Die Wall Street drängt die Angestellten teils mit brachialen Methoden zum Durchimpfen und zur Rückkehr in Büro. Der Schweizer Finanzplatz handhabt das gemäss Recherchen von finews.ch ganz anders – auch nach den neuesten Lockerungen.

Für einmal locken die Investmentbanken nicht mit Boni, sondern mit Burgern. Zu Wochenbeginn fuhren am New Yorker Hauptquartier von Goldman Sachs Foodtrucks vor, eine Band spielte auf, um die Rückkehr der Banker nach langen Monaten im Homeoffice zu feiern.

Dies, während bei der US-Konkurrentin Morgan Stanley Bankchef James Gorman ganz andere Töne anschlug. In einer Online-Konferenz erklärte er seinem Personal klipp und klar, dass mit Lohnkürzungen rechnen müsse, wer bis zum Labor Day vom 6. September nicht zurück im Büro sei.

Zutritt nur für Geimpfte

Gorman verlässt sich darauf, dass bis dahin 90 Prozent der Belegschaft geimpft sind. Das kann er, weil er gleich noch einen Impfzwang verordnet hat: Wie die britische Zeitung «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) berichtete, dürfen ungeimpfte Mitarbeitende und sogar Kunden die Bankgebäude in New York nicht mehr betreten.

Von solchen Drohungen ist der Schweizer Finanzplatz vorerst meilenweit entfernt. Auch wenn sich hiesige Finanzmanager insgeheim eine schnelle Rückkehr an den Arbeitsplatz wünschen und gar Anreize in diese Richtung setzen: Die Impfung gegen das Coronavirus bleibt hierzulande freiwillig und Privatsache von Angestellten und Kunden, wie eine Umfrage von finews.ch zeigt.

Bundesrat mit Lockerungen

Im Vergleich zur Wall Street lässt sich hier gar von einer neuen Art Bankgeheimnis sprechen – dies auch nach den vom Bundesrat am (gestrigen) Mittwoch verhängten Lockerung der geltenden Corona-Massnahmen.

Demnach wird die bisherige Homeoffice-Pflicht in eine Empfehlung umgewandelt. Die Maskenpflicht am Arbeitsplatz ist aufgehoben, und auch die repetitiven Test für die Belegschaft in den Büros sind nicht mehr zwingend. Weiterhin gilt, dass der Arbeitsplatz in der Schweiz auch ohne Impf-Zertifikat zugänglich bleiben muss. Der Branchenverband Arbeitgeber Banken hat die wichtigsten Veränderungen für die Geldhäuser in einem Leitfaden zusammengefasst.

WFH bei UBS

Die geltenden Weisungen werden von den Grossbanken hochgehalten, auch wenn Top-Manager wie UBS-Europachefin Christine Novakovic negative Auswirkungen von der andauernden Fernarbeit befürchten. «Mit dem forcierten Home-Office droht die Firmenkultur, der Stolz auf unseren Brand, an Kontur zu verlieren», sagte sie kürzlich zu finews.ch.

Im UBS-Hauptquartier wird jedoch «Work From Home» (WFH) stark propagiert, wie es auf Anfrage heisst. Dies, auch wenn die Bank je nach Funktion einer Rückkehr ins Büro ermöglicht. Es gilt dann so genanntes «Split Working», wonach die Hälfte eines Teams zuhause bleibt. Nach dem Impfstatus wird nicht gefragt – auch bei der Erzrivalin Credit Suisse (CS) nicht. «Eine Impfpflicht inklusive Impfnachweis ist nicht vorgesehen», lässt die zweitgrösste Schweizer Bank ausrichten.

