Sie zählt zu den Galionsfiguren, welche die Öffentlichkeit mit der neuen CS Schweiz identifizieren wird. Insofern steht für Dagmar Maria Kamber Borens einiges auf dem Spiel. Doch wer ist diese Frau?

Als kleines Mädchen wäre Dagmar Maria Kamber Borens – wie vermutlich alle Kinder – gerne einmal mit dem Dienstwagen und Chauffeur ihres Grossvaters mitgefahren. Doch Leo Schürmann, der angesehene Schweizer Politiker, Preisüberwacher und Kartellrechts-Experte, zog es vor, das eigene Fahrrad oder die öffentlichen Verkehrsmittel zu benützen.

Bodenständig und bescheiden zu bleiben, und zwar in jeder Situation, egal wie weit einen das Leben trägt, ist bis heute ein Leitsatz der 44-jährigen Baslerin Kamber Borens, die 2017 vor ihrer bislang grössten beruflichen Aufgabe steht: Als Chief Operating Officer (COO) der Schweizer Einheit der Credit Suisse (CS) trägt sie massgeblich dazu bei, diese Tochtergesellschaft so in Schwung zu bringen, dass der geplante Teil-Börsengang im zweiten Halbjahr 2017 ein voller Erfolg wird.

Steile Karriere

Verantwortlich für rund 4'000 Beschäftigte, umfasst Kamber Borens' Job alle operationellen Aspekte genauso wie das Miterarbeiten einer drei- bis fünfjährigen Strategie, die nicht zuletzt der fortschreitenden und disruptiven Digitalisierung im Bankwesen Rechnung trägt. Doch wer ist diese Frau, die neuerdings zu den ranghöchsten Bankerinnen dieses Landes gehört?

Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität in Basel, das sie mit einer Doktorarbeit über das Kartellrecht abschloss, heuerte sie bei der anderen Schweizer Grossbank, der UBS, an. Dort machte sie alsbald eine steile Karriere, so dass Kamber Borens kurz bevor die UBS im Herbst 2008 eine 60-Milliarden-Franken-Geldspritze von Bundesbern in Anspruch nehmen musste, zum Managing Director ernannt wurde. In jenem Oktober wechselte sie auch ihren Job vom machtvollen, aber zunehmend umstrittenen und inzwischen längst aufgelösten Chairman’s Office unter die Fittiche des damaligen Finanzchefs der UBS, John Cryan, der mit seinem Know-how massgeblich zur Rettung der grössten Schweizer Bank beitrug.

Zwei Mentoren

Insgesamt vier Jahre lang arbeitete sie an der Seite des Briten Cryan, der heute die Deutsche Bank leitet und saniert. Wie verschiedene Personen aus dem damaligen Umfeld berichten, bezeichnete er Kamber Borens gerne – allerdings immer mit grosser Hochachtung und Stolz – als seinen «Rottweiler», weil sie mit grosser Disziplin das Tagesgeschäft in Ordnung brachte und Cryan selber den Rücken freizuhalten verstand. Später wechselte sie zu ihrem zweiten grossen Mentor – zu Stabschef Tom Naratil, der heute das USA-Geschäft der UBS leitet.

Wie andere Bankmanager in solchen Funktionen ist auch Kamber Borens äusserst leistungsfähig. Sie besitzt ein grosses Durchsetzungsvermögen und kultiviert einen gesunden Ehrgeiz. In einer hoch politischen Organisation wie die UBS liess sie sich auch nie unterkriegen, spielte stattdessen gezielt ihre emotionale Intelligenz und ihren Charme aus, wie ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berichten.

Einsatz in Singapur

Es wäre indessen falsch, Kamber Borens auf solche Merkmale zu reduzieren. Die Bankerin verfügt unbestritten über ein umfangreiches Know-how, sei es in Strategiefragen, bei Firmenübernahmen und -fusionen oder in der Vermögensverwaltung sowie im Finanzbereich.

