Während die Konsumenten sich danach sehnen, dass ihre frühere Lebensweise zurückkehrt, spielen Marken im Lockdown eine noch wichtigere Rolle – beim Stressabbau und dem Bedürfnis nach Eskapismus, wie Florin Baeriswyl in seinem Essay für finews.first schreibt.


In dieser Rubrik nehmen Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen.


Viele Konsumenten, die mit dem Lockdown plötzlich bloss noch auf ihr Zuhause limitiert waren, sehnten sich bald schon nach sozialen Aktivitäten, wie dem Besuch eines Restaurants, dem zwangslosen Zusammensein mit Freunden oder ganz einfach wieder einmal Einkaufen zu gehen.

Dabei geben ihnen Marken von Produkten eine Fluchtmöglichkeit, die langfristig dazu führen wird, dass genau diese «Brands» noch beliebter sein werden. 

Denn viele Einkäufe werden derzeit aus praktischen Gründen getätigt, aber Detailhändler, die ansprechende «Geschichten» erzählen und kreative Inspiration bieten können, werden schneller den Aufschwung spüren. Die eingangs erwähnten Fluchtmöglichkeiten sind indessen nur einer von mehreren Faktoren, welche die Art und Weise beeinflussen, wie sich die Konsumenten heute verhalten, und wie die Marken reagieren werden.

«Die Neustart-Mentalität läuft im Prinzip auf ein verändertes Konsumverhalten hinaus»

Weil sich Konsumenten ständig weiterentwickeln, wird in Zeiten wie jetzt die Selbstbelohnung viele Menschen zu Käufen anregen, die sie sonst eher weniger tun würden. Linda Price, Marketingprofessorin an der Universität von Oregon, bezeichnet dieses Bedürfnis als «Neustart-Mentalität», was im Prinzip auf ein verändertes Konsumverhalten hinausläuft. 

So hat beisielsweise der Sportartikel-Hersteller Nike unlängst die Notwendigkeit des Eskapismus' als Mittel erkannt, um chinesische Kunden über ihre Trainings-Club-App anzusprechen und sie via E-Commerce-Anwendung zu Online-Verkäufen zu motivieren.

«Die Anbieter müssen ihren Kunden kreative Einkaufserfahrungen ermöglichen»

Detailhändler, die sich das aktuelle Kundenverhalten über Online-Kanäle zunutze machen wollen, müssen einiges daran setzen, den Konsumenten kreative Einkaufserfahrungen zu vermitteln; indem sie beispielsweise die Sozialen Medien bespielen und so für Emotionen und Begeisterung sorgen. Dadurch wird es dereinst auch wieder möglich sein, die Kundinnen und Kunden in die Geschäfte zurückzuholen, wo man ihnen «Goodies» wie eine Produkteeinführung in limitierter Auflage anbieten kann.

Zu bedenken gilt auch, dass wenn Menschen, um ein Geschäft zu betreten, über eine längere Zeit Schlange stehen müssen, das visuelle Erlebnis eine erheblich grössere Bedeutung erlangt. Hier müssen die Anbieter ihre Shop-Konzepte, Einkaufsetagen und Schaufenster-Auslagen gänzlich neu überdenken.

«Der Lockdown hat den Detailhändlern die Gelegenheit zum Experimentieren gegeben»

Da fast ein Drittel der Welt unter einer Art Lockdown steht, hat die erzwungene Isolation das digitale Verhalten der Konsumenten massgeblich verändert. Ein gutes Beispiel dafür ist, dass die Menschen nun in Scharen zu Online-Kunstgalerien (mehr als 370'000 Menschen allein in China nahmen kürzlich an einem virtuellen Rundgang durch das British Museum teil) strömen, oder sich Apps zum Erlernen von Sprachen zulegen. Eine digitale Beschleunigung erleben wir auch in der Modewelt, wo Nutzer Sozialer Medien neue Marken über Apps wie YouTube oder Instagram entdecken.

