Nach einem ungewöhnlichen Urteil des Bundesgerichtes muss die Credit Suisse Millionen an eine höchst illustre Kundin zurückzahlen. Ein vermeintlicher Freund hatte sie betrogen und eine Luxusvilla gebaut.

Wo Laure Boulay de la Meurthe in den 1980-er und 1990-er Jahren auftauchte, ging das Blitzlicht-Gewitter los. Als Enkelin der Prinzessin von Orléans hatte sie zwar von Geburt an einen gewissen Bekanntheitsgrad.

Ihre Liaison mit dem britischen Mulitmilliardär und Politiker Sir Jimmy Goldsmith (Bild unten) machte die Gräfin von Paris dann zur Celebrity.

Goldsmith selber war eine «larger than life»-Figur: Playboy, Erbe, Selfmade-Milliardär, Tycoon, Europa-Abgeordneter, Firmenraider – «Sir Larry Wildman», ein Figur im legendären Film «Wall Street», war von Goldsmith inspiriert worden.

Ungewöhnlicher Fall, ungewöhnlicher Ausgang

Er starb 1997 und hinterliess Boulay und den zwei Kindern, die er mit ihr hatte (Sir Jimmy hatte acht Kinder von drei Frauen) ein beachtliches Vermögen. Boulay zog an den Genfersee. Ihr Vermögen lag fortan bei der Credit Suisse (CS).

James Goldsmith a la sortie de la boite de nuit en Angleterre "Annabelles" avec Lady Aspinall en janvier 1988 --- Jimmy Goldsmith coming from "Annabelles" nightclub in England with Lady Aspinall january 1988 (KEYSTONE/RUE DES ARCHIVES/AGIP)

(Bild: Keystone)

Und die CS muss nun, nach einem Entscheid des Bundesgerichtes, 11 Millionen Euro plus seit 2013 aufgelaufene Zinsen an die 69-jährige Gräfin zurückzahlen. Das Portal «Gotham City» berichtete als erstes über den Entscheid.

Es ist ein ungewöhnlicher Fall mit einem ungewöhnlichen Ausgang: Boulay hatte die CS verklagt, weil die Bank es zugelassen hatte, dass ein mit einer Vollmacht versehener «Freund der Familie» insgesamt 13 Millionen Franken von den Konten der Gräfin abzog. Insgesamt soll der Mann über 45 Millionen Euro (damals 55 Millionen Franken) von der Gräfin ertrogen haben.

Lesart des Bundesgerichts ist eine andere

In der Regel sind Banken in solchen Fällen nicht haftbar. Sind Handlungen in Konti und Geldtransaktionen durch eine unbeschränkte Vollmacht gedeckt, liegt es nicht an der Bank, diese Transaktionen zu analysieren und zu prüfen, ob die Handlungen im Interesse des Kontoinhabers sind.

Laure Boulay hatte aber eine solche Vollmacht über ihre Konten erteilt. Ihre erste Klage wurde von einem Genfer Gericht im Jahr 2017 abgewiesen, und auch eine Berufung lehnte die Zivilkammer des Gerichtshofs des Kantons Genf ab.

Das Bundesgericht drehte nun den Entscheid um: die CS muss zahlen. Die Bank habe den Entscheid zur Kenntnis genommen, teilte sie mit. Die Lesart des Bundesgerichtes zu diesem Fall war offenbar eine andere – und dies muss nicht nur die CS hellhörig machen, sondern die Wealth-Management-Szene insgesamt.

Unbeschränkte Vollmacht

Nicht das besonders dreiste Vorgehen des Bevollmächtigten veranlasste das Bundesgericht zu seinem Urteil, sondern mangelnde Abklärungen der CS – und ein Interessenkonflikt.

Was war geschehen? Jean-Claude Cochi war seit über zwei Jahrzehnten im Gefolge der Überfigur Goldsmith gewesen. Nach dessen Tod hatte er sich mehr und mehr in die Verwaltung von Boulays Vermögen eingemischt und war mit ihr 2004 in die Schweiz gezogen.

Der CS stellte die Gräfin Cochi als «langjährigen Freund» und als «Vertrauensperson» vor. Ein Jahr später erteilte die Goldsmith-Witwe Cochi eine unbeschränkte Vollmacht über alle ihre Konten.

Dieser dankte es. Knapp 55 Millionen Franken zog er von den Boulay-Konten ab. Er versteckte seinen neuen Reichtum nicht. Er machte die CS zu seiner Hausbank.

Hypothekarkredit bei der CS

13 Millionen Franken auf eigenen Konten dienten der Schweizer Grossbank als Sicherheit für einen Hypothekarkredit. Cochi, inzwischen auch mit Boulevard-Magazinen in Frankreich tätig, kaufte sich 2008 oberhalb von Villars ein frisch renoviertes Chalet mit 60'000 Quadratmeter Umschwung. Er liess es abreissen und baute für 30 Millionen Franken ein Luxusanwesen.

Den Kredit erhielt er vom selben Bankberater der CS, der für die Konten von Laure Boulay zuständig war – ein Interessenkonflikt, wie das Bundesgericht festhielt.

Tatsächlich soll eine mögliche Veruntreuung CS-intern diskutiert worden sein, doch es geschah nichts. Das Bundesgericht hielt dagegen fest, die CS hätte reagieren und die Gräfin warnen müssen. Mit den Worten des Bundesgerichts: Die CS hätte sich nicht auf den Inhalt der Vollmacht beziehen dürfen, sie hätte die Transaktionen prüfen müssen.

CS mit aller Härte

Boulay bemerkte die abgeflossenen Millionen auf ihren Konten, als sie die Verwaltung einem Family Office übergeben wollte. Sie verklagte Cochi wegen Betrug und die CS auf Schadenersatz.

Die CS ging ihrerseits mit aller Härte gegen Cochi vor. Denn kaum war er in die Villa eingezogen, hörte er auf, seine Rechnungen zu bezahlen; unter anderem 6,7 Millionen Franken an Hypothekarschulden bei der CS.

Die Bank zückte alle Register: Beschlagnahmung von Vermögenswerten und seines Monatsgehaltes von 12'500 Euro – Cochi war Präsident der Messageries lyonnaises de presse (MLP), einer französischen Vertriebsorganisation für Presseerzeugnisse – sowie Beschlagnahmung von zwei Dritteln seiner Firma, über die er die Zeitschriften gekauft hatte. Das Unternehmen ging 2015 konkurs.

Wink mit dem Zaunpfahl

Auch Pariser Gerichte beschäftigte Cochi: Ende 2019 bestimmte ein Verwaltungs-Berufungsgericht, er habe für nicht deklarierte Einkommen Steuern nachzuzahlen.

Die Zahlung von 11 Millionen Euro plus Zinsen ist für die CS finanziell gesehen ein Pappenstiel. Doch ist der Bundesgerichts-Entscheid auch ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass Banken ihre Kontroll- und Sorgfaltspflichten ernster nehmen müssen. Vollmacht hin oder her.

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