Zwei Kundenberater der amerikanischen Bank J.P. Morgan haben eine 94-jährige Rentnerin ausgenommen – und müssen nun bezahlen. Die beiden waren die Enkel ihres Opfers.

Es wäre eine fürs Private Banking eher alltägliche Geschichte: Berater scheffeln mit unnötigen und intransparenten Transaktionen hohe Kommissionen, die Performance des Kundenportfolios leidet, der Kunde beschwert sich, die Bank wehrt ab – und muss anschliessend klein beigeben und den Kunden entschädigen.

So lief es mit Beverly Schottenstein, einer Kundin beim US-Bankriesen J.P. Morgan. Wie die US-Regulierungsbehörde Finra in diesen Tagen mitteilte, müssen zwei Broker und J.P. Morgan der 94-jährigen Florida-Rentnerin die erkleckliche Summe von 19 Millionen Dollar zurückzahlen.

J.P. Morgan geht auf Distanz

Das aussergewöhnliche an der Geschichte ist: die beiden Broker sind die Enkel von Schottenstein. Sie haben ihre Grossmutter betrogen, ihre Unterschrift gefälscht, nicht autorisierte Investments getätigt, Unterlagen vernichtet und ihre treuhänderischen Pflichten grob verletzt, wie die Finra nach einem längeren Schiedsgerichtverfahren festgehalten hat.

J.P. Morgan, der Arbeitgeber der beiden Enkel, ist gemäss Finra mitverantwortlich und hat die Kontrollpflichten verletzt. Die Bank tat, was alle Banken in solchen Fällen für gewöhnlich tun. Die Brüder wurden entlassen und als «Irrläufer» einer Organisation dargestellt, die für deren Vorgehen nicht verantwortlich gemacht werden kann.

«Die Berater sind nicht mehr für das Unternehmen tätig», teilte eine Sprecherin von J.P. Morgan gegenüber der Nachrichtenagentur «Bloomberg» mit. «Ihre Handlungen repräsentieren die Werte des Unternehmens nicht. Die Brüder sind hingegen der Meinung, nichts Falsches getan zu haben, im Gegenteil, die Millionen ihrer Grossmutter hätten sie vermehrt.

Fass zum Überlaufen gebracht

Für ihre Grossmutter begannen sie bei J.P. Morgan ab dem Jahr 2014 zu arbeiten. Beverly Schottenstein gehört zur einer Familien-Dynastie im US-Bundesstaat Ohio, die ein Retail-Imperium aufgebaut hat. Ihr Vermögen beläuft sich auf rund 80 Millionen Dollar.

Im Juni 2019 hatte sie genug: Ihre Enkel hatten Millionen von Dollar in riskante Investments gesteckt und dabei hohe Kommissionen in Rechnung gestellt. Sie hatten das Fass zum Überlaufen gebracht, nachdem es bereits zu Vorfällen gekommen war wie fehlende Konto- und Transaktions-Belege, unerklärlich hohe Kreditkarten-Gebühren und die Vernichtung von Bankbelegen.

Familienzusammenhalt riskiert

Beverly Schottenstein nahm sich ein Anwaltsteam, um von ihren Enkeln und von J.P. Morgan entgangene Millionen zurückzuholen: 69 Millionen Dollar, so lautete ihre ursprüngliche Forderung.

Die Florida-Residentin riskierte dabei den Zusammenhalt ihrer Familie. Sie hatte bereits vor ihrem Entscheid, ihren Fall bei der Finra anzumelden, Gelder von J.P. Morgan weg transferiert. Die Familie wusste von ihrem Verdacht gegen ihre Enkel, wollte dies aber weiterhin als Familienangelegenheit behandeln.

Gemäss dem Finra-Urteil schoben die beiden Enkel zwischen 2015 und 2018 Hunderte von Millionen in Transaktionen hin und her und tätigten extrem komplexe und hochriskante Investments in der Höhe von 72 Millionen Dollar; 10 Millionen Dollar gingen dabei verloren. Viele der Transaktionen seien nicht autorisiert gewesen, die Enkel hätten Emails gefälscht – ihre Grossmutter besass gar keinen Computer.

Immer mitverdient: J.P. Morgan

J.P. Morgan verdiente daran: als Broker oder Market Maker. Die Transaktionen seien profitabel für die Kundin gewesen, so die Bank. Die Aufsicht über die Broker habe funktioniert, diese hätten die vereinbarte Anlagestrategie eingehalten. Ihrer Kundin seien Gebühren erlassen worden, und sie habe Vorzugspreise für Handelsgebühren erhalten. Gegenüber der Finra bezeichnete J.P. Morgan das Ganze als «Familien-Seifenoper», mit der die Bank nichts zu tun habe.

Dokumente zeigen, dass Beverly Schottenstein bei J.P. Morgan als «aggressive Investorin» klassifiziert war – eine über 90-jährige Rentnerin. Die Bank stoppte die Enkel zwar in Einzelfällen, erlaubte aber beispielsweise Private-Equity-Investments über Millionenbeträge, die für Jahre hinweg illiquide sein würden.

Nun muss J.P. Morgan gemäss Finra über 4,7 Millionen Dollar an Beverly Schottenstein bezahlen sowie die Gelder aus den Private-Equity-Fonds. Erledigt ist der Fall damit aber nicht. Ein Gericht in Miami muss den Finra-Entscheid in ein Urteil wandeln – es sei denn, die Parteien einigen sich noch aussergerichtlich.

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