Gerade in turbulenten Zeiten wie jetzt ist thematisches Investieren in starke Marken sehr interessant, weil die Substanz zum Tragen kommt. Doch solche Anlagen bergen auch enorme Risiken, wie sich in der Praxis immer wieder zeigt und Andreas Arni von Lombard Odier im Interview mit finews.ch betont.


Herr Arni, was bedeutet eigentlich thematisches Investieren?

Thematisches Investieren ist ein «Top-down»-Anlage-Ansatz der sich auf langfristige gesellschaftliche Mega-Trends fokussiert anstatt «bottom-up» auf einzelne Aktien und Sektoren zu setzen. Dies ermöglicht dem Anleger von strukturellen und fundamentalen Veränderungen in einer Volkswirtschaft zu profitieren, welche sich meist über einen längerfristigen Zeitraum entfalten.

Oft ist es so, dass diese Veränderungen über Sektoren-Grenzen hinaus Wirkung entfalten und somit den traditionellen Rahmen einer Sektoren-Allokation sprengen.

Warum liegt thematisches Investieren für Private-Banking-Kunden im Trend?

Ein wesentlicher Vorteil liegt darin, dass man als Anlegerin oder Anleger viel fokussierter vorgehen kann; klassische Aktienfonds investieren oft in 60 bis 80 Titel, weil der Diversifikations-Gedanke im Vordergrund steht – dies geht in der Regel auf Kosten der Rendite.

«Nike zeigt, was dieser Status bedeutet»

Thematische Portfolios fokussieren auf eine deutlich kleinere Anzahl von Titeln. Dadurch steigt zwar das spezifische Risiko – aber eben auch die Rendite-Aussicht. Ein weiterer Vorteil ist, dass man mit thematischen Anlagen sein Portfolio besser auf die eigenen Überzeugungen und Erwartungen abstimmen kann.

Welches sind Beispiele für thematische Investments?

Typische Beispiele sind die Digitalisierung der Wirtschaft oder demographische Veränderungen in einer Volkswirtschaft aber auch Nachhaltigkeits-Themen wie die Zukunft der Nahrungsmittel oder das Thema Elektrifizierung.

Ein enger gefasstes Anlagethema sind sogenannte Global Brands, bei denen man davon ausgeht, dass Firmen mit global etablierten Marken für ihre Anteilseigner eine Überrendite erzielen können.

Wie definieren Sie einen Global Brand?

Nike zeigt, was dieser Status bedeutet. Jeder kennt heute die Marke Nike. Sie steht für Innovation, Herkunft und Kultur. Das Produkt selbst erlaubt es Nike, Preise zu erhöhen und so über Jahrzehnte sehr attraktive Margen zu generieren.

«Auch grosse Anleger wie Warren Buffett investieren in Aktien mit starken Konsummarken»

Insbesondere jetzt ist das sehr wichtig. Denn um höhere Unternehmenskosten aufgrund der steigenden Inflation zu überleben, sind Preismacht und regelmässige Preiserhöhungen wichtig. Nur die stärksten Marken können sich das erlauben.

Warum sind Global Brands als Investment interessant?

Das Investieren in Aktien mit einer starken Marke ist heute etabliert: Auch grosse Anleger wie Warren Buffett investieren in Aktien mit starken Konsummarken, die – wie Apple oder Nike – finanziell sehr gesund sind.

Bei einer starken Marke mit Momentum, Innovation und Loyalität kann man beobachten, dass der Umsatz wächst – aufgrund regelmässiger Preiserhöhungen und langfristig höherer Volumen; und zwar dank einer erfolgreichen Expansion der Marke in international Märkte oder der Einführung von neuen Produktekategorien.

Sind Global Brands nicht auch Modezyklen unterworfen und daher unberechenbar?

Tatsächlich sind neue, aufstrebende Marken riskanter als etablierte. Ein Beispiel ist Peloton im Sportbereich. Der Home-Velo-Produzent ist Zyklen mehr ausgesetzt als führende Marken wie Nike. Es ist möglich, dass das Home-Velo von Peloton nicht mehr als eine Mode während der Pandemie war.

