Wenn die Börse Quartalsergebnisse mit massiven Verkäufen bestraft, entdecken auch Schweizer Bankenchefs plötzlich die lange Sicht. Sie liegen damit im Trend. Doch bringt das ihre Institute wirklich weiter?

Angesichts des am letzten Donnerstag bekannt gewordenen Jahresverlusts von fast 3 Milliarden Franken kannten viele Credit-Suisse-Aktionäre nur noch eine Richtung: zum Ausgang. In solchen Massen warfen sie die Papiere der taumelnden Grossbank auf den Markt, dass der Kurs zeitweise auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren fiel.

Was jedem Bank-CEO eigentlich den Schweiss auf die Stirn treiben müsste, liess CS-Chef Tidjane Thiam erstaunlich kalt. Der grösste Fehler wäre es jetzt, sich vom Kurssturz von der langfristigen Strategie ablenken zu lassen, sagte er am Donnerstag vor den Medien. Mehr noch: Chefs, die ihre Firmen mit Blick auf den Aktienkurs von Quartal zu Quartal managten, seien «delusional», also geradezu wahnwitzig.

Er selber, Thiam, werde die CS jedenfalls mit Blick auf den ganzen Zyklus führen.

Die Märkte haben den Verstand verloren

Das kommt einem bekannt vor. Am vergangenen Dienstag gab sich Sergio Ermotti, das Pendant von Thiam bei der Erzrivalin UBS, ebenfalls betont locker angesichts eines massiven Kurssturzes der UBS-Aktie. Der Bluechip-Wert mochte innert Tagesfrist mehr als 10 Prozent nachgegeben haben.

«Wir halten an unserer Strategie fest und setzen sie weiter konsequent um, damit wir unseren Aktionären nachhaltige Renditen bieten können», verspricht hingegen seine Bank. Die Botschaft auch hier: die lange Sicht zählt.

Das ultimative «Buzzword»

Selbst junge Fintech-Firmen wie die Zürcher Derivate-Spezialistin Leonteq geben sich mittlerweile altersweise-abgeklärt. Angesichts eines Rückschlags in Asien sagte Leonteq-Chef Jan Schoch kürzlich zu finews.ch: «Der Markt ist momentan sehr kurzfristig orientiert. Das sind wir nicht.»

Thiam, Ermotti und Schoch liegen mit der Schelte der schnellebigen Börsen schwer im Trend. «Longterm-ism», also der Fokus auf langfristige Renditen ist derzeit das ultimative «Buzzword» im weltweiten Finanzwesen.

Neue Nachhaltigkeit

Bankenchefs versprechen Longterm-ism, intsitutionelle Anleger verlangen danach. Ja, es gibt sogar Geheimtreffen in den höchsten Sphären des Wall-Street-Banking, die dann medienwirksam durchsickern. Kurz: Die neue Nachhaltigkeit scheint die für ihre Schnelllebigkeit gescholtene Branche voll erfasst zu haben.

Endlich, ist man da versucht zu sagen. Spätestens seit der Finanzkrise fordern Anleger, Öffentlichkeit und Aufsicht doch gerade das: Schluss mit dem schnellen Reibach, dem Turbo-Kapitalismus auf Drei-Monats-Basis, und zurück zum soliden Bankfach alter Schule.

Verstörendes Bild

Doch ist das zum jetzigen Zeitpunkt auch wirklich nachhaltig? Die Resultate der UBS – notabene einer der bestkapitalisierten und führenden Vermögensverwalter der Welt – schreckten auf. Wenn ein solches «Powerhouse» schon mit Abflüssen in Milliardenhöhe kämpft: wie ergeht es denn schwächeren Konkurrenten?

Verstörend ist das Bild auch bei der CS. Erst im Oktober hat die zweitgrösste Schweizer Bank bei den Anlegern 6 Milliarden Franken an frischem Kapital eingesammelt, um ihre neue Strategie zum Fliegen zu bringen. Per Ende 2015 nahm die Bank dann überraschend einen Goodwill-Abschreiber von 3,8 Milliarden Franken vor; dieser wirkt sich zwar nicht auf die Kapitalbasis aus, wie die CS betont. Dennoch resultierte ein Jahresverlust.

Das zeigt: Angesicht von Börsenturbulenzen, Gesetzeswelle und Zinswende erweist es sich zunehmend als unmöglich, die Entwicklungen auch nur auf ein Jahresviertel hinaus abzuschätzen. Kein Banken-CEO kann in die Zukunft blicken – jetzt erst recht nicht mehr.

Ein leiser Verdacht

Zudem schleicht sich ein leiser Verdacht ein: Als sich im Banking noch jedes Quartal die Gewinne (und in der Folge auch die Boni) steigern liessen, war von Longterm-ism nie die Rede.

Ebenfalls müssen sich die Top-Banker vorwerfen lassen, dass sie zwar Wasser predigen, aber selber den Wein trinken. So profitieren ihre Institute zunehmend von Mandaten, welche die Risiken in Kunden-Portefeuilles stets neu bewerten und Anpassungen vornehmen – gegen Gebühr natürlich. Die Strategie des «buy and hold», die aus Anlagesicht wohl am ehesten dem «Longterm-ism» entspricht, gilt als altmodisch und verpönt.

Thiam, Ermotti & Co mögen den Longterm-ism beschwören. Aber am Ende gilt wohl doch das Diktum des Öknomen John Maynard Keynes: Auf lange Frist besehen sind wir alle tot.

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