Er ist der letzte verbliebene Top-Manager der Credit Suisse aus der Ära von Tidjane Thiam. Bislang konnte sich Asien-Chef Helman Sitohang in allen Skandalen schadlos halten. Doch mit dem Greensill-Debakel ändert sich das schlagartig.

Dieser Mann habe für die Credit Suisse (CS) in Asien so herausragende Leistungen vollbracht, dass er in die Konzernleitung gehöre, stellte finews.ch bereits im Sommer 2015 fest und meinte damit Helman Sitohang. Kurz davor war Tidjane Thiam bei der CS angekommen, um das Top-Management und die Schweizer Grossbank selber zu restrukturieren.

Wenige Monate später war es dann soweit: Sitohang, seit 2014 bereits Asien-Chef, stieg auf Geheiss Thiams in die Konzernleitung auf; genauso wie die übrigen «Rising Stars» Iqbal Khan, Lara Warner und Thomas Gottstein, dem heutigen CEO der CS.

Mindestens 200 Milliarden Dollar an Land gezogen

Inzwischen ist der 55-jährige Sitohang – neben Gottstein – der letzte Banker der damaligen Thiam-Crew in der Konzernleitung. Warner musste im Zuge der Milliarden-Debakel im Zusammenhang mit Greensill und Archegos Anfang April den Hut nehmen – und so auch Investmentbank-Chef Brian Chin.

Sitohang blieb. Denn keiner setzte die von der CS so stark propagierte «One Bank»-Strategie mit dem Cross-Selling von Investmentbank zur Vermögensverwaltung so erfolgreich um wie er. In seinen insgesamt 22 Jahren bei der Schweizer Grossbank baute er in «seiner» Region Asien-Pazifik ein Netzwerk an höchst potenten Kunden auf. In Bankenkreisen heisst es, dass er über die vergangenen zwei Jahrzehnte Deals und Kapitalmarktgeschäfte im Umfang von nicht weniger als 200 Milliarden Dollar an Land zog.

Erhebliche Interessenskonflikte

Lange genug  hat der asiatische Trumpf der CS gestochen. Doch nun ist seine Position bedrohlich ins Wanken geraten. Die Milliardenverluste mit den Greensill-Fonds und mit Archegos lassen die ganze CS in einem schlechten Licht erscheinen – nun aber auch Sitohang persönlich. 

Archegos und Greensill haben drastisch aufgezeigt, dass die Cross-Selling-Strategie der Schweizer Grossbank nicht nur erhebliche Interessenkonflikte birgt, sondern auch schwere Mängel im Risikomanagement aufweist.

Lex Greensill war Sitohangs Kunde

Sitohang war nicht nur im Greensill-Debakel direkt involviert. Auf seine Kappe geht auch das Debakel mit Luckin Coffee und dessen Besitzer Lu Zhengyao: Der angebliche Traumkunde der CS war sowohl für das Wealth Management lukrativ als auch für die Investmentbank, die den Börsengang des Coffeeshop-Unternehmens – Asiens Starbucks – vorbereitet hatte. Dann stellte sich heraus, dass Zhengyao die Umsatzzahlen für den Börsengang aufgeblasen hatte.

Wie die «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) schreibt, stand Sitohang auch in einer engen Kundenbeziehung zu Lex Greensill, dem vermeintlichen australischen Finanzgenie, der sich nun womöglich betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Supply-Chain-Finance-Fonds der CS verantworten muss. Einige CS-Kunden dürften auf Milliardenverlusten sitzen bleiben.

Viele «Traumkunden»

Sowohl in Asien als auch in Zürich hatten Risikomanager der CS vor Greensill gewarnt. Aber Sitohang wollte gemäss «Financial Times« seinen Top-Kunden nicht vergraulen. Vergangenes Jahr noch habe er sein Team aufgefordert, mehr Kunden wie Greensill für die CS zu gewinnen.

In dunkles Licht ist eine weitere Kundenbeziehung in Asien getaucht: Jene von Sitohangs weiterem «Traumkunden» Masayoshi Son, dem Lenker des Softbank-Imperiums. Die japanische Firma finanzierte über seine Vision Funds Firmen wie Greensill. Zwar zog sich das Unternehmen aus den CS-Fonds zurück, doch die Private-Banking-Beziehung mit Masayoshi Son, einem Milliardär, blieb unangetastet.

Erhebliche Risiken

Das «Wall Street Journal» (Artikel bezahlpflichtig) schrieb im vergangenen März, dass Softbank nach der Entflechtung nochmals 400 Millionen Dollar in Greensill eingeschossen hatte und die Mittel eigentlich zur Auszahlung von CS-Fonds-Investoren vorgesehen waren. Doch die Millionen versickerten offenbar.

Sitohang genoss mit seiner Asien-Division bislang viele Freiheiten. Über seinen Tisch liefen allein im vergangenen Jahr mehr als 20 Milliarden Dollar an Kreditrisiken; dies im Vergleich zu den 30 Milliarden Dollar im International Wealth Management.

Weitere personelle Konsequenzen absehbar

Noch ist unklar, wie hoch der Verlust der CS mit den Greensill-Fonds ausfallen wird. Rund 10 Milliarden Dollar lagen bis zur Schliessung in den Fonds, 4,8 Milliarden Dollar konnte die CS bislang an Kunden zurückzahlen. Die Bank beabsichtigt, die restlichen Verluste auf die Kunden abzuwälzen, da diese als qualifizierte Investoren über die Risiken hätten im Bilde sein müssen.

Doch Sitohangs Rolle im Debakel und seine Beziehung zum mutmasslichen Drahtzieher im Fonds-Debakel Lex Greensill werden CS-intern nun untersucht. Weitere Konsequenzen für die Bank und für manche Top-Manager sind absehbar, sobald der neue Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório ins Amt kommt. Sitohangs CS-Karriere hängt unterdessen an einem seidenen Faden.

Die CS und Sitohang wollten keinen Kommentar abgeben.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.31%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
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  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
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