Über den desolaten Zustand der Credit Suisse zu lamentieren, greift zu kurz. Eher stellt sich die Frage, welche Optionen die Grossbank vom Paradeplatz überhaupt noch hat. Was kann das Duo Axel Lehmann und Ulrich Körner noch tun, um die CS wieder auf Erfolgskurs zu führen?

Die zahlreichen Kleinanlegerinnen und -anleger, die in den vergangenen zwei Monaten glaubten, besonders schlau zu sein und sich eifrig mit Aktien der gebeutelten Credit Suisse (CS) eindeckten, fühlen sich nun eines Besseren belehrt.

Denn anstatt auf einem historischen Tiefpunkt eingestiegen zu sein, müssen sie nun zuschauen, wie die Aktie nicht vom Fleck kommt – mehr noch: aller Wahrscheinlichkeit nach werden sie sich auf eine noch längere Durststrecke einstellen müssen.

Mangel an Kredibilität

Dies vor allem, nachdem die CS am (gestrigen) Mittwoch erneut mit Hiobsbotschaften aufwartete, wie auch finews.ch berichtete. Der zweitgrössten Bank der Schweiz droht ein weiterer Verlust, die Kundinnen und Kunden ziehen ihre Depots ab, und nach wie vor bleibt unklar, wie das Unternehmen künftig Geld verdienen will. Allmählich macht man sich selbst in nobelsten Zürcher Finanzkreisen Sorgen, ob die CS die Kurve wirklich noch kratzen wird.

Vorläufig deutet nichts darauf hin – selbst wenn nun üppig Geld aus der arabischen Welt einfliesst – ganz wohl ist ohnehin niemandem dabei. Und mit Geld allein ist es nicht getan – auch in der Hochfinanz nicht. Eher müsste man sich fragen, ob die CS noch genügend von dem hat, was den ersten Teil ihres Namens ausmacht: Credit, also Kredibilität. Am Mittwochabend schlossen die CS-Aktien bei 3.62 Franken, nur ganz wenig über dem Jahrestiefst von 3.52 Franken.

Welche Optionen bleiben noch?

Über den desolaten Zustand der CS weiter zu lamentieren, greift indessen zu kurz und ist kaum zielführend. Eher stellt sich die Frage, welche Optionen die Grossbank vom Paradeplatz überhaupt noch hat. Was kann das Duo Axel Lehmann und Ulrich Körner noch aus dem Hut zaubern, um die CS wieder auf Erfolgskurs zu führen?

Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass das Unternehmen nun Gefahr läuft, in wichtigen Branchenentwicklungen und bei Veränderungen ins Hintertreffen zu geraten, weil es nach wie vor mit der Aufarbeitung der Vergangenheit, sprich der Altlasten, so stark absorbiert wird. Wo also liegen die Stellschrauben, an denen sich noch drehen lässt, um zu retten, was tatsächlich bewahrenswert ist?

1. Die Credit Suisse ist eine Schweizer Bank – geht vergessen

Seit dem nunmehrigen Einstieg der Saudi National Bank halten arabische Investoren – zusammen mit den bisherigen Katarern – ein Viertel der CS. Will sich die einstige SKA (steht für Schweizerische Kreditanstalt und nicht für Saudische Kreditanstalt) auch künftig als Schweizer Bank ausgeben, muss sie ihre Wurzeln schleunigst nach vorne kehren, sofern das noch geht.

Auch die UBS rasselte vor 14 Jahren in eine Reputationskrise, verstand es dann aber, zusammen mit Schweiz Tourismus einen Deal zu schnüren und in diversen Promo-Aktionen ihre schweizerische Herkunft neu zu betonen; die Bank gab einen Wander(ver)führer heraus und lud die Bevölkerung zu Schifffahrten ein. Und es hat gewirkt. Am internationalen Aktionariat der UBS bemängelt niemand etwas.

Umso wichtiger wäre es nun für die CS, ihre Swissness, mit einem solchen Joker auszuspielen. In der Person von Roger Federer hätte sie ohnehin schon den besten Vorzeige-Schweizer als Marken-Botschafter.

2. Kultur nach dem Motto: Solange es Geld bringt

Weder CEO Ulrich Körner noch Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann haben sich in den vergangenen Wochen zur Kultur der Credit Suisse geäussert. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, wie viel Swissness steckt denn noch in dieser Bank, zumal das Swiss (Private) Banking mit Schweizer Werten gross geworden ist.

In der jüngsten Vergangenheit fiel diese Frage negativ aus, wie die Juristin Monika Roth unlängst in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» feststellte. Sie sagte, dass im internationalen Geschäft der Bank offenbar eine andere Art von Regeltreue gelte, es herrsche auch eine andere Kultur als in der Schweizer Einheit. Hierzulande würden kleinste Verstösse geahndet, in der internationalen Vermögensverwaltung der CS hingegen komme man mit vielem durch, solange es Geld bringe.

Als Anwältin, die oft auf der Gegenseite der Bank stand, habe sie bei der CS eine Kultur der Überheblichkeit wahrgenommen, die sehr unternehmensspezifisch ist. «Es ist bekannt, dass die CS in Rechtsstreitigkeiten bis 2021 konsequent keinen Verjährungsverzicht unterzeichnete. Rechtsstreitigkeiten zog sie durch, bis die Gegenseite kein Geld mehr hatte oder resigniert aufgab», so Roth.

