Die vermutliche Einführung von Negativzinsen auf breiter Front werde für einige Bewegung an der Börse sorgen, sagt Stephen Jones von Kames Capital im Interview mit finews.ch.


Herr Jones, Sie scheinen überaus zuversichtlich was die weitere Börsenentwicklung angeht. Was gibt Ihnen Anlass zu so viel Zuversicht?

Die Wahl Donald Trumps zum nächsten US-Präsidenten sowie die Tatsache, dass beide Kammern des US-Kongresses von den Republikanern dominiert sein werden, lassen darauf hoffen, dass sich die Finanzmärkte an Anfang einer eher wieder marktorientierten, ja kapitalistischen Epoche befinden, die auch zu einem Abbau vieler Gesetze und Bestimmung führen sollte.

Das könnte befreiend wirken, sowohl was die Wachstumsperspektiven als auch Tatsache anbelangt, dass in den USA wieder vermehrt Anreize entstehen, Kapital zu repatriieren und in Aktien zu investieren, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Steuersystem reformiert wird und dies zu Entlastungen führt. Verstärkte staatliche Infrastrukturausgaben sowie eine bis auf weiteres lockere Geldpolitik der US-Notenbank würden diese Entwicklung zusätzlich begünstigen.

Ihre Einschätzung kommt ziemlich rational daher. Oftmals ist es aber so, dass unerwartete Ereignisse sämtliche Prognosen über den Haufen werfen. Berücksichtigen Sie solche Überlegungen auch?

Ich bin überzeugt, dass viele Anleger ihre Situation nun grundlegend überdenken. Sie müssen sich eingestehen, dass es in diesem Jahr tatsächlich ganz grosse Befürchtungen gab, sich die schlimmen Prognosen aber recht eigentlich nie bewahrheitet haben. Vor diesem Hintergrund ergeben sich nun radikale Veränderungen, die ich eher als Chancen beurteile denn als Bedrohungen.

«Die Absage an Matteo Renzis Reformen in Italien hat die Anleger nicht einmal mehr interessiert»

Insofern gehe ich für 2017 von einem soliden Fundament aus. Viele Volkswirtschaften haben sich von der Deflationsgefahr entfernt. Natürlich sollte man sich nie in absoluter Sicherheit wähnen, aber eine Spur mehr Risiko – je nach persönlicher Toleranz – liegt nun sicherlich drin.

Mit anderen Worten: Die zahlreichen Unsicherheiten bei der Umsetzung des Brexit-Entscheids sowie die Wahl Trumps beunruhigen Sie nicht sonderlich?

Bislang lagen alle Anleger falsch, die sich in diesem Jahr diesbezüglich Sorgen gemacht haben. Nach dem Brexit-Entscheid erholten sich die Märkte sehr rasch, bei Trumps Wahl dauerte die Unsicherheit an der Börse gerade mal noch neun Stunden, und die Absage an Matteo Renzis Reformen in Italien hat die Anleger nicht einmal mehr interessiert.

«Ich denke, dass wir uns nun in so einem «etwas früheren» Moment befinden»

Gleichzeitig halten die Bank of Japan, die Bank of England und die Europäische Zentralbank an ihren geldpolitischen Programmen fest. Das erhöht die Risiken ein wenig, aber gleichzeitig stützen sich die Währungshüter auch auf ein relativ robustes Wirtschaftswachstum ab.

Was baucht es denn, um die schon seit geraumer Zeit zurückhaltenden Investoren wieder zu etwas mehr Tatendrang zu bewegen?

Aktive Portfolio-Manager wie bei Kames Capital, die es verstehen, Opportunitäten «etwas früher» zu erkennen, um so noch vor der «Herde» gut positioniert zu sein. Und ich denke, dass wir uns nun in so einem «etwas früheren» Moment befinden.

Das verkünden alle Asset Manager regelmässig. Dabei haben die Anleger wohl schon oft solche Ansagen vernommen und mussten dann Enttäuschungen hinnehmen. Was sollte denn diesmal anders sein?

