Der aufflammende Konflikt in Israel bringt Schweizer Privatbanken in eine delikate Situation. Sie haben in den vergangenen Monaten massiv in die Region investiert – nun finden sich ihre Kundenberater zwischen politischen und religiösen Fronten wieder.

Bereits Anfang Woche hatte UBS-Chef Sergio Ermotti bankintern zum Konflikt in Israel Stellung genommen. In der Durchsage, welche die Bank auch auf dem Online-Dienst Linkedin öffentlich machte, hat der Chef der weltweit führenden Privatbank die Terrorakte der militanten Palästinenserorganisation Hamas zwar verurteilt. Ansonsten zeigte er sich aber sehr um eine ausgewogene Haltung bemüht.

«Die UBS wendet sich entschieden gegen jede Form von Diskriminierung, sowohl gegen Antisemitismus als auch gegen Islamophobie. Wir stehen an der Seite aller, die sich für eine rasche und friedliche Lösung einsetzen», betonte Ermotti in dem Schreiben.

Trotz des neutralen Tons hat sich der Tessiner damit vermutlich schon weit aus dem Fenster gelehnt. Auf Anfrage von finews.ch bei diversen Schweizer Privatbanken, die ansonsten gerne und ausführlich über ihre Ambitionen in der Region berichten, hielt sich die Mehrzahl der Institute mit Kommentaren zurück.

«Ein Pulverfass für Schweizer Privatbanken»

Ein langjähriger Kenner des Geschäfts mit reichen Privatkunden aus Nahost, der seinerseits nicht namentlich genannt werden möchte, zeigt sich darüber nicht verwundert. Die Situation in Israel sei auch für die Schweizer Privatbanken ein Pulverfass. «Wir kennen und bedienen beide Seiten», gibt er mit Blick auf die Fraktionen in der Region zu bedenken. «Jede Äusserung kann da als Parteinahme verstanden werden.» Entsprechend schweigen die Banken lieber.

Dies umso mehr, als im Metier die Regel gelte, mit Kundinnen und Kunden nie über Politik oder Religion zu reden. Spreche man über diesen Konflikt, so die Quelle, tue man beides zugleich. Während das richtige Verhalten gegenüber der Klientel zum Balanceakt wird, bereitet auch das operative Geschäft Kopfzerbrechen. So sorgt der Konflikt auch für Nervosität an den Finanzmärkten, wo die Private Banker das Geld ihrer Kunden anlegen.

Abseits der neuen Blöcke

«Für Vermögensverwalter ist dies eine Sorge mehr, die zu zahlreichen anderen hinzukommt», klagt der Kenner. Der Überraschungsangriff von Hamas hat die Welt erschüttert, insbesondere zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel normalisiert haben. Nun steigt die Wahrscheinlichkeit einer umfassenderen Auseinandersetzung am Golf.

Für das Swiss Private Banking wäre dies ein Alptraum. Die Branche hat in den vergangenen Monaten massiv in die Region investiert, zumal in das Emirat Dubai, wie auch finews.ch unlängst feststellte. Dies nicht nur mit dem Blick auf das wirtschaftliche Potenzial und die weltweit hohen Energiepreise, welche die Ölmilliardäre am Persischen Golf noch reicher machen. Sondern wohl auch, weil das Geschäft für die Geldhäuser in anderen hoffnungsvollen Weltgegenden wie Asien oder Osteuropa wegen des zunehmenden geopolitischen Blockdenkens und des Ukraine-Kriegs schwierig geworden ist.

Konferenz in Riad soll stattfinden

In einer aktuellen Einschätzung erwartet bei der Privatbank Lombard Odier Chefökonom Samy Chaar, dass das Wachstum der Golfstaaten 2023 zum Stillstand kommt und sich 2024 leicht erholen wird. Aufgrund von Reformfortschritten, stabilen Solvenzkennzahlen und eines starken demografischen Profils bleibe die Perspektive für die Region aber positiv. Hingegen schüre der Konflikt zwischen Israel und Hamas nun Sorgen um diesen Ausblick.

