Ein Gratiskonto innert Minuten: damit lockt die höchst erfolgreiche Neobank Revolut auch in der Schweiz. Gleichzeitig warten Hunderte von Kunden wochenlang auf die Entsperrung ihrer Guthaben. Ein hartnäckiges Problem, wie sich zeigt.

Wenn die britische Neobank eine Produktneuheit ankündigt, ist dies auf den Sozialen Medien regelmässig mit Nebengeräuschen verbunden: Revolut-Kunden nehmen die Ankündigungen jeweils zum Anlass, um daran zu erinnern, dass sie seit Wochen auf die Entsperrung ihrer Konten warten.

Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle. Auf Kundenforen finden sich Hunderte Hilferufe von Nutzern, die nicht mehr an ihr Geld gelangen. Sie fühlen sich im Stich gelassen vom wertvollsten Fintech Europas, das bereits 12 Millionen Kunden in 35 Ländern bedient – davon (nach eigenen Angaben) rund 350'000 in der Schweiz.

Chat verstummt

finews.ch weiss von einer Revolut-Kundin, die seit sieben Wochen auf die Entsperrung ihres Kontos wartet. Nach der Überweisung kleinerer Beträge hatten beim Fintech offenbar die Alarmglocken geläutet: Verdacht auf Geldwäscherei. Im Anschluss forderte die Smartphone-Bank die Frau auf, ihre Steuererklärung einzuschicken. Und dann noch die Steuererklärungen jener Personen, die ihr das Geld aufs Konto überwiesen hatten.

Als sie letzterer Aufforderung nicht nachkkommen konnte, sperrte Revolut das Konto. Ohne Vorwarnung offenbar. Seither ist ihr Geld blockiert. Und die tagtäglich an den Kundendienst gerichteten Chat-Anfragen bleiben ohne Antwort.

«O mein Gott»

Wie der Nutzerin ist es so manchen ergangen; im Support-Forum von Revolut finden sich zum Thema fast 500 Erfahrungsberichte, von Ende 2017 bis letzten August. «O mein Gott», schreibt dort ein gewisser Nick7 (siehe Ausschnitt unten). «Jedesmal, wenn ich ihnen ein Dokument sende, um mein Einkommen nachzuweisen, fragen sie nach einem weiteren.» Ohne Zugriff auf sein Konto habe er nicht einmal das Geld, um zur Arbeit zu fahren. «Ich muss mich juristisch zur Wehr setzen», folgert er im Chat.

Revolut Chat 500

Auf Anfrage von finews.ch nahm Revolut wie folgt Stellung: «Wie alle Finanzdienstleister ist Revolut dazu verpflichtet, neue und bestehende Kundschaft im Rahmen der Due Diligence zu überprüfen. Diese Prüfungen können die Herkunft der Vermögen oder der Einkommen auf den Kundenkonti betreffen. Ebenso können Dokumente angefordert werden.» Zu jeder Zeit sei es auch möglich, dass eine sehr kleine Anzahl der zwölf Millionen Kunden von einer Sistierung des Kontos betroffen sei. Dies aufgrund von Due-Diligence-Prüfungen, wegen Verstössen gegen die Vertragsbedingungen oder aufgrund von Tests, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.

Lieferantenzahlung geblockt

Doch wie sich zeigt, hat die Neobank mit den Sperren, die in ihrer Wirkung an Enteignung grenzen, ein hartnäckiges Problem. Presseberichten zufolge erreichten Revolut 2018 offenbar dermassen viele falsche Alarmmeldungen zu Geldwäscherei, dass das Fintech seine Überwachungssysteme kurzerhand ausschaltete. Die Aktion wurde allerdings ruchbar und soll den damaligen Revolut-Finanzchef den Posten gekostet haben.

Die Neobank bestreitet jene Berichte vehement. «Die Spekulationen über einen Unterbruch unseres Compliance-Systems treffen nicht zu. 2018 führten wir eine Reihe vertiefter Systemtests durch; im Rahmen dieser Tests stellten wir fest, dass mehr Transaktionen signalisiert wurden als nötig, weshalb wir die Tests aussetzten.» Die Compliance-Systeme hätten aber gearbeitet wie gewohnt; zu keiner Zeit sei die Überwachung nicht sichergestellt gewesen. Zudem seien auch die Berichte über den Rücktritt von Finanzchef Peter O’Higgings unrichtig. «Er verliess Revolut, weil er es für nötig befand, dass die Rolle des Finanzchefs von einer Person mit Erfahrung im weltweiten Retailbanking ausgefüllt wird», kommentiert ein Sprecher.

Im Februar diesen Jahres verärgerte Revolut dann aber mit einer Sperrung das Unternehmen Priorité, das eng mit dem französischen Staat zusammenarbeitet.

Die britische Neobank blockierte dort ohne jegliche Erklärung zwei Unternehmenskonten und eine Lieferantenzahlung von 300'000 Euro – und dies über sechs Wochen lang, wie die britische Zeitung «The Times» (Artikel bezahlpflichtig) berichtete. Das macht den Anschein, als hätten bei Revolut auch im Jahr 2020 nach wie vor Algorithmen das Sagen.

Konter der Banken lässt nicht auf sich warten

Das scheinbare Laissez-faire könnte sich rächen. Den ebenso schnell, wie sich Revolut dank Mundpropaganda in den sozialen Medien verbreitet, können auch Beschwerden «viral» gehen. Gründer und CEO Nikolay Storonsky sähe sich dann einmal mehr zu einer öffentlichen Entschuldigung genötigt.

Den etablierten Banken spielt das in die Hand. Wenn schon nicht mit tiefen Preisen, können sie mit Sicherheit und Bedienung aus Fleisch und Blut punkten. Zumal auch in der Schweiz die Banker allmählich erwachen. Dieser Tage kündete die Grossbank Credit Suisse (CS) an, im Oktober ein digitales Angebot um Konten und Karten lancieren zu wollen. Es ist unschwer zu erraten, wem der Konter gilt – Revolut & Co.

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