Der Aganola-Investment-Experte Wolfgang Marty zählt zu den weltweit führenden Obligationen-Spezialisten. Nun hat er ein Standardwerk veröffentlicht und weiss schon jetzt, was er noch besser machen könnte.    


Herr Marty, was war die Motivation für Ihr Buch?

Ich interessiere mich seit Jahren für Fixed Income. Die Anregung für das Buch kam von der Arbeitsgruppe ‹Portfolio Analytics›. Sie hat eine Untersuchung von Software-Providern zur Modellierung von Fixed-Income-Portfolios durchgeführt.

Und?

Dabei wurden verschiedene Problemkreise aufgezeigt. Mich hat besonders die Frage beschäftigt: Wie übertragen sich Kennzahlen von einzelnen Obligationen auf Portfolios von Obligationen?

Wie haben Sie das in Ihrer Arbeit umgesetzt?

Das Buch hat drei Schwerpunkte. Es beginnt mit einer Beschreibung von Obligationen-Portfolios, gefolgt von einer Einführung in die Kreditmärkte und einer Übersicht über die Benchmark-Industrie. Ich versuche damit, eine möglichst breite Leserschaft zu erreichen.

Was fasziniert Sie ganz besonders an Obligationen?

Bei den meisten Obligationen sind der Coupon und die Laufzeit im Voraus bekannt, doch die Rendite auf Verfall bewegt sich mit den Finanzmärkten.

«Die Aktienmärkte werden oftmals mit einem Kasino verglichen»

Mit anderen Worten: Der Investor hat nur partielle Informationen, und diese Eigenschaft finde ich interessant, denn die Mathematik kann den Investor entscheidend unterstützen. Aktienmärkte werden oft mit einem Kasino verglichen. Im Fixed-Income-Bereich ist das definitiv nicht so.

Angesicht der aktuellen Marktsituation: Wie haben Sie negative Zinsen berücksichtigt?

Meine Darstellungen beinhalten tatsächlich auch negative Zinsen. Nehmen wir zum Beispiel die Rendite auf Verfall. Negative Renditen auf Verfall sind mathematisch kein Problem und sind übrigens bei Wandelanleihen nicht unüblich. Es bedeutet einfach, dass die diskontierten Cashflows über dem Marktpreis liegen.

In Ihrem Buch geht es auch um Konvexität. Was ist das genau?

Mit der Konvexität wird eine Eigenschaft von Obligationen beschrieben, die für den Investor sehr wünschenswert ist. Sie bezieht sich auf das Preisverhalten in Abhängigkeit der Rendite auf Verfall.

«Man sagt, dass in diesem Fall die beste aller Welten vorliegt»

Für zwei Obligationen, die gleiche Renditen auf Verfall und gleiche Durationen haben, ist der Gewinn grösser und der Verlust kleiner als bei der Obligation mit der grösseren Konvexität bei gegensätzlich absolut gleichgrossen Bewegungen der Rendite auf Verfall.

Man sagt, dass in diesem Fall die beste aller Welten vorliegt. Aktien haben kein vergleichbares Konzept.

Wandelanleihen sind genau genommen mehr als übliche Fixed-Income-Instrumente. Wieso haben Sie ein Kapitel über diese Finanzprodukte geschrieben?

Der auf Wandelanleihen spezialisierte Schweizer Asset Manager Aganola hat mir die Gelegenheit gegeben, mich mit Wandelanleihen vertieft auseinanderzusetzen.

«Einige Kapitel des Buches sollten weiter entwickelt werden»

Gerade angesichts des tiefen Zinsumfeldes sollten Wandelanleihen besonders attraktiv für den Bondinvestor sein, da sie eine Option und eine Aktien-Komponente beinhalten.

Manche Fachleute argumentieren, dass Modelle unbrauchbar sind, da sie die Realität der Märkte ungenügend widerspiegeln würden. Sind Sie auch dieser Ansicht?

Nein. Das stimmt so nicht. Modelle werden nicht nur zur Abbildung der Zukunft gebraucht, sondern auch zur Berechnung von theoretischen Preisen von Finanzinstrumenten. Sie werden gebraucht bei Szenarien-Analysen oder bei Vergleichen von Preisen, die im Markt bezahlt werden.

Was ist noch offen für weitere Forschung?

Einige Kapitel des Buches sollten weiter entwickelt werden. Ich denke zum Beispiel an die Credit Spreads. Ihr Verhalten widerspiegelt die elementaren Eigenschaften der Duration nicht.

Dieses Thema läuft unter dem Titel «Credit Beta». Die Arbeitsgruppe ‹Portfolio Analytics› hat mehrere Sitzungen dazu durchgeführt.

Was behandelt Ihr Buch nicht?

Der Währungsaspekt eines Portfolios, das in Obligationen in verschiedene Währungen investiert, wird nicht behandelt. Das gehört auch nicht zum Thema Fixed Income Analytics. Es gibt mehrere Firmen – etwa Record Currency Management –, die auf diesem Gebiet spezialisiert sind.


Fixed Income Analytics – Bonds in High and Low Interest Rate Environments, Wolfgang Marty, Springer Verlag, 2017, 224 Seiten, als Hardcover oder eBook.


Fixed Income 192Wolfgang Marty ist seit September 2015 bei der Firma Aganola als Investment Strategist tätig. Er arbeitete zwischen 1998 und 2015 für die Credit Suisse, zunächst als Leiter Product Engineering und dann als Leiter Portfolio Analytics. Von 1989 bis 1998 arbeitete er in London und Chicago. Seine Spezialgebiete sind Performance Messung, Fixed Income Portfolio Attribution und Portfolio Optimization.

Marty engagiert sich zudem seit vielen Jahren für eine aktive Entwicklung der festverzinslichen Märkte. Insbesondere vertritt er die Interessen der Schweizer Marktteilnehmer in der European Bond Commission (EBC). Zudem ist er Mitglied des Executive Committee der EBC und der Bond-Indexkommission der SIX Exchange.

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