Die Credit Suisse ist neben der UBS die wichtigste Taktgeberin auf dem Schweizer Finanzbranche. Doch je länger die Grossbank mit ihren eigenen Problemen beschäftigt ist, desto mehr wirft dies den Schweizer Finanzplatz in seiner ganzen Entwicklung zurück.  

Vordergründig herrscht Schadenfreude. Denn die Turbulenzen der Credit Suisse (CS) aufgrund ihrer Spekulationsverluste mit Greensill Capital und Archegos haben einigen Schweizer Privatbanken in den vergangenen Monaten erhebliche Kapitalzuflüsse beschert, wie etwa der Leiter eines über 200-jährigen Instituts am Standort Zürich gegenüber finews.ch bestätigt. «Doch es ist nicht unser Stil, gross darüber zu sprechen», fährt er in nobler Diskretion fort und bestätigt, dass 2021 zum allerbesten Jahr in der Geschichte der Bank werden könnte, «sofern nicht ein Börsencrash alles wieder zunichte macht.»

Im Zusammenhang mit der CS äusserte sich dieser Tage auch Ariane de Rothschild, die Witwe des Anfang 2021 verstorbenen Bankiers Benjamin de Rothschild. In einer konzertierten Medienoffensive in der «Financial Times», in «Le Temps» sowie in der «Neue Zürcher Zeitung» (alle Beiträge hinter Paywall) kündigte sie in ihrer Funktion als Verwaltungsratspräsidentin der Privatbank Edmond de Rothschild an, in den kommenden fünf Jahren die verwalteten Vermögen auf 350 Milliarden Franken zu verdoppeln; ein Ziel, das sie offenbar vor allem auf Kosten der CS erreichen will.

Politik mischt sich ein

Zwar ohne dies explizit zu sagen, hat de Rothschild spezifisch die CS-Kunden im Auge, wie aus den Interviews hervorgeht. Das kommt nicht von ungefähr, ist doch der Ärger der CS-Klientel nach den jüngsten Fahrlässigkeiten enorm, und wenn sich nun noch die Politik in die Causa CS respektive ins Risikogebaren sowie in die Vergütungspolitik der Bank einmischt, wie dies in den Medien (Artikel kostenpflichtig) am Pfingstwochenende publik wurde, dürfte dies die CS in ihrem weiteren Vorwärtskommen noch eine Weile beeinträchtigen.

Das ist sicherlich nicht im Interesse der Kunden und noch weniger förderlich für die weitere Prosperität des Schweizer Finanzplatzes, der in vielfacher Hinsicht auf ein makelloses Image angewiesen ist. Gerade weil der Einfluss der beiden Schweizer Grossbanken so enorm ist – ihr Marktanteil hierzulande beträgt knapp 50 Prozent –, ist unser Land als internationales Finanzzentrum immer nur so erfolgreich wie es die UBS und die CS gerade sind.

Ernüchternde Entwicklung

Im Umkehrschluss lässt sich daraus folgern: Ein Schweizer Finanzplatz mit einer schwächelnden CS ist bestenfalls die Hälfte wert. Diese Feststellung sollten die Bankenvertreter nicht unterschätzen. Die Schweizer Finanzbranche mag zwar von ihrem Nimbus zehren. Doch die Entwicklung zwischen 2009 und 2019 ist bei genauerem Hinsehen ernüchternd, wie der Finanzexperte Rino Borini gegenüber finews.ch feststellt.

Zwar hätten sich die verwalteten Vermögen in diesem Zeitraum um 54 Prozent erhöht, doch gleichzeitig sei der Ertrag aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft um 13 Prozent gesunken. Mit anderen Worten: «Viele Privatbanken wachsen kaum mehr. Sie profitieren bloss noch von der Börsenperformance», bringt es die Unternehmensberaterin Vega Ibanez gegenüber finews.ch auf den Punkt.

Rückläufige Wertschöpfung der Banken

So erstaunt es nicht, dass die reale Wertschöpfung der Banken laufend sinkt. Vor gut zwölf Jahren machte der Beitrag der Finanzbranche an das Bruttoinlandprodukt (BIP) noch rund 12 Prozent aus; heute sind es 9,7 Prozent, wie den vor Monatsfrist publizierten Kennzahlen zum Finanzstandort Schweiz des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) zu entnehmen ist. Dass der Rückgang nicht noch höher ausfiel, ist den Versicherungen zu verdanken, deren Wertschöpfung über die Jahre stetig stieg, während sie bei den Banken sank.

Das hat nicht zuletzt mit dem Paradigmenwechsel im Kundenverhalten zu tun, wie finews.ch schon verschiedentlich festgestellt hat. Die international vermögende Klientel ist nicht mehr auf einen einzigen Offshore-Finanzplatz wie die Schweiz fixiert, sondern will ihr Geld in verschiedenen Finanzzentren über mehrere Banken und Spezialisten verwaltet haben. Zudem hat die Schweiz beispielsweise für die rasch wachsende Milliardärs-Generation im Wachstumsmarkt Asien kaum mehr dieselbe Relevanz wie für den früheren Geldadel aus Europa oder den USA.

Leere Floskel

Lasten dann noch Skandale und eine absehbare Flut an Gerichtsklagen auf einer Schweizer Grossbank wie die CS, dann wird sich manch ein Vermögender zweimal überlegen, ob er für seine finanziellen Bedürfnisse auch künftig den Schweizer Finanzplatz in Anspruch nehmen will.

Hinzu gesellt sich noch ein Bedenken: Wenn sich der Schweizer Finanzplatz mit Unterstützung vom Bundesrat als globales Zentrum für nachhaltiges Banking etablieren will, dann darf sich keine Bank in Sachen «Governance», also in korrekter Unternehmensführung, solche Ausrutscher leisten, wie es die CS in den vergangenen Monaten getan hat. Ansonsten verkommt der Vorsatz nach mehr ESG und Sustainability zur leeren Floskel. Insofern greift die Schadenfreude über das derzeitige Taumeln der CS tatsächlich zu kurz.

Wichtige Vorarbeit geleistet

Eine Schweizer Grossbank, die nicht in Bestform ist, führt noch zu einem weiteren Problem: Die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes hängt in erster Linie davon ab, wie er sich im Zuge der weiteren Digitalisierung neu erfinden und international positionieren kann.

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