Noch letzten September hätten sämtliche Mitglieder der Schweizerischen Bankiervereinigung einer neuen Governance im Verband zugestimmt, sagt Jörg Gasser zu finews.ch. Umso überraschter ist der CEO des Dachverbands nun über den Austritt der Raiffeisenbanken.


Herr Gasser, wann haben Sie erfahren, dass Raiffeisen die Schweizerische Bankiervereinigung SBVg verlassen will?

Ich habe erst Anfang  dieser Woche davon vernommen.

Wie war Ihre persönliche Reaktion darauf?

Ich bin vor allem enttäuscht. Wir hatten in den vergangenen Monaten erhebliche Anstrengungen unternommen, um ein neues Organisationsreglement für den Verband zu erarbeiten. Vergangenen September wurde dieses verabschiedet. Wir waren uns einig, die Änderungen ein Jahr lang wirken zu lassen, bevor man weitere Schritte ins Auge fasst.

Wie hätte denn das neue Reglement den Austritt von Mitgliedern verhindern sollen?

Wir haben vor allem das sogenannte Dissens-Management geregelt. Neu wird unter den Mitgliedern frühzeitig nach Lösungen für Streitpunkte gesucht. Erfolgt ein Entscheid nicht einstimmig, wird dies vom Verband auch so nach aussen hin kommuniziert. Das macht es unnötig, Streitigkeiten in der Öffentlichkeit auszufechten.

Raiffeisen begründete den Austritt nun damit, dass sich die Bankenbranche und die Interessen der verschiedenen Akteure auf dem Schweizer Finanzplatz in den vergangenen Jahren stark verändert hätten. Ist die SBVg nicht mehr zeitgemäss?

Ich gebe Ihnen insofern recht, was die Veränderungen betrifft. Generell ist zu beobachten, dass sich Mitglieder von Verbänden lösen, weil sie glauben, sie könnten ihre Interessen selber zielgerichteter voranbringen.

«Ich nehme nicht an, dass Raiffeisen eine Oppositionspolitik spielen wird»

Damit ist auch die SBVg konfrontiert. Allerdings ist für mich klar, dass eine Branche mit geeinter Stimme von Politik und Behörden weit besser gehört wird. Und Verbände werden weiter als diese vereinte Stimme wahrgenommen.

Droht das Swiss Banking nun wegen des babylonischen Stimmengewirrs in Bundesbern nicht mehr richtig wahrgenommen zu werden?

Bei der grossen Mehrheit der Anliegen sind sich unsere Mitglieder untereinander einig. Ich nehme nicht an, dass Raiffeisen eine Oppositionspolitik spielen wird. Nur sind die Eingaben der Raiffeisenbanken künftig nicht mehr mit der unseren koordiniert. Es ist zu erwarten, dass das aus Sicht der Politik aufwändiger ist.

Schon lange besteht im Verband ein Graben zwischen den inlandorietierten Mitgliedern wie Raiffeisen und den Gross- und Privatbanken, die stark im Ausland engagiert sind. Rechnen Sie deswegen mit weiteren Austritten?

Es gibt meiner Meinung nach keinen Grund dafür. Die SBVg hat die Governance verbessert, und diese wird von allen Mitgliedern getragen. Ausserdem ist die Trennlinie zwischen inländischen und im Ausland tätigen Banken in der Praxis nicht so einfach zu ziehen – die UBS etwa ist in der Schweiz Marktführerin, aber auch sehr stark international tätig.

«Bezüglich des Budgets müssen wir schauen, wie wir mit den Ausfällen umgehen»

Der Verband verfolgt seit Jahren eine doppelgleisige Strategie, bei der sowohl die Anliegen des Heimmarkts wie auch jene der Banken als Exporteure gleichermassen Beachtung finden. Für den Finanzplatz sind beide Säulen wichtig.

Hingegen fehlen der Bankiervereinigung künftig das politische Gewicht, das Knowhow und nicht zuletzt die Mitgliederbeiträge von Raiffeisen. Was bedeutet dies für die Verbandsarbeit?

Raiffeisen ist eine wichtige und gewichtige Bankengruppe, und wir werden sie und ihr Know-how im Verband vermissen. Dank der rund 500 Branchenvertreter, die sich auf freiwilliger Basis bei der SBVg in Arbeitsgruppen engagieren, werden wir aber zumindest die Wissenslücke überbrücken können. Bezüglich des Budgets müssen wir noch schauen, wie wir mit den Ausfällen umgehen. Sicher ist, dass wir beim Service und der Qualität für unsere Mitglieder keine Abstriche machen.

Die Spannung unter den Verbandsmitgliedern sind offenbar auch personeller Natur. Dem SBVg-Präsidenten Herbert J. Scheidt wird von einzelnen Stimmen vorgeworfen, er sei kein Brückenbauer und tendiere zu sehr ins Lager der Gross- und Privatbanken.

Diesen Aussenblick kann ich nicht bestätigen. Was subjektiv von einzelnen Mitgliedern empfunden wird, entzieht sich meiner Kenntnis.

Dieselben Kritiker monieren, Sie selber stünden zu stark unter dem Einfluss von Herrn Scheidt. Was entgegnen Sie?

Das weise ich zurück. Wer mit mir zusammenarbeitet weiss, dass ich sehr wohl über eine eigene Meinung verfüge und diese auch kundtue. In der Verbandsspitze haben wir aber beschlossen, dass wir gegenüber den Mitgliedern und der Öffentlichkeit geeint auftreten.

«Daran habe ich mich in meiner Laufbahn inzwischen gewöhnen müssen»

Vom Naturell her setze ich mich bei einem Konflikt lieber mit den Betroffenen an einen Tisch und suche nach Lösungen, anstatt den Streit nach aussen zu tragen.

Sicher ist, dass Sie seit Ihrem letztjährigen Antritt als CEO keinen einfachen Start bei der SBVg hatten.

Daran habe ich mich in meiner Laufbahn inzwischen gewöhnen müssen. Als ich zum Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) stiess, musste ich interimistisch die Leitung des Bundesamts für Migration übernehmen.

Beim Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) fiel mein Antritt auf den Beginn der Finanzkrise – und beim Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF) ging dann der Automatische Informationsaustausch (AIA) mit dem Ausland in die heisse Phase.


Jörg Gasser wirkt seit März 2019 als CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg). Kein Banker von Haus aus, begann er seine berufliche Karriere beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Im Jahr 2008 wechselte er ins EJPD und ab Anfang 2011 zum EFD. Von 2016 bis Anfang 2019 amtete er dort als Staatssekretär für Internationale Finanzfragen.

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