Die Ende November 2020 zur Abstimmung gelangende Konzernverantwortungsinitiative sei unpraktisch und vielleicht sogar unmöglich umzusetzen, schreibt Andrew Isbester in seinem Essay für finews.first.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Für alle Auslandschweizer, die sich in den vergangenen Jahren an jeder Abstimmung, die stattfand, mit Eifer beteiligt haben – nicht zuletzt auch um das eigene Gewissen zu beruhigen, dass es immer noch vernünftige Demokratien auf dieser Welt gibt –, gibt die sogenannte Konzernverantworungsinitiative, die am 29. November 2020 auf dem Programm steht, sicherlich einigen Anlass zum Nachdenken.

Gemäss dem Begehren werden die Schweizer Bürgerinnen und Bürger darüber entscheiden, ob im Ausland tätige Unternehmen bei all ihren Geschäftsaktivitäten auf die Einhaltung international anerkannter Menschenrechts- und Umweltstandards achten müssen.

Im Falle einer Annahme würde die Gesetzgebung auch Lieferanten und Geschäftspartner einschliessen. Darüber hinaus beabsichtigen die Urheber, die Unternehmen vor einem Schweizer Gericht haftbar zu machen, falls sie sich nicht an die Regeln halten.

Wird die Initiative abgelehnt, hat das Schweizer Parlament einen Gegenvorschlag verabschiedet»

Liest man das vorgeschlagene Regelwerk entsteht der Eindruck, als wolle man sozusagen den gegenwärtigen amerikanischen Modus operandi übernehmen und die souveräne Rechtsprechung extraterritorial ausdehnen. Diese Eventualität, sollte sie jemals eintreten, dürfte interessant werden.

Im Falle einer Ablehnung der Initiative hat das Schweizer Parlament bereits einen Gegenvorschlag verabschiedet, der in Kraft treten würde und ebenfalls eine deutlich erhöhte Sorgfaltspflicht und Offenlegung von Schweizer Unternehmen im Ausland verlangen würde – allerdings mit dem Hauptunterschied, dass die Regierung nicht beabsichtigt, Unternehmen für ihre Aktivitäten im Ausland haftbar zu machen. Stattdessen würde sie allfällige Verstösse mit einer vergleichsweise bescheidenen Busse von 100'000 Franken ahnden.

«Wie die Wirtschaftsprüfer dies tun werden, ist ungewiss»

In beiden Fällen bleibt es allerdings dabei, dass Unternehmen die Risiken ihrer Aktivitäten im Ausland in Bezug auf Menschenrechte, Umwelt und Korruption rechtlich dokumentieren müssen. So wäre es auch wahrscheinlich, dass interne Kontroll- und Risikofunktionen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dazu veranlassen würden, dies auch zu tun, da nur so ein gewisses Mass an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleistet werden könnte.

Wie die Wirtschaftsprüfer dies jedoch tun werden, ist ungewiss, da sie normalerweise für bestimmte Aufgaben eingesetzt werden, etwa, um sicherzustellen, dass Bekleidungsfabriken keine Kinderarbeit einsetzen – und Ähnliches. Ein flüchtiger Blick auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Uno gibt einen groben Überblick über die Tabellen, die unbeholfene Junior-Prüfer ausfüllen werden, um zu beurteilen, ob es in manchen Ländern, in denen Schweizer Unternehmen tätig sind, zum Beispiel Gedanken-, Rede-, Religions- und Versammlungsfreiheit gibt.

Bei den Zulieferern wird es noch schwieriger werden. Da werden die Wirtschaftsprüfer auch auf ihre Antworten angewiesen sein, die erfahrungsgemäss in der Regel verspätet, vage und unvollständig sind, da solche Audits ausser in den extremsten Fällen zumeist auf taube Ohren stossen.

«Es ist schwer vorstellbar, wie ein multinationales Unternehmen die Anforderungen erfüllen kann»

Das Begehren lässt noch viele andere Fragen offen. Zum Beispiel, was mit Unternehmen wie Banken, Versicherungen, Pharmazeutika und Konsumgütern geschieht, die seit Jahrzehnten im Ausland aktiv sind und Hunderte oder gar Tausende von Angestellten in Ländern haben, die systematisch gegen die Menschenrechte verstossen? Wie kann man die Haftung vernünftig einschätzen?

Wenn der Gegenvorschlag angenommen wird, legen die Unternehmen ihre Aktivitäten offen, drücken ein Auge zu und zahlen die 100'000 Franken Jahr für Jahr? Wird es Schwellenwerte geben, die die Unternehmen zum Ausstieg verpflichten?

Vor diesem Hintergrund wird es mittel- bis langfristig auch in Asien nur schwer abschätzbar sein, wie Schweizer Grossunternehmen in der Lage sein werden, die Auflagen vollständig zu erfüllen, sofern sie nicht nur in Japan oder in Südkorea domiziliert sind.


Andrew Isbester, ein schweizerisch-britischer Doppelbürger, ist Editor-at-large von finews.asia und finews.com. Er lebt seit zwölf Jahren in Hongkong. Er verbrachte seine Jugend in verschiedenen Ländern wie Argentinien, Brasilien, den USA, Belgien und Schottland, bevor er in den 1990er und frühen 2000er-Jahre in die Schweiz zurückkehrte, wo er als Korrespondent und später als Büroleiter der internationalen Nachrichtenagentur «AFX News» arbeitete, die Teil der «Agence France Presse» (AFP) und der «Financial Times» war. Danach war er in Zürich und Hongkong für mehrere Grossbanken tätig, bevor er seine Tätigkeit als Journalist wieder aufnahm.


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