Peter Schnürer gibt der Kritik von Adriano Lucatelli am Schweizer Tokenisierungs-Boom teilweise recht. Der CEO von Daura sagt im Interview mit finews.ch aber auch, die Tokenisierung berge ein Riesenpotenzial für den Finanzplatz.


Herr Schnürer, in einem Interview auf finews.ch wurde der Sinn der Tokenisierung von KMU-Aktien angezweifelt. Was ist Ihre Sicht dazu?

In der Tat gibt es viele kritische Meinungen zur Tokenisierung von KMU-Aktien. Zurecht – neuartige Technologien und Angebote müssen sich zuerst beweisen und durchsetzen.

Aus meiner Sicht ist die Tokenisierung von Aktien ein absoluter Game Changer und bringt sehr viele Vorteile mit sich: Token sind ideale Mittel, um digitale Aktien herauszugeben, zu verwahren und zu transferieren. Die Abwicklungskosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette sinken massiv.

KMU-Aktien sind bereits digitalisiert und handelbar, beispielsweise über die Ledgy-Plattform. Was ist der Gewinn der Tokenisierung im Vergleich dazu?

Die Digitalisierung von Aktien auf Basis klassischer Prozesse und Rollen ist sehr zu begrüssen und ein Schritt in die notwendige Richtung. Tokenisierung ermöglicht jedoch weitaus tiefgreifendere Veränderungen.

Durch Token werden aus Aktien hochgradig interoperable Vermögenswerte. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette können die Marktteilnehmer viel direkter und effizienter miteinander interagieren.

«Die Verwaltung der Aktionäre wird viel einfacher»

Der Aktionär kann direkt seinen manipulationssicheren Eintrag im Aktienbuch einsehen, jeder Transfer wird automatisch ins Aktienbuch synchronisiert und mit Token als digitaler Aktionärsausweis entstehen Anwendungsmöglichkeiten wie digitale Generalversammlungen und Kundenbindungsprogramme mit Mikro-Aktien.

Das ist aber nur der Anfang einer tiefgreifenden Umwälzung. So wie das Internet den Detailhandel verändert hat, wird Tokenisierung die gesamte Wertschöpfungskette im Wertschriftenbereich betreffen.

Sind KMU denn das richtige Segment für die Tokenisierung, wenn bei diesen das Aktionariat in der Regel sehr überschaubar ist?

Absolut. Es gibt sehr viele verschiedene Anwendungsbeispiele. Auch Unternehmen mit überschaubarem Aktionariat nutzen unsere Plattform für die Abwicklung von Kapitalerhöhungen oder digitalen Generalversammlungen, um den Prozess zu vereinfachen.

Gleichzeitig müssen sie sich nicht mehr um die Pflege des Aktienbuches kümmern, da es stets aktuell gehalten wird. Damit gewinnen Unternehmen an Effizienz und die Verwaltung vieler Aktionäre wird einfacher.

«Der Hockey-Clup Ambrì-Piotta macht es vor»

Für kleine Unternehmen wird es somit attraktiv und einfach das Aktionariat zu vergrössern. Denn jeder Aktionär ist ja auch ein Botschafter für das Unternehmen. Aktiengesellschaften wie der Hockey Club Ambrì-Piotta machen dies bereits vor.

Künftig wird jeder Aktionär des HCAP in der Lage sein, seine Aktien digital zu verwalten. Mittels weiterer Kapitalerhöhungen, welche über Daura abgewickelt werden, kann die breite Fangemeinde «per Knopfdruck» in den Verein investieren.

Tokenisierungen sind ein grosser Trend, gerade auch bei Schweizer Banken. Droht ein Überangebot von Dienstleistern?

Steigende Anbieterzahlen sind immer ein Zeichen, dass ein innovatives Thema Marktreife erlangt. Wir sollten hier über die Grenzen hinausdenken: Wenn es gelingt, die Schweiz als führendes Land bei der Tokenisierung von Vermögenswerten zu positionieren, reden wir hier von einem gigantischen Potenzial für den gesamten Finanzplatz.

Dabei bereitet mir die Zahl der Anbieter keine Sorge – viel wichtiger ist, dass es gelingt, sich auf gemeinsame Standards für die Interoperabilität von Token zu einigen.

Wie ist die Nachfrage von Schweizer KMU für das Blockchain-Aktienregister von Daura?

Wir haben mittlerweile einen Kundenstamm von deutlich über 20 Firmen, welche das Aktienbuch über Daura führen, Kapitalerhöhungen digital durchführen und unsere Plattform als Tool für die Abwicklung von digitalen Generalversammlungen nutzen.

Damit sind wir Marktführer, aber noch weit weg von der Massenadaption. Weitere spannende Projekte folgen in Kürze und werden wiederum zu gesteigerter Aufmerksamkeit führen. Mit dieser Resonanz sind wir mehr als zufrieden.

Sind KMU-Investoren aktiv auf Daura?

Wir haben ein stabiles monatliches Wachstum von 5 bis 10 Prozent und mittlerweile über 500 registrierte Investoren auf unserer Plattform. Interessant ist, dass wir es schaffen, neue Investorenkreise zu erschliessen: Während der klassische KMU-Investor über 60 Jahre alt und männlich ist, haben wir auf Daura ein Durchschnittsalter von 39 und einen verhältnismässig hohen Anteil an weiblichen Investoren.

Die Technologie für Tokenisierung und ihre praktische Anwendung ist heute weniger das Problem, als dass ein echter Markt besteht, um einen Handel zu gewährleisten. Was tut sich in diesem Bereich?

Erste Unternehmen haben kommuniziert, dass sie in absehbarer Zeit Marktplätze zur Verfügung stellen werden. Namentlich handelt es sich um die Sygnum Bank und die Berner Kantonalbank. Beides sind Partner von Daura.


Peter Schnürer ist seit zwei Jahren CEO des Blockchain-Startups Daura. Das Joint-Venture der Swisscom und des Zuger Anwalts Luka Müller tokenisiert Schweizer Aktien, so dass auch KMU, Wertpapiere herausgeben und Kapitalerhöhungen durchführen können. Schnürer war zuvor Digitalchef des Banken-Outsourcers Inventx gewesen.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.32%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.78%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.88%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.36%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.67%
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