Spätestens unter diesen Prämissen, sollten Lehmann und Körner nun wissen, wo sie innerhalb ihres Unternehmens ansetzen sollten. Klarer als Roth hat es bislang niemand zum Ausdruck gebracht.

3. Eine Unternehmerbank – angeblich

Die CS ist in ihren Ursprüngen tatsächlich eine Unternehmerbank, zumal sie von Alfred Escher, einem der grössten Schweizer Unternehmer, gegründet wurde. Und lange Zeit blieb sie dies auch. Doch mit ihrem fahrlässigen Kurs in den vergangenen Jahren hat sie enorm viel Kredit gerade in der Unternehmer-Welt verspielt. Wenn sich die CS heute aufs Unternehmertum beruft, gereicht dies bestenfalls noch zu einer Plattitüde.

Dabei läge es in ihrer DNA, eine Unternehmerbank zu sein. Gelingt es ihr also, einige grossartige Unternehmer aus dem In- und Ausland werbewirksam für sich zu gewinnen, wäre schon grösstes Stück des Wegs zur Rehabilitierung des Unternehmens getan.

4. Wealth Management – eigentlich das Kerngeschäft

Am kürzlichen Investorentag in London hat es die CS gut gemeint, aber ungünstig aufgegleist. Natürlich war es wichtig, die alten Zöpfe abzuschneiden, die Altlasten zu beseitigen und potenzielle Krisenbereiche zu identifizieren und abzuspalten. Doch damit ist es beileibe nicht getan. Versäumt hat es die CS, nach vorne zu blicken, insbesondere in ihrer Paradedisziplin der Vermögensverwaltung.

Die Bank blieb allen eine Vision schuldig, wie sie in Zukunft Geld verdienen will. Pauschale Bekenntnisse zu den Reichsten dieser Welt reichen nicht, um daraus ein innovatives Geschäftsmodell abzuleiten. Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang besonders, dass Francesco De Ferrari nach aussen bislang kaum in den Neustart der CS eingebunden wurde, zumal er der Chef der wichtigen Wealth-Management-Division ist.

Von ihm sollten die Impulse und Innovationen kommen, wie die CS ihre Position als eine der führenden Vermögensverwalterinnen auf der Welt auch in Zukunft bewahren kann. Doch das blieb bislang aus. Warum?

5. Digitalisierung – läuft da noch was?

Es lässt sich darüber streiten, ob die Digitalisierung, die längst in aller Munde ist, noch ein Differenzierungsmerkmal für eine Bank ist oder bloss noch Commodity, also Rohstoff, für alles, was man daraus baut. Im Fall der CS wäre die Digitalisierung ein wirksamer Hebel, um sich als innovatives Finanzinstitut von heute zu profilieren.

Doch das ist zumindest seit der Einführung der CSX-App eher ausgeblieben, obschon die Bank seit diesem Jahr mit Joanne Hannaford eine absolute Know-how-Trägerin aus diesem Gebiet an der Spitze der Technologie-Sparte hat. In einem kürzlichen Interview mit finews.asia verriet sie unter anderem, dass die CS bereits intern eine Art Metaverse entwickelt habe.

Gerade solche News wären Gold wert, um die Kursfantasie von Anlegerinnen und Anlegern zu stimulieren. Stattdessen droht die CS aktuell Gefahr zu laufen, dass sie digital nicht mehr wahrgenommen wird.

6. Krypto-Positionierung – jetzt!

Antizyklisch zu handeln, ist in der Finanzwelt eine Option. Grossinvestor Warren Buffett wird nicht müde zu predigen, in Vermögenswerte zu investieren, die von der Masse jeweils verschmäht werden.

Warum also positioniert sich die CS nicht auch als Krypto-Bank, die sämtliche Dienstleistungen aus diesem Umfeld anbietet und so auch in der Blockchain-Technologie eine Vorreiterrolle übernimmt? Das Know-how wäre sicherlich vorhanden, und die Bank könnte eine gänzlich neue Klientel ansprechen, unter der sich nicht wenige Unternehmer befinden – viele High-Net-Worth-Individuals (HNWIs) von morgen.

7. Ein Duo furioso und sonst?

Gut möglich, dass das grösste Problem der CS höchst profan ist und darin besteht, dass die Neuorientierung der Bank auf zwei wenig charismatischen Personen beruht: Axel Lehmann und Ulrich Körner, beides zwar gestandene Bankmanager, doch das allein reicht in der heutigen Zeit kam mehr aus. Es verwundert vielmehr, dass die gesamte Lancierung der «neuen Credit Suisse» dermassen auf zwei einzelnen Individuen fixiert ist. Das widerspricht sämtlichen zeitgenössischen Management-Prinzipien, die den Team-Geist nach vorne kehren.

Bisher war nur von Lehmann und Körner die Rede; was aber tun die übrigen Mitglieder der Konzernleitung? Wäre es nicht an der Zeit, auch diese in den Fokus zu rücken, zumal die CS auf der Teppichetage innert Jahresfrist mehr oder weniger das ganze Personal ausgewechselt hat und nun angeblich ausnahmslos mit absoluten Fachleuten bestückt ist? Die Investorenschaft will mehr hören als bloss die Beteuerungen zweier Einzelkämpfer, denen man offenbar nicht den grossen (Kultur-)Wandel zutraut.