Vor vier Jahren transferierte die UBS Kamber Borens nach Singapur, wo sie zur Finanzchefin (Chief Financial Officer, CFO) der Region ernannt wurde – das war nicht nur der Aufstieg in eine Geschäftsleitung, sondern auch der erste Auslandseinsatz. Für die Mutter von drei Kindern und gleichzeitig mit ihrem Gatten, dem Rechtsanwalt Philippe Borens, ein eigentliches «Power-Paar» bildend, machte der Einsatz in der Wachstumsregion Asien erhebliche organisatorische und logistische Vorbereitungen nötig. Aber auch das meisterte Kamber Borens – zusammen mit ihrem Mann – souverän.

Weitere Ambitionen

In Singapur angelangt bestand eine ihrer Hauptaufgaben darin, diverse Funktionen und Verantwortlichkeiten, die zuvor fragmentiert «im Raum standen», zusammen zu führen. Weil sie dies offenbar mit Bravour erledigte, offerierte ihr die UBS nach einiger Zeit einen neuen Finanzjob wieder in der Schweiz. Doch nach insgesamt acht Jahren im CFO-Bereich wollte sich die angehende Mittvierzigerin auf ihrem weiteren Karriereweg nicht auf diese Funktion reduzieren lassen, wie damalige Arbeitskollegen berichten. So begann sie, eine neue Herausforderung zu suchen.

Dass Kamber Borens in diesem Jahr von der UBS – wie seit geraumer Zeit noch eine ganze Reihe anderer Banker – zur Credit Suisse wechselte, ist letztlich ein logischer Schritt für eine leistungswillige Person, die weitere berufliche Ambitionen hegt.

Etwas mehr Disziplin

Seit bald drei Monaten als COO hat sich Kamber Borens wahrlich keine leichte Aufgabe ausgesucht. Denn wie eine Hochseil-Tänzerin muss sie einerseits dem Druck standhalten, der angesichts der grossen Erwartungen an die CS Schweiz von innen und aussen kommt, und gleichzeitig muss sie darauf achten, dass intern, vor allem auf Grund der diversen personellen Neubesetzungen, kein so genannter Kampf der Kulturen ausbricht. Hinzu kommt, dass die CS intern einen eher unternehmerischen Stil pflegt, der durchaus seine guten Seiten hat, aber bisweilen auch etwas mehr Disziplin – im Stil der UBS – vonnöten wäre, um die künftige Strategie konsequent umzusetzen.

Was sind die nächsten Schritte? Die Schweizer CS unter der Leitung von CEO Thomas Gottstein hat im November ihren Betrieb aufgenommen, doch wie sich eine teilautonome Bank im Geschäftsalltag strategisch verhalten soll, ist in manchen Fragen noch offen. Dabei geht es etwa um die organisatorische Integration anderer CS-Töchter wie die Neue Aargauer Bank (NAB), die Kreditkarten-Herausgeberin Swisscard oder um die im Konsumkredit- und Leasing-Geschäft tätige Bank-now. Weitere Themen sind die Aufteilung der IT zwischen der Schweizer Einheit und der CS-Gruppe.

Ersehnte Milliarden

Und last but not least muss noch das her, was Investmentbanker und Börsianer eine «Equity Story» nennen, also einen Katalog an Argumenten, weshalb es sich im nächsten Jahr für Anleger lohnt, Aktien der CS Schweiz zu kaufen. Denn nur ein erfolgreicher (Teil-) Börsengang beschert der Muttergesellschaft die ersehnten Milliarden, um die Eigenmittel-Ausstattung weiter zu stärken.

Kamber Borens hat überraschend rasch gehandelt, um eine schlagkräftige Truppe um sich zu scharen, wie finews.ch exklusiv berichtete. Dabei scheute sie auch nicht davor zurück, gestandene Funktionsträger, wie Digitalchef Marco Abele, zu verabschieden und an seiner Stelle die bislang kaum bekannte, 37-jährige Bankerin Anke Bridge zu installieren.