Ein erster Lackmustest und Stimmungsbarometer, wie Banken, Kapitalgeber, Wirtschaftskapitäne und Investoren mit den Unwägbarkeiten in der Region umgehen, dürfte sich schon bald auf der jährlichen Investorenkonferenz Future Investment Initiative (FII) in Saudi-Arabien zeigen. Sie findet nächste Woche vom 24. bis 26. Oktober statt. Mehr als 5'000 Personen haben sich für die Konferenz in Riad angemeldet. Aus Kreisen der Organisatoren ist zu hören, dass die FII wie gewohnt stattfinden wird und es bisher kaum Absagen aufgrund der aktuellen Ereignisse gegeben hat.

Dies könnte sich aber noch ändern, da die Konferenzteilnehmer möglicherweise noch abwarten, wie sich die Lage in Israel und Gaza entwickelt.

Optimistisch in Dubai
 
Auch im Finanzmekka Dubai ist die Lage ruhig. So gab die Dubai Chambers Anfang der Woche die ersten Namen der Gastredner für das Dubai Business Forumbekannt, das vom 1. bis 2. November 2023 im Madinat Jumeirah stattfinden wird. Neben Wirtschaftsführern, Branchenexperten und Innovatoren aus aller Welt werden an diesem Forum auch Vertreter der Finanzindustrie über die Zukunft der Weltwirtschaft sprechen.

Wie Quellen vor Ort berichten, neigt die Banking-Community im Dubai International Financial Centre (DIFC) weiterhin zum Optimismus. So weiss man dort zu schätzen, dass sich Dubai in den vergangenen Jahren wirtschaftlich geschickt positioniert wie auch als Vermittler in der Region an Glaubwürdigkeit gewonnen hat. Diese Haltung sei vom Westen wohlwollend zur Kenntnis genommen worden.

Lapidarer drückt es ein andere Quelle aus: «Wer zerstört schon das Haus, in dem sein Vermögen geparkt ist?» Schliesslich würden in Dubai auch Kundengelder aus Israel, dem Libanon, aber auch der Türkei, Russland und China verwaltet.

Sicherheitsmassnahmen auch bei Julius Bär

Weiter entfernt, in den Zürcher Zentralen der UBS und der Privatbank Julius Bär, macht man sich dennoch Sorgen um die Sicherheit von Mitarbeitenden und Kunden. So hat die Grossbank als vorsorgliche Massnahme vorübergehend Einschränkungen in den Mittleren Osten erlassen. Ebenfalls sind alle Anlässe der Bank in der Region von Verschiebungen betroffen. Bei Julius Bär wiederum hiess es auf Anfrage: «Wir beobachten die Situation sehr genau und haben entsprechende Sicherheitsmassnahmen getroffen, dazu gehören auch Reisebeschränkungen.» 

Auch die Deutschen Bank, die in der Schweiz einen wichtigen Buchungshub für weltweite Vermögen unterhält, trägt der veränderten Lage Rechnung. «Wir beobachten die Situation sehr genau und stehen im engen Kontakt mit unseren Mitarbeitenden», sagt eine Sprecherin zu finews.ch.

Solide Geldquelle

Neben Menschenleben steht in der Region auch handfestes Geschäft auf dem Spiel. Bei den meisten international tätigen Schweizer Privatbanken gilt der Nahe Oste als stategischer Markt. Beim Branchenprimus UBS lag das Wachstum der Gebühren-generierenden Vermögen in der Region Europa, Nahost und Afrika (Emea) im zweiten Quartal 2023 bei 5,9 Prozent und damit deutlich über dem Schnitt der gesamten Vermögensverwaltung-Sparte GWM. In absoluten Zahlen flossen der Grossbank aus der Emea-Region 4 Milliarden Dollar an Gebühren-generierenden Geldern zu.

Die Julius Bär Gruppe, die im ersten Halbjahr 7,1 Milliarden Franken an Neugeld einsammelte, sprach ihrerseits von «stabilen Zuflüssen» aus Nahost.

Die Dynamik beim Neugeld deckt sich mit dem Bild, dass Reichen-Reports wie jene der Beratungsfirma Capgemini malen. Die Berater stellen in ihrer aktuellen Studie fest, dass die Region neben Lateinamerika und Afrika die einzige Weltgegend war, in der das Vermögen von Superreichen (UHNWI) im Jahr 2022 zugenommen hatte. Doch auf die solide sprudelnde Neugeld-Quelle kann sich das Swiss Banking nicht mehr fest verlassen.


Mitarbeit: Thomas Pentsy, Samuel Gerber

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