Kleinanlegerinnen und -anleger in Private Equity sind ohne Schutz der Finanzmarktaufsicht übermässigen Risiken ausgesetzt, schreibt Elif Aktug, die erste Partnerin in der Geschichte der Genfer Pictet-Gruppe, in einem Gastbeitrag auf finews.ch.

In einer Zeit hoher Börsenbewertungen und niedriger Zinsen suchen – und finden – Anlegerinnen und Anleger zunehmend Wege, sich stärker an sogenannten «alternativen» Anlagen, insbesondere Private Equity, zu beteiligen.

Diese Demokratisierung der privaten Märkte ist durchaus berechtigt. Denn warum sollten professionelle Anleger ein Monopol auf eine Anlageklasse haben, die sich durch eine hohe Performance und Diversifizierung auszeichnet?

Die Frage ist nicht, «ob» dieser Prozess stattfinden sollte, sondern «wie» – in welchem Umfang und mit welchen Sicherheitsvorkehrungen? Und ob die Regulierungsbehörden die damit verbundenen Risiken angemessen berücksichtigt haben, insbesondere in Anbetracht der einzigartigen Merkmale des aktuellen Anlagezyklus', der durch die ausserordentliche lange schon dauernde Tiefzinspolitik vieler Zentralbanken?

Zugang erleichtern

Es gibt eine Reihe von Initiativen, die sowohl von Anlegern als auch von Aufsichtsbehörden ausgehen und darauf bedacht sind, den Zugang zu privaten Märkten zu erleichtern. Einige Privatanleger versuchen, sich einfach durch den Kauf von Aktien börsennotierter Private-Equity-Unternehmen zu engagieren. Andere nutzen Private-Equity-Investment-Trusts, um sich zu beteiligen. Und dann gibt es noch Technologie-Plattformen, die es Privatpersonen ermöglichen, bereits ab 50'000 Franken direkt in Private-Equity-Feeder-Fonds zu investieren.

Die Motive der Kleinanlegerinnen und -anleger sind nachvollziehbar. Die Möglichkeiten für traditionelle Aktien werden immer geringer. Manche Unternehmen haben sich von der Börse zurückgezogen, während wachstumsstarke Firmen länger privat bleiben.

Covid-Korrektur

Dies spiegelt sich im Wachstum der Branche und den von ihr erzielten Renditen wider. Trotz einer anfänglichen «Covid-Korrektur» im vergangenen Jahr hat die Private-Equity-Branche in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres mit 6'298 Deals im Wert von 500 Milliarden Dollar einen 40-Jahres-Rekord aufgestellt, wie aus den Zahlen des Datenanalyse-Unternehmens Refinitiv hervorgeht.

Auch die Regulierungsbehörden haben hinter den Kulissen gearbeitet. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und folgen dem jüngsten Trend zur Deregulierung. Dies hat Kleinanlegern einen direkten Zugang zur Finanzwelt ermöglicht, vom Handel mit Wertpapieren über die Robinhood-App bis hin zu Kryptowährungen über das Fintech Revolut etwa.

Übermässige Liquidität der Zentralbanken

In Europa haben die politischen Entscheidungsträger langfristige Investmentfonds geschaffen – und überprüfen diese Regelung derzeit – mit dem Ziel, Sparern in beitragsorientierten Pensionsfonds und nicht-professionellen Anlegern einen direkteren Zugang zu Geschäften zu ermöglichen, die langfristiges Kapital erfordern. In der Zwischenzeit arbeiten die Regulierungsbehörden etwa in Grossbritannien an einer ähnlichen Regelung, um Pensionsfonds-Sparern und nicht-professionellen Anlegern Zugang zu alternativen Anlageklassen zu ermöglichen.

Auf der anderen Seite des Atlantiks haben regulatorische Änderungen den sogenannten Kleinanlegern den Zugang zu Private Equity über ihre beitragsorientierten Pensionspläne (401(k)) ermöglicht.

Das Ergebnis ist ein neuer und wachsender Kapitalfluss in die privaten Märkte. Ein grosser Teil davon kommt von Investorinnen und Investoren, für die Private Equity bis vor kurzem noch weitgehend unerreichbar war. Theoretisch klingt dies alles nicht besonders problematisch. Allerdings geschieht dies nicht im luftleeren Raum, sondern in einem Umfeld, das von den Zentralbanken mit übermässiger Liquidität angeheizt wird.

Es gibt keine Alternative

In dieser späten Phase des Konjunkturzyklus' fühlt sich die öffentliche Nachfrage nach privatem Beteiligungskapital eindeutig nach TINA (There Is No Alternative) an, dem Wall Street-Akronym, das die unerklärliche Beliebtheit von Vermögenswerten beschreibt, die bereits teuer sind.

Die Bewertungen von Buyout-Geschäften sind bereits auf einem historisch hohen Niveau. Die weitere Öffnung dieser Anlageklasse für Kleinanleger wird lediglich dazu führen, dass noch mehr Mittel zu den bereits beträchtlichen Kapitalpools hinzukommen, die nach investierbaren Vermögenswerten suchen. Künftig dürften auch die sinkende Liquidität der Märkte und die höheren Zinsen drastische Auswirkungen auf Produkte wie Private-Equity-Fonds haben, die mit hohen Fremdkapitalanteilen unterlegt sind.

Abgesehen vom längerfristigen Engagement, das für solche Produkte erforderlich ist, gibt es auch technische Aspekte von Private Equity, mit denen viele neue Anlegerinnen und Anleger nicht vertraut sind. Da Private-Equity-Firmen dazu neigen, die Kosten zu Beginn einer Investition in ein Unternehmen vorwegzunehmen, müssen Kleinanleger berücksichtigen, wie sich die Fonds über einen Zyklus hinweg entwickeln könnten.

Nicht immer durchschaubar

Für Personen mit geringen Ersparnissen und einem Bedarf an Liquidität ist eine Investition in diese Anlageklasse einfach nicht ratsam. Ungeübte Anleger benötigen auch ein klares Verständnis der Gebühren für Private Equity, die nicht immer transparent sind.

Es ist unvermeidlich, dass der Demokratisierungsdruck weiter zunehmen wird. Bei richtigem Umgang damit kann dies positiv sein. Es ermöglicht den Anlegern, ihre Portfolios zu diversifizieren und – potenziell – bessere Renditen zu erzielen. Der nächste zyklische Abschwung könnte jedoch überproportionale Auswirkungen auf Anleger haben, die nicht so gut darauf vorbereitet sind. Private-Equity-Investitionen von Kleinanlegern, die wenig oder gar nicht beraten werden, führen aufgrund ihrer geringen Vorkenntnisse wahrscheinlich nicht zum Erfolg.


Elif Aktug ist seit 2021 geschäftsführende Gesellschafterin der Pictet-Gruppe und leitet Pictet Alternative Advisors gemeinsam mit Bertrand Demole. Sie ist auch Vorsitzende des Verwaltungsrats der Pictet Alternative Advisors Holding. Bevor sie zur Managing Partnerin ernannt wurde, war sie Leiterin des Total Return Agora-Teams von Pictet Asset Management und Lead Managerin der Agora-Strategie (mit Hedgefonds). Bevor sie 2011 zu Pictet kam, war sie Managing Director bei Goldman Sachs in London. Sie hat einen MBA von der Stanford Graduate School of Business und einen Abschluss in Finanzwesen vom Institut d'Etudes Politiques de Paris.

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