Trotz Kurscrash fliessen der Krypto-Industrie weiterhin Milliarden zu. Zahlreiche herkömmliche Finanzinstitute nutzen die Marktflaute zum Einstieg ins Blockchain-Business.

«Der Bitcoin zeigt nur, wie gross die Nachfrage nach Geldwäscherei ist.» Vor fünf Jahren kanzelte Larry Fink, CEO des amerikanischen Fondsriesen Blackrock, das Urgestein aller Krypto-Währungen noch als «Index für Geldwäscherei» ab.

Ebenso vernichtend äusserte sich damals Jamie Dimon, Chef der führenden US-Grossbank J. P. Morgan: Die Wall-Street-Grösse bezeichnete Leute, die die Krypto-Währung hielten, als «dumm». Bitcoin sei ein «Betrug», wetterte der Starbanker, «schlimmer als die Tulpenmanie», die bis heute als die Mutter aller Spekulationsblasen gilt.

Auf ins Krypto-Universum

Tempi passati: Letzte Woche vollzog Blackrock endgültig die Kehrtwende, die sich bereits mit Finks Aktionärsbrief vom vergangenen März angedeutet hatte. Der mit rund 9 Billionen Dollar an Kundengeldern grösste Vermögensverwalter der Welt geht eine Partnerschaft mit der führenden US-Kryptobörse Coinbase ein. Beginnend mit Bitcoin, will Blackrock über seine Anlageplattform Aladdin institutionellen Anleger fortan Krypto-Währungen direkt zugänglich machen.

Dimons J.P. Morgan mischt inzwischen ebenfalls im Geschäft mit digitalen Vermögenswerten mit. Das Institut lotet in der Blockchain-basierten Welt «Decentraland» seit diesem Jahr mit der Onyx-Lounge auch das Marktpotenzial im Metaverse aus. Nur wenige Bankstudien ziehen derweil so viel Aufmerksamkeit auf sich wie der Bericht «Opportunities in the metaverse» der Grossbank. Wie Konkurrentin Citibank sieht J.P. Morgan ein riesiges Potenzial für die Metaverse-Wirtschaft.

Branchenweite Zuwendung

Der Sinneswandel der beiden Finanzgiganten steht nur stellvertretend für eine kräftig wachsende Liste traditioneller Grossbanken, Pensionskassen und Vermögensverwalter wie Goldman Sachs, Morgan Stanley oder Schroders, die Krypto-Währungen ursprünglich skeptisch gegenüberstanden, inzwischen digitale Vermögenswerte aber nutzen oder ihre Interessen im Blockchain-Sektor ausbauen.

In der Krypto-Industrie mag derzeit zwar Winter herrschen, aber etablierte Institute aus den Bereichen Bankwesen, Fondsmanagement und digitale Vermögenswerte sehen den diesjährigen Crash als Chance, in diesem Bereich zu expandieren. Die Markttrends zeigen immer deutlicher, dass es selbst für herkömmliche Finanzinstitute, die bisher Krypto-Anlagen feindlich eingestellt waren, nun riskanter ist, nicht Teil des Krypto-Universums zu sein, als ihm beizutreten, urteilte das Beratungsunternehmen KPMG diesen Frühling.

Trotz Marktflaute rekordhohe Investitionen

Seit 2021 sind Krypto-Währungen nicht nur im breiten Markt definitiv angekommen, sondern auch auf dem Radar unzähliger Fondsmanager, Family Offices und Finanzinstitute gelandet. Der diesjährige Crash der Krypto-Währungen scheint der institutionellen Akzeptanz weiter zu helfen. Finanzakteure, die das Gefühl hatten, den Anschluss verpasst zu haben, werten die gegenwärtigen Kurse offenkundig als einen guten Einstiegspunkt in die Krypto-Industrie.

Denn trotz anhaltender Markflaute investieren Kapitalgeber weiterhin kräftig in den Krypto-Bereich. Laut einem Bericht der Researchhäuser Messari und Dove Metrics hat das Fundraising in der ersten Jahreshälfte bereits den Gesamtbetrag von 2021 übertroffen. Mittels 1199 Finanzierungsrunden flossen 30,3 Milliarden Dollar in Bereiche wie zentralisierte Finanzierung (CeFi), dezentralisierte Finanzierung (DeFi), nicht-fungible Tokens (NFT) und Infrastruktur. Zum Vergleich: 2021 wurden in 1313 Finanzierungsrunden insgesamt 30,2 Milliarden Dollar aufgenommen.

Mehr als ein Drittel der Mittel floss in den CeFi-Sektor, der 10,2 Milliarden Dollar an Finanzierungen verzeichnete. Auch der Infrastruktur- und der NFT-Sektor meldeten hohe Investitionsbeträge. Die DeFi-Investitionen scheinen jedoch mit nur 1,8 Milliarden in diesem Zeitraum zurückgeblieben zu sein.

