Was für viele Anleger der blanke Horror ist, stellt für manche Investoren eine Chance dar – in einer Wirtschaftskrise das Thema Venture Capital richtig zu spielen, schreibt Michael Bornhäusser auf finews.ch.

Von Michael Bornhäusser, Chairman und Managing Partner von Bulb Capital

Am kommenden Dienstag findet der 3. Schweizer Digitaltag. Dann zelebriert die Schweiz die digitale Welt. Alle sind ganz aufgeregt, alle reden über Crypto Currencies, Artificial Intelligence, Virtual Reality, digitale Businessmodelle und vor allem über Startups, die den grossen Unternehmen im Land vormachen, wie so was geht.

Es gibt gefühlt fast nirgends auf der Welt so viele Startup-Wettbewerbe wie in der Schweiz. Die hoffnungsvollsten Jungunternehmen wachsen zweistellig, verbrennen Geld und werden von mehr oder weniger professionellen Venture-Capital-Investoren finanziert.

Das Ende könnte gekommen sein

So weit so gut. Gott sei Dank erleben wir die längste Wachstumsphase der Weltwirtschaft, und neben dem massiven Wachstum der etablierten Techfirmen wie Facebook, Google oder Salesforce, hat auch die Startup-Wirtschaft geboomt, was wiederum Gründern und Investoren hohe Renditen bescherte. Doch wie lange kann das noch gut gehen?

Wie sang doch Stefan Remmler im Krisenjahr 1987 so treffend: «Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei». Das Ende der jüngsten Boomphase könnte gekommen sein. Anhaltspunkte dafür gibt es genügend: Der IFO-Geschäftsklima-Index geht in den Keller, China wächst nicht mehr zweistellig, die dunklen Wolken sind bereits aufgezogen, und der Abschwung wird von fast allen Makroanalysten vorhergesagt. Mal wieder möchte man sagen, aber man weiss ja nie…

Bewertungen im Keller

Doch was geschieht mit den Startups in der Wirtschaftskrise? Bekommen sie kein frisches Geld mehr, weil die Investoren Angst kriegen? Gehen die Bewertungen in den Keller, da man davon ausgehen muss, dass es weder Börsengänge noch teure Übernahmen mehr geben wird, weil die Börsen unter Druck geraten und die «Deep Pockets» ebensolche nicht mehr haben?

Was für viele Investoren der Horror ist, stellt für manche Leute eine willkommene Gelegenheit dar, das Thema Venture Capital richtig zu spielen. Wie verhalten sich den Venture-Capital-Investoren in einer solchen Situation?

Finanzierungsprobleme gab es nie

Vielleicht sollte man erwähnen, dass fast alle «Super-Techs» in Krisen entstanden sind. So kamen Firmen wie Facebook, Salesforce oder Twitter in den Jahren der jüngsten Wirtschaftskrise 2008/09 in den Markt und entwickelten sich in der Folge höchst erfolgreich – Finanzierungsprobleme gab es nie. Möglich waren diese Erfolgsgeschichten dank dem Risikomanagement professioneller Venture-Capital-Firmen.

Angewandt auf die aktuelle Situation erfordert eine potenzielle Wirtschaftskrise, die aktuelle Investmentstrategie so zu gestalten, dass die Startups mehr oder weniger krisenresistent werden. Was heisst das?

Liebgewonnene Gewohnheiten

Zunächst lohnt sich einmal ein Blick auf die Zielgruppe, die von Startups bedient werden. Hier sind zum Beispiel der Lifestyle-Bereich und der Medienbereich zu nennen. Auch in Wirtschaftskrisen verzichten Konsumenten nicht auf liebgewonnene Gewohnheiten wie die Luxuscreme, den neusten Marken-Sneaker oder die Designlampe. Und neue Medienangebote in Verbindung mit E-Commerce sogar sogar kostenlos, erst mal. Das heisst, erfolgreiche Startups, die in den erwähnten Bereich tätig sind, wachsen unabhängig von der allgemeinen Wirtschaftslage, da sie Produkte anbieten, die kein grosses Loch ins Portemonnaie reissen.

