Der Zahlungsverkehr habe innert sechs Wochen einen Entwicklungssprung erlebt, für den es sonst eine halbe Generation braucht, sagt der CEO den Innenarchitekur-Büros Mint zu finews.ch. Solchen Schub könnte nun auch das Home Office erfahren. 


Herr Roth, Mint Architecture entwirft für Schweizer Finanzdienstleister Büroräume und Filialen. Bricht Ihnen in Zeiten von Corona das Geschäft weg?

Wir sind als Architekturbüro für kommerzielle Architektur breit aufgestellt. Es gibt sicher Bereiche, in denen wir die Auswirkungen des Lockdowns spüren und in denen Projekte zurückgestellt wurden.

Aber das Home Office liegt im Trend. Einer aktuellen Umfrage der Grossbank Credit Suisse zufolge rechnen Schweizer Unternehmen damit, dass der Anteil der Heimarbeit nach der Krise auf 14 Prozent zunimmt. Wer gestaltet da noch seine Büros um?

Unserer Meinung nach wird die Dringlichkeit zu Neuerungen aufgrund der Erfahrungen aus der Krise eher noch steigen. Wenn Home Office zum breiten Trend wird, muss sich ein Unternehmen ganz genau überlegen, wie die Arbeit im Büro künftig aussehen soll und welche Auswirkungen dies auf die Raumgestaltung hat. Die Nutzerkonzeption, die bei allen unseren Projekten zentral ist, rückt mehr denn je in den Fokus.

Konkret, wie sehen Büros künftig aus?

Der Lockdown hat eine Art erzwungene Probezeit für die gesamte Bevölkerung geschaffen, die sowohl positive als auch negative Aspekte der Heimarbeit zum Vorschein gebracht hat. Dabei hat sich gezeigt, dass gewisse Tätigkeiten leichter fallen im Home Office, wie die fokussierte Arbeit über eine längere Zeit.

«Das Büro muss sich künftig an der Qualität des Home Office messen»

Andere Aufgaben, die Teamarbeit, den Ideen- und Meinungsaustausch oder den persönlichen Kundenkontakt erfordern, werden auch künftig im physischen Raum stattfinden. Dabei dürfen wir auch nicht aus den Augen verlieren, dass die Schweiz ein Dienstleistungsland mit hohen Qualitätsansprüchen ist, denen nicht alle zu Hause im eigenen Kämmerlein gerecht werden können.

Das heisst?

Diese Erkenntnisse und Bedürfnisse müssen in künftige Arbeitswelten einfliessen. Im Büro soll die Zeit maximal genutzt und so effizient und produktiv wie möglich gearbeitet werden können. Dazu braucht es Zonen, in denen ruhig gearbeitet werden kann, als auch Platz für Teamarbeit. Kurz – ein Mix von Raum-Typologien, die sich aus den unterschiedlichen Nutzerbedürfnissen ergeben.

Das klingt nach mehr Sofaecken und lockerem Dekor. Verschwimmen Heim und Büro in der Innenarchitektur?

Nein, das ginge in die falsche Richtung. Denn wozu gingen wir dann ins Büro? Ziemlich sicher ist jedoch, dass sich das Büro künftig an der Qualität des Home Office messen muss, und umgekehrt.

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Begegnungszone in den Büros der SIX Gruppe, Zürich (Bild Mint)

Bankmanager wie Thomas Gottstein von der Credit Suisse und Sabine Keller-Busse von der UBS sagen inzwischen offen, dass ihre jeweiligen Banken künftig weniger Büros brauchen. Das läuft unter dem Strich auf weniger Fläche heraus, oder?

Nicht zwingend. Womöglich wird es künftig weniger voll installierte Arbeitsplätze geben, weniger Einzelbüros, weniger Tische und Stühle. Die Flächen selber sind aber für die neuen Arbeitsformen in der Gemeinschaft durchaus wichtig. Weniger Präsenz im Büro sollte nicht einfach in weniger Fläche umgemünzt werden. Es geht darum, neue Arbeitsformen konzeptionell in die Gestaltung zu übersetzen.

Wie?

Zuerst müssen wir die Nutzer, die Art der Arbeit, die Abläufe, die Verbindung von Abteilungen analysieren und verstehen. Dabei können wir mit unserem Konzept des Actitvity Based Working  auf veränderte Gewohnheiten und Verhaltenmsuster mit neuen Typologien reagieren. Typologien wie Remote-Working, Videokonferenz-Räume und Kollaborationsräume werden wichtiger.

Aber die Präsenz im Büro nimmt unter dem Strich ab.

Das ist auch bei Mint eine der Lehren aus der Coronakrise. Rund 80 Prozent unserer gut 50 Mitarbeitenden wurden im Lockdown ins Home Office geschickt. Mit der Rückkehr haben wir eingeführt, dass Mitarbeitende zu einem fixen Anteil von zuhause aus arbeiten dürfen.