Breitere Akzeptanz

Die Ankunft institutioneller Anleger am Kryptomarkt hat die Entwicklung einer transparenten Infrastruktur für den Austausch und die Lagerung von Krypto-Währungen beschleunigt. Die Infrastruktur ist nun viel weiterentwickelt, die Institutionen verstehen das Krypto-Umfeld besser und haben auch mehr Vertrauen darin. Die Akzeptanz der digitalen Vermögenswerte verbreitet sich in der Finanzindustrie.

«Speziell im institutionellen Bereich hat sich zuletzt vieles für den Bitcoin zum Besseren verändert. In Zukunft könnte der Bitcoin immer mehr zu einem Risk-off-Investment reifen», erklärte vor kurzem etwa Ronnie Stöferle vom Liechtensteiner Vermögensverwalter Incrementum in einem Interview mit finews.ch.

Laut einer Umfrage des Fondshauses Fidelity planen rund 70 Prozent von weltweit mehr als 1’100 befragten Institutionellen, bis Ende 2022 in Kryptowährungen zu investieren. 90 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sie bereit wären, in den nächsten fünf Jahren einen Teil ihres Kapitals in digitale Vermögenswerte zu investieren.

Davon könnten auch Schweizer Häuser profitieren wie die Zürcher Privatbank Maerki Baumann, die Krypto früh und aktiv als Nische entdeckt hat, die Online-Bank Swissquote, welche ihre Dienste in diesem Feld auch Dritten anbietet, oder die beiden dedizierten Schweizer Krypto-Banken Sygnum und Seba. 

Regulierung verhilft zu mehr Stabilität

Trotz dieser Entwicklung sind weltweit aber erst 0,3 Prozent aller Privatvermögen in Kryptos investiert, hat die Boston Consulting Group unlängst analysiert. Das US-Beratungsunternehmen ortet daher einen enormes Wachstumspotenzial. Es erwartet mehr als 1 Milliarde Krypto-Nutzer bis 2030. Diese Wachstumschancen erkennen immer mehr traditionelle Finanzhäuser – und wollen sie nutzen.

Gleichzeitig erschallt nach dem dramatischen Zusammenbruch von TerraLuna, den Insolvenzen wie Celsius und dem allgemeinen Crash der Krypto-Währungen der Ruf nach stärkerer Regulierung immer lauter. Mit dem Regelentwurf Markets in Crypto Assets, kurz MiCA genannt, kommt nun endlich ein regulatorischer Rahmen, der EU-weit für Einheitlichkeit und Verbindlichkeit sorgt. Künftige Massnahmen der Regulierungsbehörden, insbesondere auch in den USA, werden darüber entscheiden, wie konsequent sich die Branche weiterentwickelt.

Mehr Regulierung könnte mehr Stabilität in einem notorisch volatilen Kryptomarkt bedeuten. Sie hat auch das Potenzial, Investoren besser zu schützen und betrügerische Aktivitäten innerhalb des Krypto-Ökosystems zu verhindern, gleichzeitig aber Innovationen zu ermöglichen und die Attraktivität der Krypto-Branche zu fördern. Eine gute Regulierung führt zu Rechts- und Investitionssicherheit, und mit einer stärkeren Regulierung steigt das Vertrauen und somit die Akzeptanz der Krypto-Assets.

Hohes Innovationstempo

Das Innovationstempo im Krypto-Bereich wird anhaltend hoch bleiben. So betonte Peter Harrison, CEO des über 200 Jahre alten britischen Asset Managers Schroders, vor kurzem: «Die Blockchain-Technologie wird ein Katalysator für grundlegende Veränderungen in der Vermögensverwaltung, bei Finanzdienstleistungen im Allgemeinen und in vielen anderen Branchen im weiteren Sinne sein.»

Die Finanzdienstleistungsbereiche, die durch Krypto disruptiert werden, reichen von Zahlungen bis hin zu Krediten, Vermögensverwaltung und Versicherungen. Im Zahlungsverkehr etwa wird es für Privatpersonen mit dem Lightning Network für Bitcoin immer einfacher, ihre Einkäufe in Krypto-Währung zu bezahlen. Auch das Asset Manangement und Wealth Management werden durch den Aufstieg digitaler Vermögenswerte zunehmend stärker beeinflusst, weil immer mehr Menschen ihre Portfolios durch Krypto-Währungen diversifizieren.

Derweil sagte Mike Hofer, der Chief Banking Officer der britischen BCB Group, zu finews.ch: «Jetzt ist die Zeit angebrochen, da sich in der Krypto-Branche die Google von Morgen herauszuschälen beginnen.»

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