Banken in der Schweiz und im Ausland haben die Coronakrise bislang leidlich überstanden. Doch wie gut sind sie für eine erneute Verschärfung der Pandemie gerüstet? Das Risiko einer Banken- und Finanzkrise steigt.

Während Schweizer Medien die «zweite Welle» in der Coronapandemie bereits ausgerufen haben, steigen die Aktienkurse an den Weltbörsen weiter. Es ist einer der seltsamen Charakterzüge dieser weltweiten Krise: Während die wirtschaftlichen Prognosen höchst unsicher bis düster sind, scheinen die Börsen davon keine Notiz zu nehmen. Die Geldflut der Notenbanken, namentlich der US-Fed und der Europäischen Zentralbank, sorgt für Hochstimmung.

Doch vorausschauendere Leute – Notenbanker und teils auch Schweizer Bankenmanager – sind vorsichtig. Die Sorgen über die möglichen Auswirkungen einer zweiten Ansteckungswelle in der Coronapandemie stufen sie als akut ein.

Firmenpleiten, Kreditausfälle

«Es gibt das Szenario einer Liquiditätskrise bei den Banken und im Finanzsystem», sagten mehrere nicht namentlich genannt wollende Schweizer Banker, die teils Geschäftsleitungsmitglieder sind, in Gesprächen, die  finews.ch in den letzten Tagen geführt hat.

Das Szenario: Eine weitere Verschärfung der Wirtschaftskrise brigt die Gefahr von mehr Firmenpleiten und höheren Kreditausfällen bei den Banken. Andererseits könnten Unternehmen ihre Kreditlinien vollends ausschöpfen oder versuchen, ihre Liquiditätspolster über neue Kreditlinien zu stärken.

Ein solcher «Run» auf die Banken würde das Liquiditätsproblem verschärfen. Der Interbankenmarkt könnte austrocknen, weil das gegenseitige Vertrauen fehlt.

Notenbanker und Regulatoren warnen

Die Coronakrise wäre dann in der Finanzkrise von 2008 angekommen, nachdem die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers pleite gegangen war.

In diesem Szenario sind einige «hätte» und «könnte» enthalten. Doch gerade bei den Notenbankern und Bankenaufsehern ist es ein Thema – und sie warnen bereits davor.

So sagte Finma-Direktor Mark Branson in einem Interview unverblümt: «Eine grosse volkswirtschaftliche Gefahr wäre in meinen Augen eine Kreditklemme: dass Banken zu wenig Eigenkapital haben, um neue Firmenkredite zu vergeben.»

Die «Financial Times» liess in ihrer Donnerstagsausgabe James Bullard ausführlich zu Wort kommen, den Präsident der Federal Reserve Bank of St. Louis (Anmerk. d. Red.: Es gibt zwölf regionale Federal Reserve Banken in den USA. Die von St. Louis ist für sechs US-Bundesstaaten zuständig).

Keine Präventivwarnungen

«Eine Welle von grösseren Unternehmenspleiten könnte in eine Finanzkrise münden», sagte Bullard und appellierte an ein vorsichtigeres Risikomanagement.

Es sind keine Präventivwarnungen, die hier ausgesprochen werden. Die Geldmärkte standen bereits vergangenen März unter hohem Stress, denn die Banken mussten einen plötzlichen und immensen Liquiditätsbedarf befriedigen – weltweit stellten Unternehmen an die 500 Milliarden Dollar Kredit- und Liquiditätsgesuche.

«Es kam mit dramatischer Geschwindigkeit zu Engpässen», beschrieb Branson die Wochen im März.

Mit der Zufuhr von Liquidität haperte es

finews.ch recherchierte im April im Schweizer Geldmarkt und stellte fest: Der Liquiditätsbedarf der Banken war stark angestiegen, aber bei der Zufuhr haperte es. Der unbesicherte Geldmarkt hatte sich massiv verengt und verteuert. Nach dem Absturz an den Börsen mussten Banken von ihren Gegenübern ausgehen, dass diese Kreditausfälle erlitten haben. Solchen Banken gibt man nur noch ungern Geld.

Für die Schweizer Banken sind weniger die wohl zahlreichen KMU ein potenzielles Problem, die bei wieder verschärften Lockdown-Massnahmen in Schieflage geraten würden. Für die im Rahmen des Covid-19-Rettungspaketes vergebenen Kredite, bislang rund 14 Milliarden Franken, bürgt der Schweizer Steuerzahler. Zudem ist das verbürgte Volumen für die Notkredite mit 40 Milliarden Franken noch nicht ausgeschöpft.

Banken kämen in die Bredouille

Zum Problem könnten grössere Unternehmen mit unterbrochenen Lieferketten und einem plötzlich steigenden Cash-Bedarf werden, sagt ein Schweizer Banker gegenüber finews.ch. Die Banken kämen dann in die Bredouille: Sie könnten ganz einfach die Kreditvergabe stoppen, was womöglich zu Unternehmenspleiten und ausbleibenden Rückzahlungen führen würde.

Ein Teil der Banken könnte auch schlicht keine weiteren Grosskredite vergeben, weil das Eigenkapital nicht genügen würde. Andere Banken würden wiederum ihre Vergabekriterien verschärfen.

Der Schweizer Hypothekarmarkt stellt ein weiteres Risiko für eine Liquiditätsklemme dar. Das hohe Mass an Unsicherheit illustrierte am (gestrigen) Donnerstag der Internetvergleichsdienst Comparis: «Bocksprünge» würden die Hypothekarzinsen machen.

Kapitalpuffer-Regelung aufgehoben

Finma-Direktor Branson pflichtete bei: «Die Risiken im Hypothekarmarkt sind weiterhin gross.» Doch haben Finma und Schweizerische Nationalbank (SNB) den antizyklischen Kapitalpuffer, der die Risiken im Hypothekarmarkt dämpfen sollte, im April aufgehoben.

Zweck der Übung: Kapital für Unternehmenskredite freisetzen. Sinken die Schweizer Immobilienpreise aber, was in einem Wirtschaftsabschwung ein Szenario sein kann, wird der Hypothekarmarkt zur Zeitbombe. Kreditausfälle würden sich sofort ins Eigenkapital der Banken fressen – denn der Sicherheitspuffer wurde bereits anderweitig verwendet.

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