzuschliessen; ebenfalls aktualisiert die Union auch bestehende Abkommen nicht mehr.

Die Vermögensverwaltungs-Banken, die sich gerne als Exporteure par excellence darstellen, drohen deshalb mit Konsequenzen für den hochpreisigen Produktionsstandort Schweiz. «Wenn der Marktzutritt zur EU verwehrt bliebe, wären die Branchenakteure noch verstärkt veranlasst, ihr Geschäft mit EU-Kunden über Direktinvestitionen respektive Niederlassungen vor Ort weiterzuentwickeln», halten sie im Jahresbericht fest.

Harzige Verhandlungen

Der VAV gehören 23 Banken mit eigenen Angaben zufolge insgesamt rund 9'000 Mitarbeitenden sowie verwalteten Kundenvermögen von 1'250 Milliarden Franken an. Präsidiert wird die Vereinigung seit 2021 von Philipp Rickenbacher, dem CEO der Privatbank Julius Bär.

Die bilateralen Verhandlungen mit einzelnen EU-Staaten über den besseren Marktzugang für das Swiss Banking präsentieren sich dabei ebenfalls teils wenig erspriesslich. Mit Deutschland existiert zwar inzwischen die Standardfreistellung und die vereinfachte Freistellung für hiesige Institute. Und Luxemburg hat im Sommer 2020 die Schweizer Regulierungen betreffend Dienstleistungen für professionelle Kunden als äquivalent anerkannt. Die Gespräche mit Italien verliefen hingegen harzig, stellt die VAV fest. Mehr noch: Italien wolle mit einer direkten Gewinnbesteuerung der Exportumsätze von Banken Ernst machen.

Lichtblick Grossbritannien

Ein Lichtblick sind da die Verhandlungen mit Grossbritannien; der konkurrierende Finanzplatz ist nach dem Brexit von Ende 2020 näher zur Schweiz gerückt. Bereits vor zwei Jahren unterzeichneten die beiden Staaten eine Absichtserklärung, um den gegenseitigen Marktzugang zu verbessern. Beobachter erwarten nun, dass im Herbst ein weiteres Abkommen zwischen den Finanzplätzen zustande kommt.

Doch mit der EU ist der grosse Durchbruch nicht in Sicht. Immerhin hat der Bundesrat vergangenen Februar kommuniziert, dass er neue Verhandlungen mit der EU zu institutionellen Fragen aufnehmen möchte. Konkret will die Schweizer Regierung dabei Fragen wie die dynamische Rechtsübernahme, die Streitbeilegung sowie Ausnahmen von Schutzklauseln neu sektoriell regeln. Dieser sogenannte «vertikale Ansatz» würde bedeuten, dass institutionelle Fragen in den einzelnen Binnenmarkt-Abkommen verankert und allenfalls auch neue Marktzugangs-Abkommen verhandelt werden könnten.

Keine Rede von den Banken

Doch im Ansatz des Bundesrats sei bisher keine Rede von den Banken, wie die Lobby nun bedauert: «Dies gilt es zu korrigieren.»

Die Branche favorisiert dazu den «Instituts-spezifischen Ansatz», um den Marktzugang zum EU-Binnenmarkt zu erlangen. Dieser Ansatz sieht vor, dass nur diejenigen Finanzinstitute, die ihre Dienstleistungen aktiv in der EU anbieten möchten, die dort gültigen Regularien vollumfänglich übernehmen und sich entsprechend lizenzieren lassen müssten. Dies, um auf diesem Weg einen «EU-Pass» zu erhalten.

Damit würde endlich das «Level Playing Field» hergestellt, um das der Schweizer Offshore-Bankenplatz seit Jahren ringt.