Seine vor wenigen Jahren gegründete Bank kommt jetzt langsam auf Touren. Dies in einer Zeit, in der sich die Schweizer Finanzbranche im totalen Umbruch befindet. Für Michael «Mike» Bär ist das eine enorme Chance, obschon er im Gespräch mit finews.ch das Verschwinden der Credit Suisse als eine grosse Katastrophe für den Schweizer Finanzplatz bezeichnet.  

Michael «Mike» Bär gehört zu einer besonderen Spezies von Bankern. Nach eigenem Bekunden liebt er das Bankgeschäft. Ein solches Bekenntnis ist ungewöhnlich in einer (Finanz-)Welt, die von kurzfristiger Gewinnoptimierung und opportunistischen Entscheidungen geprägt wird.

Diese Leidenschaft war es auch zu einem grossen Teil, die ihn vom völlig durchstrukturierten Alltag in einer klassischen Bank wegtrieb – ihn, immerhin der Urenkel des Zürcher Bankgründers Julius Bär. Doch so kam es, dass Mike Bär nach langen Jahren bei verschiedenen Arbeitgebern in der in- und ausländischen Bankbranche schliesslich gegen Ende 2018 sein eigenes Geldhaus gründete: die MBaer Merchant Bank.

Erfahrungen vom Marathon

Kaum war das Unternehmen so richtig in Fahrt gekommen, durchkreuzte die Corona-Welle dessen (Geschäfts-)Pläne. Dem seit vielen Jahren leidenschaftlichen Marathon-Läufer Bär kamen gerade damals seine Erfahrungen bei den langen Läufen zugute: «Ruhig bleiben, am Ziel festhalten und das, was nicht veränderbar ist, als gegeben akzeptieren».

So reflektiert er heute im Gespräch mit finews.ch die nicht einfach Zeit der Pandemie und des Firmenaufbaus. Diese Vorsätze halfen ihm damals, an seiner Strategie, als kleine, agile Bank festzuhalten und Entrepreneurs mit ihren Firmen sowie deren Familien zu bedienen.

Die MBaer ist keine klassische Vermögensverwaltungs-Bank, sondern eine Finanz-Boutique, die sich im weitesten Sinn in der Vermögensvermehrung und in die vielfältigen (Handels-) Möglichkeiten des Geldgeschäfts einbringt. Neben der klassischen Vermögensverwaltung für Private (Wealth Management) bietet die Bank auch Custody (Vermögens-Verwahrung) sowie Transaction-Banking (Abwicklung von Finanztransaktionen für Firmenkunden) und Treasury (Steuerung und Bewirtschaftung von Zahlungsströmen).

Mittlerweile mehr als 1'000 Kundinnen und Kunden

Damit unterstreicht Mike Bär im Gespräch auch seine Überzeugung, dass das Finanzwesen jenseits der traditionellen Vermögensverwaltung durchaus innovativ sein kann. Seit der schwierigen Anfangsphase hat die Bank an Fahrt gewonnen. Die geopolitischen Konflikte, namentlich der Ukraine-Krieg, änderten nichts daran.

Im vergangenen Jahr schrieb die Bank einen Jahresgewinn von 3,9 Millionen Franken. Ein Erfolg, der auch im ersten Halbjahr 2023 fortgesetzt werden konnte. Das erste Halbjahr 2023 wurde mit einem Gewinn von 6,8 Millionen Franken abgeschlossen, bei einer Bilanzsumme von knapp 650 Millionen Franken. Dies bei einem Umsatz von 19,31 Millionen Franken. Das Unternehmen zählt mehr als 1’000 Kundinnen und Kunden, was wiederum die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells unterstreiche, wie Bär betont.

Keine klassische Privatbank

Sein Geschäft macht Bär zu rund zwei Drittel mit einer Firmenkundschaft, die für ihre Belange vielfach Transaktionen benötigt, die grössere Geschäftsbanken nicht anbieten. Dass solche Kundinnen und Kunden dann auch einen Teil ihres Privatvermögens über die MBaer Merchant Bank verwalten lassen, liegt auf der Hand.