Eine «Best in Class»-Luxusmarke jedoch, wie Hermes, war bis jetzt keinem Zyklusrisiko ausgesetzt. Sogar digitale Marken wie Alphabet, die mit Google und YouTube mehr als zwei Milliarden aktive Kunden haben, sind nur bedingt zyklisch.

Welche Global Brands sind nun für Anlegerinnen und Anleger tatsächlich lukrativ?

Am attraktivsten sind jene «Brands», die sich als globale Marktführer etablieren und die Position halten können. Die erste Phase, in der die Marke ein sehr starkes Momentum hat, ist für Aktionäre sehr interessant.

«Der Umsatz bricht ein, die Bewertung des Unternehmens reduziert sich wesentlich»

Meistens ist diese Phase durch einen starken Unternehmer geprägt, wie Elon Musk mit Tesla oder Jeff Bezos mit Amazon.

Global Brands bergen wie erwähnt auch Risiken – wenn sie etwa aus der Mode kommen oder einen Reputationsschaden erleiden (vgl. Abercrombie & Fitch); was geschieht dann mit den Investments?

Der Umsatz bricht ein, die Bewertung des Unternehmens reduziert sich wesentlich. Volkswagen ist ein Beispiel.

Inwiefern?

Nach dem Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals brach 2015 der Börsenkurs ein. Heute ist der VW-Konzern fokussiert auf die Lancierung von Elektrofahrzeugen und den künftigen Börsengang von Porsche.

Im Falle von Volkswagen war die Marke stärker als der Skandal. Doch das eindrücklichste Beispiel ist Apple. Als das Unternehmen 1997 nur noch 90 Tage von der Pleite entfernt war, kam Microsoft zur Rettung und investierte 150 Millionen Dollar. Steve Jobs kam zurück, gab Apple einen Produkteinnovationsschub und baute die Marke nachhaltig auf. Heute hat Apple die weltweit grösste Marktkapitalisierung.

Inwieweit sind Global Brands derzeit von den Lieferketten-Engpässen betroffen?

Lieferengpässe können ein weiteres Risiko darstellen, wie sich beim Kosmetikkonzern Estée Lauder zeigte: Shanghai stand wegen der Null-Covid-Strategie still. Estée Lauder konnte die Bestellungen nicht ausführen, weil das Distributionszentrum in Shanghai geschlossen war. Der Aktienpreis hat diese negative Situation reflektiert.

«Nachhaltigkeit und Innovation treiben neue Marken voran»

Bei Automobil-Marken kann das mehr oder weniger zutreffen. Wenn eine Marke stark vertikal integriert ist, können die Engpässe weniger problematisch sein, wie im Fall von Ferrari oder Tesla.

Was sind die Global Brands von morgen?

Nachhaltigkeit (Lösungen für eine bessere nachhaltige Zukunft) und Innovation (Disruption) treiben neue Marken voran. Beispielsweise bei unserem Anlage-Thema «Natural Capital» handelt es sich um eine Aktien-Strategie im Bereich der Kreislauf-Wirtschaft.

Was heisst das?

Anleger in dieser Strategie profitieren vom Mega-Trend der Zirkularisierung der Volkswirtschaften, wobei neue Geschäftsmodelle, etwa im Rahmen der «Sharing-Ökonomie» am Entstehen sind.

Ein zweites Beispiel ist die Strategie «Climate Transition». Hierbei handelt es sich um eine globale Aktien-Strategie, die in Firmen investiert, die sich auf einem erfolgreichen Entwicklungspfad zur vollständigen Vermeidung von CO2-Emissionen befinden.


Andreas Arni ist seit Anfang Dezember 2019 Leiter der Zürcher Geschäftsstelle von Lombard Odier und verantwortet darüber hinaus das Schweizer Inlandgeschäft (Swiss Domestic Market). Er schloss sein Ökonomiestudium an der Universität St. Gallen mit einem PhD ab. Zuletzt war er bei der Credit Suisse tätig, wo er neben seiner Funktion als Head of Entrepreneurs & Executives Switzerland auch Mitglied des Private Banking Management Committee Switzerland war. Zuvor war er in ähnlicher Funktion bei der UBS aktiv. Er verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung im Vermögensverwaltungsgeschäft.

 

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