Juwel des Konzerns

Tatsächlich hat Kamber Borens auch nicht die Zeit, um beispielsweise Fachleute von der UBS abzuwerben, da diese in der Regel erst nach einer Karenzfrist von einem halben Jahr bei der Konkurrenz anfangen können. Die Bankerin muss sich intern organisieren, nicht zuletzt, um in den nächsten paar Monaten auch die «Equity Story» sozusagen in Stein zu meisseln.

Und worum geht es darin? Klar ist, die Schweizer CS ist das Juwel des Konzerns. Es ist die am besten funktionierende, profitabelste und kosteneffizienteste Einheit. «Wie die Credit Suisse – aber einfach besser», heisst es intern. In seiner Ausgestaltung soll dieses neue Unternehmen eine grosse Portion an Swissness ausstrahlen und gleichzeitig mit seinen traditionsreichen Investmentbanking- und Corporate-Banking-Kompetenzen den idealen «Setup» bieten, um eine «Unternehmerbank» zu sein, wie es CS-intern heisst.

Weiterer Stellenabbau

Bei allem Elan bleibt aber auch die CS Schweiz, wie alle Mitbewerber, dem anhaltend schwierigen Umfeld ausgeliefert: Viele vermögende Privatpersonen halten sich mit Investitionen immer noch zurück. Lieber horten sie ihr Geld auf dem Konto, womit die Banken allerdings nichts verdienen. Parallel dazu fressen sich die Negativzinsen immer tiefer in die ohnehin schon bescheidenen Margen hinein, und die verschärften Gesetze und Bestimmungen erschweren und verteuern das Geschäft zusätzlich, während der Konkurrenzkampf in der Branche tobt.

Kein Wunder figurieren auch bei der CS Schweiz weitere Kostensenkungen und Jobkürzungen ganz oben auf der Prioritätenliste, wie CS-Konzernchef Tidjane Thiam am kürzlichen Investorentag in London unmissverständlich zum Ausdruck brachte.

Nur noch wenig Geduld

Was steht auf dem Spiel? Kamber Borens hat zweifelsohne bewiesen, dass sie der «Hitze im Maschinenraum» Stand halten kann, als sie namentlich vor acht Jahren in einer höchst schwierigen Phase bei der UBS arbeitete. Auch nach der Staatsrettung der UBS erwies sich Kamber Borens als zuverlässige und kompetente Kraft, um an der Seite von CFO Cryan die grösste Bank der Schweiz aus der Krise herauszuführen.

Nun bei der CS, welche die Finanzkrise zwar ohne staatliche Hilfe meisterte, steht nun aber auch einiges auf dem Spiel. Denn die Bank durchlebte in den vergangenen Jahren eine schwierige Zeit. Im nächsten Jahr sollte definitiv klar werden, dass die Bank wieder auf Kurs ist. Noch mehr Geduld dürften viele Aktionäre und potenzielle Investoren nicht mehr aufbringen.

Fitness und Gestaltungskraft

Kamber Borens arbeitet nicht mehr im «Maschinenraum», sondern an der «Front» – als eine der wenigen Galionsfiguren, welche die Öffentlichkeit mit der neuen CS Schweiz identifizieren wird. Insofern steht für COO Kamber Borens tatsächlich einiges auf dem Spiel. CEO Thiam benötigt das Kapital aus dem geplanten Börsengang der CS Schweiz dringend, denn die erwarteten vier bis fünf Milliarden Franken sind eine wichtige Voraussetzung, um dem Konzern die volle Fitness und Gestaltungskraft zurückzugeben – insofern ruht ein grosser Teil dieses erhofften Erfolgs auf den Schultern von Kamber Borens.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.55%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.89%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.99%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.01%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.56%
pixel