«Allerdings ist das nicht unsere Haupt-Ertragsquelle», unterstreicht Bär und betont dabei, dass die Höhe der verwalteten Vermögen – derzeit betragen sie rund 3,5 Milliarden Franken – nicht für das ganze Unternehmen aussagekräftig sind. «Wir sind keine klassische Privatbank», wiederholt Bär.

Rasant steigender Personalbestand

Gut möglich, dass gerade darin das Differenzierungsmerkmal gegenüber anderen Finanzinstituten liegt – als Bank Dienstleistungen anzubieten, die weit über die traditionelle Vermögensverwaltung hinausreichen, und für die es eine Expertise benötigt, die andere Akteure nicht unbedingt haben. Diese Ausrichtung hat denn auch dazu beigetragen, dass der Personalbestand der MBaer Merchant Bank in den vergangenen zwölf Monaten massiv gewachsen ist.

Standen vor Jahresfrist rund 30 Personen auf der Payroll, «werden es bis Ende 2023 vermutlich 60 sein», sagt Bär nicht ohne Stolz angesichts dieser Wachstumserwartungen.

Katastrophe für den Schweizer Finanzplatz

Natürlich haben im laufenden Jahr die tiefgreifenden Veränderungen auf dem Schweizer Finanzplatz auch ihren Einfluss auf die Bank Mike Bärs gezeitigt. Er bezeichnet es als eine «Katastrophe», dass es auf dem Schweizer Finanzplatz bloss noch eine Grossbank gebe. Firmenkunden hätten mit ihren bisweilen höchst individuellen Bedürfnissen immer eine Alternative gehabt, die nun verschwunden sei und nur beschränkt von den übrigen Schweizer Banken in dem Bereich aufgefangen werden könne. «Als Folge davon werden ausländische Finanzinstitute vermehrt hierzulande aktiv sein und Marktanteile gewinnen», folgert Bär.

Verunsicherte Kundinnen und Kunden transferierten Teile ihres Vermögens auch zur MBaer Merchant Bank und wechselwillige Bankmitarbeitende meldeten sich in einem nie dagewesenen Ausmass. «Auf ein Stelleninserat erhielten wir in zwei Tagen rund 100 Bewerbungen», sagt er, betont aber auch, dass die Ereignisse rund um den Credit-Suisse-Showdown im vergangenen März nur das Ergebnis einer branchenweiten Entwicklung gewesen seien, die schon viel früher eingesetzt habe.

Ferien à discrétion

«In den Gesprächen mit Bewerberinnen und Bewerbern habe ich immer wieder gehört, wie sich die Leute bei den grösseren Banken in ihren Arbeitsprozessen eingeengt fühlen und dadurch gar nicht ihre volle Wirkungskraft entfalten können», sagt Bär.

Wie sehr Mike Bär auf eine optimale Arbeitsatmosphäre setzt, zeigte sich bereits im vergangenen Jahr mit einer Aktion, die man durchaus als anbiedernden Marketing-Gag hätte abtun können: Der Firmenchef überliess es jedem einzelnen Mitarbeitenden soviel Ferien zu beziehen wie er es für richtig hält.

Grosse Selbstverantwortung

Das sorgte für einige Beachtung in der Branche. Mike Bär ging es vor allem darum zu sehen, ob sich dieses Experiment im Arbeitsalltag tatsächlich bewährt. «Alle Kolleginnen und Kollegen arbeiten sehr viel, zum Teil auch sehr lange und oft ausserhalb der normalen Arbeitszeit. Dies soll mit entsprechenden Ferien gebührend honoriert werden», so Bär.

Inzwischen lässt sich eine erste Zwischenbilanz ziehen. «Wie sich gezeigt hat, beruht die Regelung auf einer grossen Selbstverantwortung, die meine Arbeitskolleginnen und -kollegen gerne übernehmen. Exzesse gab es keine», sagt Bär nicht ohne Stolz und ergänzt, dass er mittlerweile auch zwei Jahresgespräche mit jedem Mitarbeitenden führt: «Ich will wissen, wie es jedem von uns wirklich ergeht an der Arbeit.»

 

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