Auch Guy Lachappelle war ein Missgriff, kommentiert finews.ch-Chefredaktor Peter Hody. Warum wiederholt sich bei Raiffeisen die Geschichte mit Top-Managern, die der Aufgabe nicht gewachsen sind?

Guy Lachappelle ist bereits der vierte Top-Manager in der jüngeren Geschichte von Raiffeisen Schweiz, bei dem sich erwiesen hat, dass er seiner Aufgabe nicht gewachsen ist. Pierin Vincenz, der 2015 zurückgetretene CEO, muss sich im kommenden Januar wegen mutmasslichem gewerbsmässigem Betrug und Veruntreuung vor Gericht verantworten.

Sein Nachfolger Patrik Gisel war von vornherein ungeeignet gewesen, doch hatte der damalige Raiffeisen-Verwaltungsrat im Frühsommer 2018 nicht den Mut gehabt, ihn als CEO abzusetzen. Gisel wurde schliesslich seine frühere Beziehung zu einer Raiffeisen-Verwaltungsrätin zum Verhängnis.

Auch Johannes Rüegg-Stürm war als Verwaltungsratspräsident gescheitert. Er hatte sich als unfähig erwiesen, dem Treiben von Vincenz Grenzen zu setzen und liess in der Raiffeisen Schweiz schwerste Corporate-Governance-Mängel zu.

Alles getan, um Publikation zu verhindern

Und nun also Guy Lachappelle: Der grosse Hoffnungsträger der Raiffeisen Schweiz und der angeschlossenen Genossenschaften hatte als CEO der Basler Kantonalbank vertrauliche und börsenrelevante Informationen an seine Geliebte weitergeleitet. Zudem ist diese «Liebesgeschichte» dermassen aus dem Ruder gelaufen, dass Lachappelle gerichtlich gegen die Frau und eine geplante Buchpublikation vorgegangen ist.  Im Gegenzug hat die Frau auch gegen ihn zwei Strafanzeigen eingereicht.

Man kann über diese Geschichte, in der Privates durch Lachappelles unglaubliches Verhalten als BKB-CEO nun nicht mehr privat ist, urteilen, wie man möchte. Lachappelle und Raiffeisen Schweiz sind jedenfalls nicht die Opfer, sondern im Fall des Verwaltungsratspräsidenten der Täter: Er hat alles unternommen, um die Geschichte unter dem Deckel zu halten. Und Raiffeisen ist in diesem Fall die Blinde: Erneut hat ein Manager das in ihn gesetzte Vertrauen missbraucht und versagt.

Hoffnungsträger und Kämpfer

Der 60-jährige Lachappelle wollte Hoffnungsträger und Veränderer der Raiffeisen sein. Nach der zersetzenden Vincenz-Ära hat er die Basis der Genossenschafter wieder vereint, ihnen wieder mehr Autonomie gegeben. Er gab Raiffeisen das verlorene Selbstvertrauen wieder, in dem er gegen die Dominanz der Grossbanken UBS und Credit Suisse kämpfte und als Konsequenz aus der Schweizerischen Bankiervereinigung austrat.

Lachappelle brachte Raiffeisen strategisch wieder auf die Bahn und belebte die alten genossenschaftlichen Ideale, welche Vincenz in seinem grenzenlosen Ehrgeiz über Bord geworfen hatte.

Man war gewarnt

Wieviel davon nun Makulatur ist, wird sich zeigen. Fakt ist, dass Lachappelle nicht alle Eigenschaften mit sich gebracht hat und über die Integrität verfügt, welche für das anspruchsvolle Amt des Raiffeisen-Präsidenten notwendig wären und selber den eigenen Idealen nicht genügt. Im Nachhinein ist man immer schlauer, könnte man sagen.

Doch im Falle Lachappelles war man gewarnt gewesen: Seine Nomination im Herbst 2018 hatte bei diversen Raiffeisen-Chefs und Präsidenten von Genossenschaft bei weitem nicht nur Zuspruch erhalten. Seine weiterhin nicht vollständige geklärte Rolle im Betrugsfall um die Vermögensverwaltungsgesellschaft ASE hatten einige Raiffeisen-Oberen als Risiko betrachtet. Zumal Lachappelle und die BKB, er war zum Zeitpunkt der ASE-Betrügereien noch Firmenkunden-Chef der BKB gewesen, mit Einsprachen versucht hatten zu verhindern, dass mehr Licht in den Fall kommt.

Ungenügendes Nominationsverfahren

Nun hat nicht ASE Lachappelle zu Fall gebracht, sondern seine aussereheliche Affäre und seine aus Liebesblindheit geschehene, geschäftliche Indiskretion. Im Resultat macht das keinen Unterschied.

Aber Raiffeisen muss sich der Tatsache stellen, dass das Nominationsverfahren Lachappelles ungenügend war. Der Basler Banker, so hatte es 2018 noch getönt, sei bis in die hintersten Winkel auf seine Eignung durchleuchtet worden. Headhunter Guido Schilling, der Lachappelle ausgesucht hat, und der Nominations- und Vergütungsausschuss im Raiffeisen-Verwaltungsrat haben ihren Job aber nicht richtig gemacht.

Gantenbein sollte nicht mit Präsidium belohnt werden

Lachapelles schon 2018 eskalierte Liebesbeziehung und seine vorausgegangene Scheidung hätten bemerkt und berücksichtigt werden müssen. Privates ist im Job als Raiffeisen-Präsident nur noch bedingt privat.

Aus der alten Ära sind nur Olivier Roussey und Pascal Gantenbein im Raiffeisen-Verwaltungsrat verblieben. Gantenbein hat das Nominationsverfahren Lachappelles zu verantworten – und sollte nach diesem Missgriff nicht damit belohnt werden, Lachappelles Sitz zu erben. Raiffeisen muss nochmals gründlich über die Bücher, um eine neuerliche Reputationskrise und weitere Missgriffe zu vermeiden.

 

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