Kurzum: Der Direktverkauf über Soziale Medien ist der Schlüssel dafür, wie eine Marke vom steilen Anstieg des digitalen Konsums profitieren kann.

Tatsächlich hat der Lockdown den Detailhändlern die Gelegenheit zum Experimentieren gegeben. Das Nobelwarenhaus Saks Fifth Avenue hat seinen Lieferplan für saisonale Produkte vollkommen geändert, um ihn der veränderten Konsumnachfrage anzupassen; und der Luxusgüter-Händler Nordstrom hat Nordstrom Local ins Leben gerufen – ein Detailhandels-Konzept ohne Lagerbestand, dafür aber Dienstleistungen wie Kleideränderungen und Styling vor Ort anbietet. Diese Beispielse könnten in Zukunft eine erfolgreichere Formel sein, da sie zu höheren Ausgaben führen.

«Mehr als 150 Marken präsentierten ihre neusten Mode-Kollektionen per Live-Stream»

Im März dieses Jahres verfolgten mehr als 2,5 Millionen Zuschauer die Shanghai Fashion Week, die erste, rein digitale Modewoche. Über 150 Marken präsentierten ihre neusten Kollektionen per Live-Stream, und einige von ihnen erreichten Konversionsraten von mehr als 15 Prozent. Und im vergangenen Jahr erreichten die Umsätze beim Global Shopping Festival am 11. November 2019 in China, bei dem das Live-Streaming eine zentrale Rolle spielte, 38'379'306'333 Dollar.

Marken wie Drest und Carlings experimentieren bereits höchst erfolgreich mit Mode, bei der die Klientel in digitale Styling- respektive Bekleidungskollektionen eintaucht. Kaufhäuser wiederum bewegen sich vom traditionellen Warenhaus-Konzept weg zu einem vermietbaren Shop-in-Shop-Modell, bei dem die Marken ihren eigenen Bestand und Verkauf digital kontrollieren.

«Markenfirmen werden komplexe Omnichannel-Strategien entwickeln müssen»

Mit Hilfe der Integration von Sensoren und der IoT-Technologie lassen sich wertvolle Erkenntnisse aus diesen Tools gewinnen, wie die Bewegungströme in einem Geschäftslokal verlaufen, oder wie sich die daraus resultierenden Engpässe besser analysieren lassen. Es ist davon auszugehen, dass sich einige dieser Technologien im Laufe der Zeit noch stärker im Detailhandelswesen durchsetzen werden.

Insofern werden die Massnahmen, welche die Anbieter heute treffen, das langfristige Schicksal vieler Konsumenten beeinflussen. Und zwar in dem Masse, als die Menschen die digitale Technologie für ihren E-Commerce-Konsum verwenden werden. Vor diesem Hintergrund werden Markenfirmen komplexe Omnichannel-Strategien entwickeln müssen, um ihre Zielkundschaft auch morgen noch zu erreichen. Unternehmen, die diese Kanäle kreativ zu nutzen verstehen, werden eher in der Lage sein, belebende Kundenerfahrungen sowie die Fluchtmöglichkeiten auch in einer Welt nach Covid-19 zu offerieren.


Florin Baeriswyl ist Unternehmer und Berater für internationale Markenführung und -strategie sowie für Design. Er gründete 1987 «dai Zürich», eine Design-Agentur, die Corporate Design-Dienstleistungen in Zürich und mittlerweile auch in London und Shanghai anbietet. Aufgrund seines frühen Engagements in China wurde er schnell zu einem Experten für die strategische Entwicklung von Unternehmen zwischen Ost und West. Als Folge davon berief ihn die in Peking ansässige DeTao Group an die Fudan/SIVA-Universität sowie an die DeTao Masters Academy. Überdies gründete er das Institute for Swiss International Branding (ISIB), das Studenten die Möglichkeit bietet, ihr akademisches Wissen mit Fallstudien aus der chinesischen Industrie und Regierung zu kombinieren. Schliesslich eröffnete er das «Studio Baeriswyl» in Schanghai, das Beratungs- und Ausbildungsdienste für Markenprodukte anbietet.