Im Gegensatz dazu stehen Technologien in investitionsintensiven Business-to-Business-Bereichen wie Robotik, Produktionstechnologie, ERP-Software oder Automotive direkt von betrieblichen Investitionsentscheiden der Grossunternehmen betroffen, und diese investieren in Krisenzeiten wenig bis gar nicht in Innovation. Dadurch werden das Wachstum und die Wertsteigerung massiv gebremst. Oder anders formuliert: Startups mit «emotionalen Produkten» zu tiefen Preisen je Einheit sind um einiges interessanter.

Verzögerter Exit

Ein weiterer Parameter ist die Internationalität. So haben Wirtschaftskrisen nicht in allen relevanten Wirtschaftsregionen der Welt den gleichen, negativen Effekt. Ist also ein Unternehmen international aufgestellt, kann es in Regionen, wie China, immer noch gutes Wachstum generieren, während das Geschäft in Europa stockt. Firmen, die also nur in einem Wirtschaftsraum, zum Beispiel in Deutschland, Österreich und der Schweiz geschäften, sind daher nicht im Fokus.

Die Entwicklungsphase einer Firma spielt ebenfalls eine Rolle. Wenn Unternehmen einen Reifegrad erreicht haben, der einen Exit vorsieht, sei das nun über einen Börsengang oder durch einen Verkauf, kann eine Wirtschaftskrise zu einer Verzögerung des Ausstiegs führen. Falls die Firma zu diesem Zeitpunkt noch keinen Gewinn macht, braucht es dann zusätzliche Mittel, um das Unternehmen über die Krise hinweg mit Geld zu versorgen. Das heisst, es braucht eine längere Investitionsphase gepaart mit einem höheren Kapitaleinsatz.

Kapital für Schnäppchen

Es macht also in der aktuellen Situation durchaus Sinn, nicht in Unternehmen zu investieren, die vor einem Exit stehen und gleichzeitig weiter Geld verbrennen. Firmen, die noch eine Entwicklung von mehreren Jahren bis zu einem Exit vor sich haben und daher erst nach einer Krise die nötige Marktreife zum Verkauf haben, sind daher für ein Investment relevanter.

Ist die Krise da, sind Startups, die vor der Krise uninteressant waren, wieder spannend. Die erwähnten B-to-B-Firmen mit investitionsintensiven Produkten verlieren in Krisen nachweislich am meisten Wert. Oft können bestehende Investoren diese Unternehmen auch nicht mehr mit eigenen Mitteln über die Krise bringen, vielmehr braucht es frisches Kapital. Solche Gelegenheiten lassen sich Venture-Capital-Unternehmen nicht entgehen, vielmehr halten sie für solche Schnäppchen Kapital bereit.

Zugang zu relevanten Investments

Fazit: Wirtschaftskrisen sind für Venture-Capital-Investoren eine gute Gelegenheit, maximale Renditen zu erzielen, vorausgesetzt die Verantwortlichen arbeiten auf der Basis eines entsprechenden Risikomanagements und haben zum richtigen Zeitpunkt Zugang zu relevanten Investments. Ein gewisser Weitblick, wie sich die allgemeine Wirtschaftslage entwickeln wird, und eine entsprechenden Sourcingstrategie, sind dabei höchst hilfreich.


Michael Bornhäusser ist Chairman and Managing Partner der 2019 gegründeten Schweizer Venture-Capital-Firma Bulb Capital. Zuvor leitete er den Private-Equity- und Produktebereich der Schweizer Privatbank Sallfort. In den 1990er-Jahren betätigte er sich als Unternehmer in der IT-Branche, unter anderem als Mitgründer der Firma Pixelpark, die 1999 an die Börse ging, oder dem Software-Unternehmen SDC. Seit dem Start 2012 hat Bulb Capital rund 120 Millionen Dollar bei 17 Finanzierungsrunden in zwölf Startups in den USA, England und Lateinamerika investiert und sieben erfolgreiche Exits vollzogen.

 

 

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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