Das Homeoffice und hybride Lehrgänge hätten sich in der Pandemie bewährt, auch wenn Kritiker zu Recht einwendeten, dass sich dadurch die Grenze zwischen Privat- und Arbeitsleben auflöse, sagt Markus Bürgi, Chief Operating Officer am Swiss Finance Institute, im Interview mit finews.ch.


Herr Bürgi, hat die Corona-Pandemie das Ausbildungsangebot des Swiss Finance Institute (SFI) beeinträchtigt?

Inhaltlich ist unser Ausbildungsangebot, basierend auf dem zeitgemässen Master-Class-Ansatz, bereits auf einem sehr hohen Niveau angesiedelt und deckt die relevanten Branchenthemen umfangreich ab.

Im Rahmen der Pandemie hat sich hingegen der formale Rahmen hin zu digitalen oder hybriden Durchführungen noch einmal deutlich akzentuiert. Inzwischen sind diese neuen Formen der Interaktion breit anerkannt und etabliert. Das zeigt sich deutlich in den durchwegs positiven Rückmeldungen und Anmeldezahlen, die uns erreichen.

Haben Sie Ihr Ausbildungsangebot thematisch in irgendeiner Weise an die Erfahrungen aus der Coronakrise angepasst? Gibt es völlig neue Themen, die in Ihr Programm Eingang finden?

Ein wesentlicher Vorteil unserer Master Classes besteht darin, dass wir keine starren Ausbildungsmodule anbieten. Unsere Weiterbildungsangebot ist im Gegenteil so angelegt, dass wir jederzeit agil auf neue Entwicklungen reagieren und diese zeitnah in unser Programm einfliessen lassen können.

«Wir begleiten diese ‹Master Class Community› fortlaufend über unsere digitalen Kanäle»

Insofern haben wir natürlich auch die Pandemie und ihre Auswirkungen auf das Bankgeschäft aktiv thematisiert.

Wie konnten Sie während der vergangenen zwölf Monate den Kontakt zu Ihren Studierenden Teilnehmenden aufrechterhalten?

In der Regel ist es so, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an unseren Master Classes eng untereinander sowie mit unserem Professoren vernetzen und oftmals im Rahmen der regelmässig stattfindenden Classes wieder zusammenkommen.

Wir begleiten diese «Master Class Community» fortlaufend über unsere digitalen Kanäle.

Wird das Online-Learning in Zukunft einen grösseren Bestandteil in ihrem Ausbildungsangebot einnehmen?

Wir werden in der Tat auf den guten Erfahrungen, die wir in den vergangenen Monaten mit digitalen Weiterbildungsformaten gemacht haben, weiter aufbauen und diese – wo sinnvoll und nachgefragt – weiterentwickeln. Als Forschungsinstitution treibt uns dabei natürlich auch hier eine grosse Bereitschaft und Offenheit für Neues.

Wie haben die Professorinnen und Professoren auf die Umstellungen und Veränderungen in den vergangenen zwölf Monaten reagiert?

SFI-Professoren sind aufgrund ihrer internationalen Vernetzung, die den Einsatz digitaler Kommunikationsmittel seit jeher erforderte, mit der Handhabung derselben bestens vertraut.

«Unsere Professorinnen und Professoren haben da kein Neuland betreten müssen.»

Die Pandemie und ihre Auswirkungen auf das Finanzwesen – insbesondere mit Blick auf die langfristige Zukunft – rasch und im Detail zu analysieren, liegt in der Natur unserer Forschung. Insofern haben sich unsere Professorinnen und Professoren in den letzten Monaten intensiv damit befasst.

Wurde die Forschung in irgendeiner Weise beeinträchtigt?

Auf die Grundlagenforschung hat die Pandemie keine grosse Auswirkung. Die Interaktion zwischen den Forschenden, die ja oftmals über grosse Distanzen und über verschiedene Zeitzonen hinweg erfolgt, war schon immer geprägt von digitalen Kommunikationsformen.

Unsere SFI-Professoren haben da kein Neuland betreten müssen.

Wie wird die Corona-Pandemie langfristig die Arbeitsweise in der Finanzbranche verändern?

Da schliesse ich nichts aus, obwohl sich gezeigt hat, dass der persönliche, zwischenmenschliche Kontakt am Arbeitsplatz von grosser Bedeutung für unser psychisches Wohlbefinden ist. Klar ist aber, dass sich das Homeoffice in der Pandemie bewährt hat, auch wenn Kritiker zu Recht einwenden mögen, dass sich dadurch die Grenze zwischen Privat- und Arbeitsleben auflöst.

Diesem Umstand gilt es, durch eine entsprechende Unternehmenskultur und durch klare Abgrenzungen im Interesse sowohl von Arbeitnehmern als auch von Arbeitgebern Rechnung zu tragen.

Wie hat die Schweizer Finanzbranche aus Ihrer Sicht die Corona-Pandemie bis jetzt bewältigt?

Auf der operativen Ebene würde ich der Schweizer Finanzindustrie generell, und speziell den Beschäftigten, eine sehr gute Note ausstellen. Die Umstellung auf das Homeoffice-Regime erfolgte zeitnah und aus meiner Sicht relativ problemlos. Auch aus Kundensicht verdienen unsere Banken Lob: Zum einen hat sich gezeigt, dass die hohe Dienstleistungsqualität im Tagesgeschäft beibehalten werden konnte.

«Es wird nun darum gehen, das Firmenkundengeschäft in die Digitalisierung zu überführen»

Zum anderen haben sie durch die rasch verfügbaren Notkredite die fortlaufende Kreditversorgung gesichert und damit einen wichtigen Beitrag zur Pandemie-bedingten volkswirtschaftlichen Schadensbegrenzung geleistet.

Welche Veränderungen sehen Sie bei den Banken aufgrund der beschleunigten Digitalisierung seit Corona?

Die zunehmende Digitalisierung der Finanzindustrie, die sich in der Pandemie in der Tat noch einmal deutlich akzentuiert hat, beobachten und analysieren wir am SFI sehr genau. Unsere aktuelle Studie unter dem Titel «Digital Pulse Check» zeigt klar, dass die Schweizer Banken ihr Dienstleistungsangebot im Retail-Geschäft Schritt für Schritt digitalisieren und dieses aus Sicht ihrer Kunden neu denken.

«Umfragen sind immer auch ein Taktmesser»

In einer nächsten Phase wird es nun darum gehen, auch das Firmenkundengeschäft verstärkt in die Digitalisierung zu überführen.

Das SFI beteiligt sich seit vielen Jahren an der Umfrage über die Berufsaussichten in der Finanzbranche. Was versprechen Sie sich davon?

Umfragen sind immer auch ein Taktmesser, und wir wollen uns am Puls der Finanzindustrie orientieren. Insofern ist es nur folgerichtig, unsere wichtigste Zielgruppe regelmässig zu befragen.

Die Kernaufgabe des SFI ist der Aufbau von Wissenskapital. Dazu gehört eine konsequente Ausrichtung an den Bedürfnissen der Beschäftigten in der Finanzindustrie.


Markus Bürgi ist Chief Financial and Operating Officer am Swiss Finance Institute (SFI). Er besitzt einen Master-Abschluss in Banking & Finance und promovierte in den Bereichen Bankenregulierung, bedingtes Kapital sowie Informationsökonomie an der Universität Zürich. Bevor er seine aktuelle Funktion am SFI wahrnahm, war er für zahlreiche SFI-Aus- und Weiterbildungsangebote verantwortlich und für die UBS in der Fixed-Income-Analyse tätig.