Der Brexit-Entscheid der Briten, Amerikas Wahl von Donald Trump sowie Rohstoffpreise, die im Verlauf der vergangenen Monate neue Tiefstände erreichten – das alles sind Ereignisse, die auf tiefgreifende, sagen wir strukturelle Veränderungen schliessen lassen und nicht bloss auf einzelne Anpassungen.

Können Sie das etwas genauer erklären?

Grossbritannien hat sich entschieden, nach 43 Jahren die EU zu verlassen. Das ist zweifellos ein Paradigmenwechsel. Natürlich birgt die weitere Entwicklung enorme Risiken, bietet gleichzeitig aber auch Chancen, weil es in vielen Bereichen zu einer neuen Ressourcen-Allokation kommt.

«Viele Sparer werden ihren «Cash» vom Konto in andere Anlageklassen verlagern»

In dieser Situation hängt es vom Geschick aktiver Portfolio-Manager ab, zwischen den Polen zu navigieren. Das ist etwas ungemein Spannendes.

Werden die Finanzinstitute im nächsten Jahr die Negativzinsen auch auf Sparer und Kleinanleger überwälzen?

In der Tat, damit haben sich die Banken bislang zurückgehalten. Aber langsam geht das nicht mehr. Macht ein Institut den ersten Schritt, wird es nicht lange dauern, bis alle anderen folgen. Doch auch bei diesem Szenario gilt: Das wird für allerhand Bewegung an der Börse sorgen. Viele Sparer werden ihren «Cash» vom Konto in andere Anlageklassen verlagern.

Seit einiger Zeit stehen die «aktiven» Manager in der Kritik, zwar teurer aber nicht erfolgreicher zu sein als ihre «passiven» Kollegen. Worin liegt denn der Wert des aktiven Investierens, wenn ein Anleger denselben Service von einem «passiven» Manager viel günstiger haben kann?

Zu viele aktive Manager gehen zu wenige Risiken ein, oder sie halten sich nicht an das, was sie ihren Kunden versprechen. Sie orientieren sich einfach am Index, das ist ihr Benchmark; dafür braucht es tatsächlich keine «aktiven» Manager. Bei Kames Capital fällen wir unsere Anlageentscheide nach fundamentalen Analysten mit grösster Überzeugung (High-Conviction). Unter diesen Voraussetzungen konstruieren wir unsere Portfolios, die zugegebenermassen ein relativ hohes Aktienrisiko beinhalten, aber stets in Absprache mit dem jeweiligen Kunden und seinem Profil sind. So lassen sich nach wie vor Renditen erzielen, die auch auf mittlere Sicht einen Index übertreffen.

«Es gibt Anleger, die durchaus gewillt sind, für eine bestimmte Anlagestrategie mehr zu bezahlen»

Und noch etwas: Nicht alle Investoren schauen beim Fondskauf nur auf die Kosten, genauso wie nicht alle Menschen dieselben Schuhe, Autos oder Handtaschen kaufen.
Es gibt Anleger, die durchaus gewillt sind, für eine bestimmte Anlagestrategie etwas mehr zu bezahlen, weil sie überzeugt sind, damit am Ende des Tages mehr zu verdienen.

Trotzdem ist der Vormarsch von Exchange Traded Funds (ETF) doch sehr dominierend.

Ja, aber bislang fehlen uns auch die Erfahrungswerte, ob diese Produkte auch in Sachen Liquidität massentauglich sind, also ob genügend Liquidität vorhanden wäre, sollte es zu einem Exodus von Investoren kommen. Manche Produktmanager geben zwar vor, genügend Liquidität bereitstellen zu können, selbst wenn die zu Grunde liegenden Werte im Markt dies gar nicht erlauben. Das muss man sicherlich im Auge behalten.


Stephen Jones ist Chief Investment Officer (CIO) und Mitglied der Geschäftsleitung der im schottischen Edinburgh ansässigen Finanzgesellschaft Kames Capital. Er studierte Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der University of Newcastle und ist inzwischen seit gut 25 Jahren in der Finanzbranche tätig.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.26%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.91%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.28%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.76%
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