Hoffnung auf die Herde

In der Schweiz und in Liechtenstein sind offiziellen Erhebungen zufolge 2,6 Millionen Personen vollständig geimpft, das entspricht etwas mehr als 30 Prozent der Bevölkerung. Bei den für die Arbeit im Bank- und Versicherungsfach relevanten Jahrgängen liegt der Anteil bei den 20- bis 29-Jährigen bei 12,2 Prozent, bei den 30- bis 39-Jährigen bei 15,2 Prozent und den 40- bis 49-Jährigen bei 22,3 Prozent. Bei der Altersklasse der 50- bis 59-Jährigen liegt der Anteil der vollständig Geimpften mit 41,4 am Höchsten.

Für die so genannte Herdenimmunität wird gemeinhin eine Impfquote von 70 Prozent angenommen. Dieser Wert ins angesichts der Mutationen des Virus allerdings umstritten.

Pilot zum Impfen

Zumindest Anreize zu setzen, damit sich die Impfquote rasch erhöht, das ist allerdings bei diversen befragten Akteuren am Finanzplatz ein Thema. So empfiehlt die Beratungsfirma Deloitte allen Mitarbeitenden, sich bei der ersten Gelegenheit impfen zu lassen. Ein Zwang dazu sowie Offenlegungs-Pflichten bestünden allerdings nicht, hält das Unternehmen fest.

Noch weiter geht der grösste Schweizer Versicherer Zurich. «Wir ermutigen unsere Mitarbeitenden zu einer Impfung und setzen uns im Rahmen unseres Impf-Pilotprojekts aktiv für die Impfkampagne ein», heisst es dort. Das Projekt führt die Gruppe seit dem Mai gemeinsam mit dem Kanton Zürich durch; bei der Rückkehr ins Büro besteht aber grundsätzlich keine Impfpflicht.

Jeder zweite Private Banker zurück am Desk

Letzteres bestätigen auch die Privat- und Vermögensverwaltungsbanken Julius Bär, Vontobel und Lombard Odier auf Anfrage. Hingegen zeigt sich, dass im «People’s Business» Private Banking die Zahl der Rückkehrer stark zugenommen hat.

Bei Lombard Odier sind mittlerweile 55 Prozent der Personals wieder im Büro. Bei Julius Bär können ab Juni unter Einhaltung der Schutzmassnahmen bis zu 50 Prozent der jeweiligen Teams wieder an die Arbeitsplätze zurückkehren. Vontobel diskutiert die Rückkehr selektiv und in den Teams, wie es hiess.

Swiss Re: Anmelden auf der App

Restriktiver ist hier die Swiss Re, die gegenüber finews.ch festhält: «Wir empfehlen unseren Mitarbeitenden dringend, weiterhin von zuhause aus zu arbeiten.» Angestellte, die im Büro arbeiten möchten, müssen ihren Arbeitsplatz mit einer App buchen. Dadurch will der Rückversicherer sicherstellen, dass eine Belegungsquote von maximal 25 Prozent eingehalten wird.

Swiss Re verweist dabei darauf, dass es schon vor der Pandemie keine grundsätzliche Weisung zur Anwesenheit im Büro gegeben habe. So hat der Assekuranz-Konzern im Jahr 2016 die Initiative «Own The Way You Work» lanciert. Diese ermöglicht es Mitarbeitenden, nach Absprache mit den Vorgesetzten und unter Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse frei zu wählen, wann und wo sie arbeiten wollen.

CS feilt an neuem Arbeitsmodell

Bei anderen Finanzdienstleistern ist das noch Zukunftsmusik. Die CS etwa kennt schon seit langem Formen des flexiblen Arbeitens, will aber nun die Lehren der Pandemie in eine neues Arbeitsmodell umgiessen; wie dieses konkret aussieht, soll schon bald bekannt gemacht werden, heisst es bei der Grossbank.

Die Private Banker von Lombard Odier planen ihrerseits, die Erkenntnisse aus dem forcierten Homeoffice in den Bau des neuen Hauptquartiers am Ufer des Genfersee fliessen zu lassen. Dieses soll 2024 seine Tore öffnen und wird darauf ausgelegt sein, die «Kollaboration in einer neuen Art und Weise zu fördern».

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