An seiner letzten UBS-Generalversammlung wird Sergio Ermotti trotz seiner Erfolge als CEO der grössten Schweizer Bank nicht im Applaus der Aktionäre baden können. Der Anlass findet virtuell statt. War seine Zeit bei der UBS zuletzt besonders ereignisreich, erwarten ihn an seinem neuen Arbeitsort noch grössere Herausforderungen. 

Wenn sich Sergio Ermotti am (heutigen) Mittwoch zum letzten Mal den Fragen und der Kritik der UBS-Aktionäre stellt, werden diese nicht dabei sein. Wie die meisten Firmen in der Schweiz führt auch die Grossbank ihre Generalversammlung aufgrund der Corona-Pandemie virtuell durch – womit Ermotti die Chance entgeht, vor einer mit UBS-Eignern gefüllten Messehalle Bilanz über seine neun Jahre als Chef zu ziehen. 

Über die Leistungen und Fehler Ermottis als CEO der grössten Schweizer Bank haben die Medien schon viel geschrieben – auch weil es ihm zufiel, die Konsequenzen aus manchen Fehlern der Vergangenheit zu ziehen. Diese Aufgabe hat er nicht ganz erfüllen können. Er hinterlässt seinem Nachfolger Ralph Hamers eine schwere Altlast

Hart getroffen

Auch bei seinem nächsten Arbeitgeber warten einige Knacknüsse auf ihn: Vor zwei Wochen wurde er von 95,1 Prozent der Swiss-Re-Aktionäre in den Verwaltungsrat des Rückversicherers gewählt. In einem Jahr soll er dort Walter Kielholz, der mit 70 pensioniert wird, als Präsident ablösen. 

Doch die Corona-Pandemie, welche die UBS-Generalversammlung in den virtuellen Raum gedrängt hat, wird alle Rückversicherer hart treffen, wie Analysten der Ratingagentur Moody's kürzlich feststellten. Über Firmen wie die Swiss Re schützen sich (Direkt-)Versicherer ihrerseits gegen hohe Schadensforderungen. 

Olympisches Problem

«Obwohl die globalen Rückversicherer das Jahr mit soliden Kapitalpolstern abgeschlossen haben, werden Verluste aus Pandemie-Engagements und Schäden aus aussergewöhnlichen Ereignissen und aus US-Unfallversicherungen künftige Resultate schwächen, selbst wenn die Preise vorteilhaft bleiben», schrieben Moody's-Analysten unter der Leitung von Siddhartha Ghosh.

Grossanlässe wie die Olympischen Spiele in Tokio, wo Swiss Re laut eigener Aussage mit 250 Millionen Dollar im Risiko ist, sind ein erhebliches Problem. Aber eine Krise wie die Corona-Pandemie mit den zugehörigen drastischen Gegenmassnahmen trifft alle Geschäftsbereiche der Versicherer. 

Hausgemachte Skandale

«Zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir die Krise als absolut tragbar», sagte Kielholz vor zwei Wochen. «Unser Geschäft bleibt widerstandsfähig. Wir haben unser Kapital immer sorgfältig verwaltet und tun dies auch weiterhin.» Die Swiss Re setzte unter anderem auch ein Aktienrückkaufsprogramm aus, um so Kapital für härtere Zeiten vorrätig zu haben. 

Die Unsicherheit, mit der sich die Swiss Re konfrontiert sieht, bietet Ermotti eine neue Chance, sich als Krisenmanager zu beweisen. Bei der UBS musste er mit einer Serie von hausgemachten Skandalen zurechtkommen, darunter die Manipulation von Zinssätzen, Edelmetall- und Währungsmärkten sowie verschiedene Steuerverfahren. Beim Rückversicherer steht ihm eine ungewissere Herausforderung bevor – die langfristigen Auswirkungen der Pandemie liegen komplett im Dunkeln. 

Zwölf Monate

Ermotti ist ein erfahrener Investmentbanker, kein Mathematiker oder Aktuar. Nun hat er zwölf Monate Zeit, um sich von Kielholz in seinen neuen Job einarbeiten zu lassen. Letzterer ist ein Veteran des Versicherungsgeschäfts, der immer wieder auch Gastspiele bei Banken gab, darunter sechs Jahre als Präsident der Credit Suisse. 

Für die Geschäftsaussichten der Swiss Re hängt vieles davon ab, ob Grossanlässe wie die Olympischen Spiele abgesagt oder nur verschoben werden. Die Sommerspiele in Tokio, die im kommenden Juli hätten beginnen sollen, wurden bereits auf 2021 verschoben, könnten nun aber auch komplett ausfallen – womit die Swiss Re eine höhere Rechnung zu bezahlen hätte. 

Nicht immer einfach

Für den zweitgrössten Rückversicherer der Welt liegt der Schlüssel in der erfolgreichen Erneuerung der laufenden Verträge. Dabei werden jeweils neue Preise und Vertragsbedingungen festgelegt. Sie dienen als Gradmesser für das Geschäft. Im bisherigen Jahresverlauf waren die Erneuerungen vorerst erfolgreich. Die Swiss Re wird am (morgigen) Donnerstag bei der Präsentation der Quartalszahlen ein entsprechendes Update veröffentlichen. 

Neben möglichen Schäden wie einer Absage der Olympischen Spiele sind Rückversicherer auch über Kreditversicherungen oder über die Deckung von Geschäftsunterbrüchen exponiert – wo auch ohne physischen Schaden eine Zahlung fällig werden kann. 

Doch Ermotti, der nächsten Monat 60 wird, dürfte diese neue Herausforderung nicht schrecken. Gegenüber den UBS-Angestellten sagte er unlängst, seine neun Jahre an der Spitze seien «nicht immer einfach» gewesen. «Aber dank Euch allen und vielen unserer ehemaligen Kollegen ist unser Unternehmen heute in grossartiger Verfassung.» Es bleibt zu hoffen, dass er am Ende seiner Zeit als Swiss-Re-Präsident ähnliche Töne wird anschlagen können.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.22%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
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  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
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  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
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  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
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