Amelia hilft Credit-Suisse-Bankern bei Computerproblemen. Doch die Künstliche Intelligenz im blonden Avatar lernt so schnell, dass es dabei nicht bleibt. finews.ch hat mit Amelias Schöpfer gesprochen.

Vor gut einem Jahr lud Chetan Dube (Bild unten) Wirtschaftsführer aus aller Welt zum Turing-Test: Am Hauptsitz seiner Firma IP Soft in New York sollten sie urteilen, ob sie die Studentin Lauren Hayes vom Avatar Amelia unterscheiden könnten. Gelingt das nicht, so will es das vom Computer-Pionier Alan Turing 1950 erdachte Verfahren, hat man es mit einer wahrhaft «intelligenten» Maschine zu tun.

Dass Amelia die Probe damals nicht bestand, interessiert heute keinen mehr. Der Auftritt wurde ein Grosserfolg. Aufträge für Pilotversionen der nach der US-Flugpionierin Amelia Earhart benannten Software trafen aus aller Welt ein – nicht zuletzt von der Schweizer Grossbank Credit Suisse (CS). Das Institut nahm die smarte Maschine vor anderthalb Jahren auf Probe ins Haus, damit sie Angestellten bei der Lösung von IT-Problemen helfe.

Geheime Gespräche in der Schweiz

Nun sitzt Dube in einer Zürcher Hotelbar. Mit Fliege und Samtsakko scheint er einem feinen Londoner Herrenclub entsprungen, das geschliffene Oxford-Englisch verstärkt den Eindruck noch. Schon als junger Mathematikprofessor an der Universität von New York beschäftigte er sich mit der Frage, ob Maschinen denken können.

Die Antwort suchte er jedoch in der Privatwirtschaft. 1998 gegründeten die Techfirma IP Soft. Diese nimmt heute mit rund 2'500 Mitarbeitern für sich in Anspruch, die weltweit grösste Anbieterin von Künstlicher Intelligenz (KI) zu sein.

Konzerne aus allen mögliche Branchen und Ländern zählen zu Dubes Kunden; in der Schweiz führt er gerade geheime Gespräche mit einem Marktriesen. Und natürlich stehe IP Soft auch in regem Kontakt mit der CS, der zweitgrössten Bank des Landes, sagt der CEO.

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Von der Schülerin zum Banker in 18 Monaten

Beim Institut hatte Amelia keinen einfachen Start, wie auch finews.ch berichtete. Doch nun, sagt ihr Schöpfer Dube, könne sie schon fast alle IT-Supportfragen entgegennehmen und eine Lösung dafür finden. Gleichzeitig hat sich das Volumen der geführten Unterhaltungen seit dem Sommer fast verdoppelt. «Vor 18 Monaten war sie nur eine Gymnasialschülerin, jetzt ist sie eine Jungbankerin», freut sich Dube.

Er gerät ins Schwärmen. Amelia sei eben kein Chatbot wie die Alexas und Siris dieser Welt. Sondern bilde nach, wie die menschliche Neurokortex funktioniert und vor allem, was das menschliche Gehirn produziert. Technisch gesehen verfügt die adrette Blondine gar über sechs Hirne. Dazu gehören Zentren für Semantik und Logik, Gedächtnisse für Abläufe und Emotionen und sogar ein Gehirn, das speziell auf Smalltalk programmiert ist.

Anlaufstelle für 20 Millionen Mexikaner

Das soll Amelia befähigen, auch die komplexen Wünsche hinter menschlichen Fragestellungen wahrzunehmen. «Wenn Menschen das Gefühl haben, dass Amelia sie wirklich versteht, und sei keine Umleitung zu einem Menschen mehr brauchen: dann haben wir unser Ziel erreicht», sagt Dube.

Bereits befindet sich Amelia auf dem Weg zum Ziel, gerade auch in der Finanzwelt. Während in der Branche grosse Zürckhaltung herrscht, «Roboter» auf die Kunden loszulassen, vermag Amelia diese Vorbehalte offensichtlich zu zerstreuen. Die Grossbank BBVA bedient ihre 20 Millionen Retailkunden in Mexiko bereits mit der KI von IP Soft. Die grösste US-Bank J.P. Morgan Chase ist dabei, Amelia in ihr Kreditkartengeschäft zu integrieren. Und die schwedische Skandinaviska Enskilda Banken (SEB) verwendet Amelia inzwischen nicht nur intern, sondern auch im Kundenkontakt.

Auch mit der CS befindet sich IP Soft im Gespräch, Amelia an der Kundenfront einzusetzen. Auf Anfrage von finews.ch wollte dies die Grossbank nicht bestätigen. Wie es im Umfeld des Instituts heisst, ist vielmehr angedacht, dass Amelia ihre Fähigkeiten über den IT-Support hinaus ausdehnt und eine Art Mitarbeiter-Concierge wird. Im Kundenkontakt kommen andere digitale Instrumente zum Einsatz.

Vorstoss ins Private Banking

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