Er zählt zu den grössten und innovativsten Asset Managern der Welt und ist seit bald sechs Jahrzehnten auch in der Schweiz vertreten. Trotzdem kennt ihn hierzulande kaum jemand. Eine Spurensuche.

Die Capital Group existiert seit 90 Jahren und ist seit bald 60 Jahre in der Schweiz präsent. Trotzdem ist sie hierzulande in weiten Kreisen kaum bekannt. Dies erstaunt umso mehr, zumal dieser amerikanische Asset Manager mit seinen gut 8'000 Mitarbeitenden weltweit nicht weniger als 2'600 Milliarden Dollar an Kundengeldern verwaltet.

Ausserdem gehört das Unternehmen zu den fünf grössten aktiven Investoren in festverzinsliche Anlagen der Welt; im Jahr 1965 entwickelte die Capital Group die Referenz-Indizes MSCI und zählt zu den Pionieren im Bereich Emerging Markets (Schwellenländer).

Los Angeles statt New York

Switzerland Marco Buchler FINAL SHORT 500x300

Marco Büchler (Bild oben) hat verschiedene Erklärungen für dieses Phänomen, wie er im Gespräch mit finews.ch erklärt. Es ist sein erstes Interview, seit er im Oktober 2019 als Leiter Financial Intermediaries (Wholesale-Geschäft) zur Capital Group in Zürich stiess. Zunächst einmal, so Büchler, sei das Unternehmen im Gegensatz zum Gros der US-Hochfinanz nicht an der Wall Street in New York, sondern in Los Angeles domiziliert. Allein schon dies verleihe der Gruppe eine andere Kultur.

Noch wichtiger sei indessen der Umstand, dass die Capital Group nicht an der Börse kotiert sei, sondern eine Partnerstruktur besitze, was erstens eine langfristigere Unternehmensstrategie und -planung ermögliche und zweitens zu einer grösseren Firmenloyalität unter den Kaderleuten führe. Manche Mitarbeitende seien zum Teil schon mehr als 20 Jahre für das Unternehmen tätig, betont Büchler.

Nur etwa 50 Strategien

Letztlich sei es aber die Performance der verschiedenen Fonds und Mandate, die den Erfolg der Capital Group ausmache – wobei das Unternehmen nur rund 50 Strategien anbietet, was im Vergleich zu anderen grossen Asset Managern sehr wenig ist. Neben dem langfristigen Anspruch und dem Fokus auf nachhaltige Renditen unterscheidet sich die Gruppe gegenüber anderen Vermögensverwaltern durch ihren Anlageansatz – dem «Capital System».

Bei diesem schon 1958 lancierten Ansatz sind die rund 220 Analysten des Hauses nicht nur für das Research zuständig, sondern sie agieren auch als Investoren. Für jedes Investment-Gefäss sind jeweils mehrere Portfolio-Manager respektive Analysten zuständig. Jeder von ihnen ist verantwortlich für einen Teil des Portfolios, den er nach seinen Überzeugungen verwaltet. Dabei bringen die Fachleute ihre individuellen Einschätzungen ein, die dann kombiniert werden. Mit anderen Worten: Unterschiedliche Investment-Perspektiven kommen so zu einer Anlagestrategie zusammen.

Vorkehrungen gegen Starkult

Damit verhindere das Unternehmen das Entstehen eines Starkults unter den einzelnen Portfolio-Managern, betont Büchler. Ausserdem investiert die Capital Group bevorzugt in Firmen, deren Vertreter sie regelmässig persönlich trifft.

Insgesamt beschäftigt die Capital Group weltweit rund 400 Investment-Experten (sieben davon in der Schweiz). Tatsächlich besitzt die Schweiz innerhalb der Capital Group einen Sonderstatus. So eröffnete das Unternehmen seine erste Europa-Niederlassung – bereits 1962 – in Genf. Inzwischen arbeiten hierzulande gut 140 Personen, davon knapp zehn Personen in Zürich, die mehrheitlich im Vertrieb tätig sind. Eine weitere Person in Zürich soll im Oktober folgen. Hierzulande ist die Gruppe über ihre Fonds in mehrere Schweizer Unternehmen investiert, darunter in Sika, Emmi oder Nestlé.

Neue Branchen frühzeitig erkannt

Eine Investment-Spezialität der Capital Group sind auch thematische Ansätze sowie die Identifikation von aktuellen und künftigen globalen Champions. Gemeint sind damit Firmen, die auf ihrem jeweiligen Gebiet die Marktführerschaft besitzen. Themenansätze sind beispielsweise multinationale Firmen, Schwellenländer-Anlagen oder wachstumsstarke Firmen.

Bei letzteren hat es die Capital Group seit Jahrzehnten verstanden, die Wachstumsdynamik aufstrebender Branchen frühzeitig zu erkennen – in den 1970er- und 1980er-Jahren etwa die rasante Verbreitung von Elektronik und Computern, in den 1990er-Jahren der Vormarsch der Telekommunikation und die damit verbundene Mobilität; zur Jahrtausendwende war es der Aufstieg der Schwellenländer, namentlich Chinas, später der digitale Wandel; also die beschleunigte Digitalisierung, namentlich in der Kommunikation oder im Gesundheitswesen, wie Büchler weiter erklärt.

Mehrmals Innovationen lanciert

Unter diesen Prämissen ist es dem Unternehmen verschiedentlich gelungen, zu den Investoren «der ersten Stunde» in heutige «Mega-Firmen» zu zählen, wie bei Microsoft, Alphabet (Google) oder Tesla. In dieser Pionierrolle gelang es der Capital Group auch mehrmals, Innovationen zu lancieren – 1986 den weltweit ersten Emerging-Market-Aktienfonds etwa, und bereits 1965 entwickelte das Unternehmen internationale Börsenindizes, aus denen die Referenz-Indizes MSCI hervorgingen.

Eine weitere Besonderheit ist der Umstand, dass die Capital Group ihre Investments relativ lange hält. In bestimmten Fonds bleiben 60 Prozent der Anlagen mehr als fünf Jahre investiert, 34 Prozent sogar mehr als acht Jahre. Auch hier manifestiert sich der langfristige Ansatz, der gemäss Zahlen des Datenlieferanten «Morningstar» zu nachhaltigen Renditen verhilft.

Einzelne Firmen auf dem Radar

Inzwischen verfolgt die Capital Group auch einen strikten Nachhaltigkeitsansatz, unter anderem auf der Basis der ESG-Kriterien und der Ansätze der Uno (UN Global Compact). Rund fünf Prozent ihrer Anlagen sind bei bestimmten Fonds mit einem Hinweis belegt, was zur Folge hat, dass diese eingehender analysiert werden; zu den grössten Beteiligungen, die aktuell auf dieser Liste figurieren, gehören Alphabet (Google), Vale, América Movil, Gazprom und Gerdau.

Zum Teil weicht die Capital Group mit ihren Investmentstrategien von einschlägigen Indizes ab. Das wiederum trug entscheidend dazu bei, dass Anlegerinnen und Anleger vor allem in Baisse-Zeiten weniger Geld verloren als wenn sie in den breiten Markt investiert hätten, wie Büchler feststellt.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.55%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.91%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.97%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.03%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.54%
pixel