Während früher im Tessin das Bankgeheimnis eine wichtige Rolle spielte, will der südlichste Finanzplatz der Schweiz heute mit ganz anderen Qualitäten punkten, wie EFG-Schweiz- und Italien-Chef Franco Polloni im Interview mit finews.ch betont. 


Herr Polloni, nach dem Verkauf der Retail-Kundengelder an die Tessiner Kantonalbank wollen Sie in der Südschweiz aufs Private Banking fokussieren. Gibt es dafür überhaupt noch einen Markt?

Das Tessin ist ein sehr attraktiver Markt für das Private Banking. Die Geldabflüsse aufgrund der italienischen Steuer-Offenlegungsprogramme gehören der Vergangenheit an. Gerade für italienische Kunden, die eine geografische Diversifikation suchen, bleibt das Tessin für Vermögensverwaltung oftmals die erste Adresse.

Zudem darf man den Binnenmarkt nicht unterschätzen. Das Tessin ist Wohnort zahlreicher vermögender Schweizer und Ausländer. Sie und die im Ausland domizilierten Kunden schätzen die Kompetenz des Tessiner Finanzplatzes.

«Im Tessin ist EFG International nicht nur im Private Banking Marktführer»

Während früher das Bankgeheimnis eine wichtige Rolle spielte, punktet der Finanzplatz heute mit Sicherheit, Stabilität und Kompetenz. Qualitäten also, die den Schweizer Finanzplatz insgesamt auszeichnen.

EFG International ist sowohl im Tessin als auch in Norditalien vertreten. Wie unterscheidet sich die Klientel an diesen beiden Standorten?

In der Schweiz bieten wir unseren Schweizer und internationalen Kunden eine umfassende Palette an Private-Banking-Dienstleistungen an. Von der Vermögensverwaltung, über Kredite und Hypotheken bis hin zur Finanzplanung und Vorsorgeberatung.

In Italien fokussieren wir uns auf die Vermögensverwaltung für in Italien domizilierte UHNWI-Kunden, die unsere internationale Kompetenz und Solidität als Schweizer Bank schätzen.

Ist das Tessin in der internationalen Strategie von EFG überhaupt noch wichtig?

Die Region Schweiz und Italien ist mit verwalteten Vermögen von mehr als 42 Milliarden Franken der bedeutendste Markt für EFG insgesamt. Im Tessin ist EFG nicht nur im Private Banking, sondern auch im Geschäft mit externen Vermögensverwaltern Marktführer, und diese Position wollen wir weiter ausbauen, unter Umständen auch über Zukäufe.

«Zentrale Funktionen wie Handel, HR und Risk Management werden aus Lugano heraus erbracht.»

Lugano ist aber auch ein wichtiger Standort für die gesamte Gruppe. Zentrale Funktionen wie Handel, HR und Risk Management werden aus Lugano heraus erbracht.

Sie haben 1,2 Milliarden Franken an Kundengeldern der Banca Stato verkauft. Welche Sicherheit haben Sie, dass diese Kunden den Wechsel mitmachen?

Eine Sicherheit gibt es nicht. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir mit der Banca Stato eine ideale Partnerin für unser Retailgeschäft gefunden haben. Sie verfügt als klare Nummer eins im Retailbanking im Tessin über grosses Know-how und Erfahrung in diesem Geschäft. Davon werden auch unsere Retailkunden profitieren. Es liegt auch an uns, die betroffenen Kunden von den Vorteilen eines Wechsels zu überzeugen.

Haben Sie auch mit anderen Instituten Gespräche geführt?

Zu Details des Verkaufsprozesses will ich mich nicht äussern. Ich kann nur wiederholen, dass ich überzeugt bin, dass wir mit der Banca Stato die beste Lösung gefunden haben. Nicht nur für uns, sondern auch für den Tessiner Finanzplatz.

Sie wollen Ihre Zusammenarbeit mit der Tessiner Kantonalbank noch ausbauen. Welche konkreten Initiativen bestehen?

Wir haben zum Beispiel eine Vereinbarung im Fondsbereich geschlossen, wonach die Banca Stato künftig auch unsere Fonds anbieten wird. Ideen für eine künftige engere Zusammenarbeit gibt es viele – etwa im Bereich der Basisdienstleistungen und gegenseitiger Kundenempfehlungen.

«Wir mussten das Geschäft im Nachgang der BSI-Übernahme durch EFG praktisch neu aufbauen»

Um die Möglichkeiten der künftigen Zusammenarbeit auszuloten, haben wir ein gemeinsames Gremium ins Leben gerufen. Ich bin zuversichtlich, dass dies der Beginn einer für beide Seiten fruchtbaren Zusammenarbeit sein wird.

Wie sehen Ihre Pläne in Italien aus?

Wir fokussieren uns in Italien auf das Vermögensverwaltungsgeschäft mit italienischen Kunden. Wir mussten das Geschäft im Nachgang der BSI-Übernahme durch EFG International praktisch neu aufbauen.

Als wir gegen Ende 2019 den Standort in Mailand neu eröffnen konnten, hat uns bald darauf die Coronakrise zurückgeworfen. Wir glauben aber nach wie vor an das Potenzial des Marktes und sind in Italien gut aufgestellt.


Der Schweizer Franco Polloni ist Head of Switzerland & Italy Region von EFG. Er ist zudem Mitglied von EFG Internationals Global Business Committee und der Geschäftsleitung der EFG Bank. Er stiess im Mai 2017 zur Bank. Zuvor war er Head of Private Clients & Asset Management sowie Mitglied der Geschäftsleitung der Banca del Ceresio in Lugano. Zwischen 2008 und 2014 hatte er verschiedene Führungspositionen bei der BSI inne. Er verfügt über einen Masterabschluss in Wirtschaftswissenschaften der Universität Zürich und ist eidgenössisch diplomierter Steuerexperte, Trust & Estate Practitioner (TEP) sowie Certified Financial Planner (CFP).

 

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