«Dies hätte auch den positiven Nebeneffekt, nicht in private Räume zu blicken»

Dabei wird aber offensichtlich, dass das Büro der Mittelpunkt der Identität und Kultur einer Organisation ist, in dem die entscheidenden Interaktionen stattfinden, die Innovationen anregen. Es geht um Identität, Austausch, aber auch um Gemeinsinn. Diesem Anspruch kann ein Home Office, in dem das Familiäre und die Privatsphäre im Vordergrund stehen, nicht gerecht werden.

Sie sagen also, zuhause seien die Mitarbeitenden von der Firmenkultur abgeschnitten. Ist es denkbar, dass die Unternehmen bei der Gestaltung des Home Office mitreden?

Wir führen bereits erste Gespräche in diese Richtung, wobei es in erster Linie um die Infrastruktur und Ausrüstung geht. Bei der Neugestaltung von Arbeitsräumen sollte deshalb das Remote Working in die konzeptionellen Überlegungen einbezogen werden. So könnte zum Beispiel den Mitarbeitenden mit einem fixen Anteil an Heimarbeit dasselbe Mobiliar zur Verfügung gestellt werden. In einem weiteren Schritt liesse sich auch überlegen, wie mittels Objekten und Dekor die Kultur und das Image eines Unternehmens auch im Home Office erlebbar gemacht werden kann. Dies hätte auch den positiven Nebeneffekt, nicht in private und nicht Firmen-repräsentative Räume zu blicken, wie es während des Lockdown im Videoconferencing doch des Öfteren der Fall war.

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Kundenzone der Bank Zimmerberg, Horgen ZH (Bild: Mint)

Wie handhaben Ihre Bankkunden die Möglichkeit von Home Office?

Bei Banken sind Aspekte wie Vertraulichkeit und Sicherheit natürlich höher gewichtet als in anderen Branchen. So gelten für gewisse Stellen klare Sicherheitslinien. Das muss in einem Gestaltungskonzept von Arbeits- und Kundenräumen in Banken und bei der Frage, welche Tätigkeiten im Home Office möglich sind, mit berücksichtigt werden.

Schon vor der Krise gemahnten neue Bankfilial-Konzepte ans Wohnzimmer zuhause. Wird dieser Trend noch verstärkt?

Absolut. Die Nutzung von Bargeld ist während des Lockdowns drastisch zurückgegangen – und der Geldbezug war bis anhin eine der wesentlichen Gründe, um zur Bank zu gehen. Bankfilialen werden noch stärker zu Kunden- und Arbeitswelten verschmelzen.

«Wenn die berufliche Reisetätigkeit generell abnimmt, liessen sich Filialen als Co-Working-Space verwenden»

Die Finanzinstitute müssen sich überlegen, für welche Dienstleistungen und Zwecke der persönliche Kundenkontakt und somit die Filiale künftig für den Geschäftserfolg und die Vertrauens- und Markenbildung essenziell sein werden.

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Filale der Bank Cler, Zürich (Bild: Mint)

Ist der Mix mit anderen Branchen die Lösung – Bank mit Kaffeehaus oder Bank mit Immobilienmakler?

Oder eine Bank mit E-Bike-Shop. Die E-Mobilität hat in der Krise ebenfalls einen Schub erfahren. Das lässt sich für neue Konzepte nutzen. Und wenn die berufliche Reisetätigkeit generell abnimmt, liessen sich Standorte auch vermehrt als Co-Working-Space verwenden. Das geht aber nur in gut frequentierten Lagen.

Gewisse Banken schliessen überzählige Standorte lieber, wie sich nach dem Lockdown gezeigt hat. Beschleunigt die Coronakrise das Filialsterben?

Möglich ist, dass sich das Netz auf Hubs konzentriert. Nicht alle Filialen können von den Räumlichkeiten her auf ein neues Konzept umgerüstet werden. Gewisse Standorte wiederum werden zu wenig frequentiert. Trotzdem haben die Banken alles Interesse, in der Nähe ihrer Kunden zu bleiben. Dazu sind Filialen nun mal wichtig.

Also bleibt bei der Immobiliennutzung der Banken mehr beim Alten, als jetzt angenommen wird?

Im Umgang mit Zahlungen haben wir innert sechs Wochen einen Entwicklungssprung erlebt, für den es sonst eine halbe Generation gebraucht hätte. Es ist nicht auszuschliessen, dass auch Trends wiedas Home Office noch mehr an Schwung gewinnen. Die Ausrüstung dazu ist vorhanden – und die Mitarbeitenden haben den Umgang mit digitaler Kommunikation in Rekordzeit gelernt. Der Lockdown war ein Ausnahmezustand und hat einen gewissen Paradigmawechsel eingeleitet. Nun geht es mehr denn je darum, die digitale und physische Präsenz in Arbeitsraum-Konzepte zu übersetzen, welche für alle Mehrwerte bringen.


Peter Roth ist seit 2015 CEO und Partner von Mint Architecture. Die Spezialistin für kommerzielle Architekturprojekte mit Sitz in Zürich hat für Finanzkunden wie die SIX, Raiffeisen oder die Zürcher und Basler Kantonalbanken verschiedene Filial- und Büroprojekte umgesetzt.

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