Sein Angriff auf das Konglomerat des Inders Gautam Adani hält die weltweiten Börsen in Atem – und macht Nate Anderson berühmt. Der junge Leerverkäufer, der einst als Notretter arbeitete, bringt mit seiner tollkühnen Aktion auch die Schweizer Grossbanken ins Schwitzen.

Die Hindenburg explodierte im Jahr 1937 bei der Landung in Lakehurst in den USA – die Bilder des brennenden Luftschiffs stehen seither ikonisch für von Menschen verursachte Katastrophen.

86 Jahre später ist der Name Hindenburg wieder in aller Munde, an den asiatischen Börsen brennt das Kursfeuer lichterloh: Seit der Attacke des amerikanischen Hedge-Fonds Hindenburg Research hat das Konglomerat des Inders Gautam Adani (Bild unten) in nur drei Tagen mehr als 70 Milliarden Dollar an Wert eingebüsst.

Adani 500

(Bild: Adani Enterprises)

Mit einer Handvoll Finanzprofis gegen ein Konglomerat

Dies ist das Werk eines 38-Jahre-jungen Amerikaners, der im ländlichen US-Bundesstaat Connecticut aufgewachsen ist und als Student zeitweise in Israel als Notretter arbeitete: Nathan «Nate» Anderson (Bild unten). An der Wallstreet gilt er als «Newbie», ist Anderson doch mit seiner Leerverkaufs-Firma Hindenburg erst im Jahr 2017 gestartet. Das Team umfasst Medienberichten zufolge gerade mal fünf Personen.

Doch dieser Zwerg hat sich in den vergangenen Monaten einen Namen als «Riesentöter» gemacht. Zu den den Zielen von Anderson zählt Twitter, das sich in den Händen des (ehemals) reichsten Mannes der Welt befindet, Elon Musk. Und nun bringt der Sohn einer Pflegefachfrau und eines Lehrers den reichsten Asiaten in Rage: Adani hat mit einer wütenden, 413-seitigen Antwortschrift auf die auf 106 Seiten gelisteten Vorwürfe von Hindenburg geantwortet, und dabei die Attacke des Aktivisten auch als Angriff auf Indien gewertet.

Anderson 500

(Bild: Twitter)

«Grösster Schwindel der Wirtschaftsgeaschichte»

Geholfen hat ihm dies allerdings wenig. Am (heutigen) Montag ist der «Sell-off» von Aktien des Adani-Imperiums weitergegangen. Das ist kein gutes Omen für kommenden Freitag. Dannzumal will das Konglomerat rund 2,4 Milliarden Dollar durch die Ausgabe von neuen Aktien aufnehmen. Bei der Aktion geht es weniger um das Geld denn um die Geste. Adani will mit der Kapitalerhöhung den Vorwurf von Hindenburg entkräften, der indische Riese sei nicht zugänglich für internationale Investoren.

Das zählt noch zu den milderen Behauptungen Andersons an die Adresse von Adani. So wirft der junge Leerverkäufer dem Konglomerat vor, über Jahrzehnte hinweg Bilanzen und Aktienpreise manipuliert und den «grössten Schwindel in der Wirtschaftsgeschichte» begangen zu haben.

Attraktiver Zielkunde

Mit dieser Kampfansage hat Hindenburg Investoren in aller Welt aufgerüttelt und insbesondere am indischen Aktienmarkt ein Beben verursacht. Sorge bereiten insbesondere die ausstehenden Schulden der Gruppe, die auf über 25 Milliarden Dollar geschätzt werden. Das dürfte auch Banker bei den Schweizer Häusern UBS und Credit Suisse (CS) ins Schwitzen bringen.

Wie Adani in seiner Replik auf den Aktivisten selber erklärte, sind seine Unternehmungen unter anderem Kunden der beiden Schweizer Grossbanken (siehe Auszug unten). Dies dürfte möglicherweise auch für ihn selber gelten: Als reichster Mann Asiens dürfte er von der UBS und der CS, die beide das Private Banking in der Region dominieren, heftig umworben sein.

Adani Grafik 500

Wankt das Adani-Imperium, könnte dies auch Folgen für die beiden Häuser haben: Auf Wertschriften in den Bilanzen und im schlimmsten Fall auf Krediten drohen Abschreiber, und die bisherigen Kurskorrekturen sind tief genug, dass damit «Margin Calls» auf belehnten Vermögens-Bestandteilen plausibel werden. Vor allem letzterer Mechanismus hat sich wiederholt als Fluch für die Schweizer Privatbanken im Geschäft mit reichen Asiaten erwiesen.

Rettung aus Nahost?

Bei der erwarteten Kapitalerhöhung vom Freitag sind die Namen von UBS und CS bisher nicht gefallen; laut einem Bericht der britischen Zeitung «Financial Times» (Artikel bezalpflichtig) sind hingegen dem Fondshaus Jupiter Asset Management, den französischen Grossbanken BNP Paribas und Société Générale sowie der US-Investmentbank Goldman Sachs bereits fix Titel zugeteilt worden. Laut dem Bericht könnte der Adani Gruppe zudem ein Retter aus Nahost zu Hilfe eilen: IHC, die grösste börsenkotierte Firma aus dem Emirat Abu Dhabi, hat bereits im vergangenen Jahr rund 2 Milliarden Dollar in das Konglomerat investiert.

Nun wird erwartet, dass das Emirat nochmals Geld locker macht, um diese Positionen zu verteidigen. Zu den Investment-Partnern der Adani Gruppe gehört auf der katarische Staatsfonds QIA, wie aus dem Schreiben des Unternehmens hervorgeht. QIA ist hierzulande bekannt als Grossaktionärin der CS.

Damit kriegt es Anderson wohl noch mit weiteren Giganten zu tun. Abschrecken lassen wird sich der Amerikaner, der sich auf das Aufspüren von Unregelmässigkeiten und Betrügereien von Firmen spezialisiert hat, wohl eher nicht. Für seine Hartnäckigkeit ist er schon belohnt worden, nicht nur finanziell: Im Sommer 2021 etwa klagten US-Behörden den Gründer des amerikanische Elektrolastwagen-Bauers Nikola an, nachdem Hindenburg dem Unternehmen Kursmanipulation vorgeworfen hatte.

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