Bisherige Texte von: Rudi BogniRolf BanzWerner VogtWalter WittmannAlfred Mettler, Robert HolzachCraig MurrayDavid ZollingerArthur BolligerBeat KappelerChris RoweStefan GerlachMarc Lussy, Nuno FernandesRichard EggerDieter RuloffMarco BargelSteve HankeUrs Schoettli, Maurice PedergnanaStefan Kreuzkamp, Oliver BussmannMichael BenzAlbert Steck, Martin DahindenThomas FedierAlfred MettlerBrigitte Strebel, Mirjam Staub-Bisang, Kim IskyanStephen DoverDenise Kenyon-RouvinezChristian DreyerKinan Khadam-Al-JameRobert HemmiAnton AffentrangerYves Mirabaud, Hans-Martin KrausGérard Guerdat, Mario BassiStephen ThariyanDan SteinbockRino BoriniBert FlossbachMichael HasenstabGuido SchillingWerner E. RutschDorte Bech VizardAdriano B. Lucatelli, Maya BhandariJean TiroleHans Jakob RothMarco Martinelli, Thomas Sutter, Tom King, Werner PeyerThomas KupferPeter Kurer, Arturo Bris, Frédéric Papp, James Syme, Dennis Larsen, Bernd Kramer, Marionna Wegenstein, Armin JansNicolas Roth, Hans Ulrich Jost, Patrick Hunger, Fabrizio QuirighettiClaire Shaw, Peter FanconiAlex Wolf, Dan Steinbock, Patrick Scheurle, Sandro Occhilupo, Will Ballard, Michael Bornhäusser, Nicholas Yeo, Claude-Alain Margelisch, Jean-François Hirschel, Jens Pongratz, Samuel Gerber, Philipp Weckherlin, Anne Richards, Antoni Trenchev, Benoit Barbereau, Pascal R. Bersier, Shaul Lifshitz, Ana Botín, Martin Gilbert, Jesper Koll, Ingo Rauser, Carlo Capaul, Markus Winkler, Konrad Hummler, Thomas Steinemann, Christina Böck, Guillaume Compeyron, Miro Zivkovic, Alexander F. Wagner, Eric Heymann, Christoph Sax, Felix Brem, Jochen Möbert, Jacques-Aurélien Marcireau, Ursula Finsterwald, Claudia Kraaz, Michel Longhini, Stefan Blum, Nicolas Ramelet, Søren Bjønness, Lamara von Albertini, Andreas Britt, Gilles Prince, Darren Williams, Shanu Hinduja, Salman Ahmed, Stéphane Monier, Peter van der Welle, Ken Orchard, Christian Gast, Jürgen Braunstein, Jeffrey Vögeli, Fiona Frick, Stefan Schneider, Matthias Hunn, Andreas Vetsch, Teodoro Cocca, Mark Hawtin, Fabiana Fedeli, Marionna Wegenstein, Kim Fournais, Carole Millet, Swetha Ramachandran, Brigitte Kaps, Thomas Stucki, Teodoro Cocca, Neil Shearing, Claude Baumann, Guy de Blonay, Tom Naratil, Oliver Berger, Robert Sharps, Tobias Müller, Florian Wicki, Jean Keller, Fabrizio Pagani, Niels Lan Doky, Michael Welti, Karin M. Klossek, Ralph Ebert, Johnny El Hachem, Judith Basad, Katharina Bart, Thorsten Polleit, Beat Wittmann, Bernardo Brunschwiler, Peter Schmid, Karam Hinduja, Zsolt Kohalmi, Didier Saint-Georges, Raphaël Surber, Santosh Brivio, Gérard Piasko, Mark Urquhart, Olivier Kessler, Bruno Capone, Peter Hody, Lars Jaeger und Andrew Isbester.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.67%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.57%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.18%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.06%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.51%
pixel